Der Arbeitsmarkt für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge ist überdurchschnittlich gut und bietet eine Fülle von Arbeitsmöglichkeiten und attraktive Bedingungen. Ein sehr guter Abschluss, relevante Studienschwerpunkte, erste Berufserfahrungen in dem relevanten Gebiet, Mehrsprachigkeit und internationale Erfahrungen erhöhen selbstverständlich die Chancen, zügig einen Arbeitsplatz zu finden oder von Arbeitgebern direkt angeworben zu werden.
Aber was ist mit denjenigen, die nicht alle Kriterien erfüllen? Studierenden fällt es oftmals schwer, sich für einen konkreten Karriereweg zu entscheiden und klare Ziele zu verfolgen. Schlimmstenfalls plagt sie sogar die Vorstellung, durch eine längere Studiendauer, Wechsel der Schwerpunkte, unbefriedigende Praktika oder mittelmäßige Noten bereits vor dem Karriereeinstieg aus dem Rennen zu sein. Doch geht es den meisten Arbeitgebern weniger darum, dass Ihre Bewerber 100% dem idealen Studenten entsprechen. Vielmehr kann der frischgebackene Absolvent durch die richtige Planung schon vor der Bewerbung punkten.
Was für den Arbeitgeber wirklich zählt
Absolventen können viel für ihren Karriereeinstieg tun, auch wenn sie nicht in jedem Punkt einer Idealvorstellung entsprechen. Dazu braucht es vor allem die Fähigkeit zur Selbstreflektion und eine konsequente Recherche des Arbeitsmarktes. Wenn ich weiß, wohin ich strebe, kann ich im Laufe des Studiums mein Profil entwickeln und entscheiden, ob Zusatzqualifikationen, Praxiserfahrungen oder eine weitere Vertiefung eines Wissensgebietes den Einstieg erleichtern.
Grundsätzlich gilt: Eine durch die Selbstreflektion gestärkte klare Motivation für die Aufgabe und das Unternehmen und ein Wissen darüber, was auf einen zukommt, überzeugt viele Arbeitgeber, auch wenn nicht alle Kriterien einer Ausschreibung erfüllt werden. Selbstreflektion heißt, sich der eigenen Persönlichkeit und damit der individuellen Stärken und Motive bewusst zu sein. Zusätzlich sollte ich einschätzen können, unter welchen Arbeitsbedingungen ich die besten Leistungen erbringe und mit welchen Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen ich mich weitgehend identifizieren kann.
Um einen Berufseinstieg als IT-, Ingenieurstudent zu planen sind berufspraktische Erfahrungen die beste Möglichkeit, um zu entscheiden, ob eine Aufgabe oder ein Arbeitsumfeld für mich erstrebenswert sind. Mentoren, Netzwerke, Karrieremessen, aktive Kontakte zu Arbeitgebern helfen, eine konkrete Vorstellung von unterschiedlichen Berufsbildern zu bekommen und mit meinem Können und Wollen abzugleichen. Zusätzlich ebnen diese Kontakte später den Weg in den Beruf.
Kein Königsweg für den Karrierestart?
Für die richtige Art des Einstiegs gibt es keinen Königsweg. Traineeprogramme sind für Absolventen ingenieurtechnischer Fachrichtungen attraktiv, die einen Gesamteinblick in ein Unternehmen bekommen möchten und dort eine Fach- oder Führungskarriere anstreben. Da in Unternehmen immer stärker interdisziplinär und abteilungsübergreifend gearbeitet wird, ist dieses durchaus ein Startvorteil. Trainee sein heißt allerdings auch, die Bildungszeit verlängert sich und das Gehalt ist zunächst wenig attraktiv. Wer also großen Wert darauf legt, von Anfang an finanziell aufzusteigen, der sollte ausloten, inwiefern ein direkter Einstieg in die Arbeitswelt möglich ist.
Die Möglichkeiten des Direkteinstiegs ohne Berufserfahrung hängen stark von der Arbeitsmarktsituation ab. Analog zu Konjunktur und wirtschaftlichen Zukunftsthemen wie aktuell im Bauwesen oder nach wie vor in der Elektrotechnik entstehen Spitzenbedarfe in bestimmten Fachrichtungen. Dort stehen die Chancen also gut, direkt nach dem Abschluss eine Stelle zu erhalten.
Planen ist gut – Anpassungsfähigkeit ist besser
Einmal gesetzte Ziele lassen sich verfolgen und erleichtern den Berufseinstieg. Doch sind Ziele nicht in Stein gemeißelt. Mit wachsender Erfahrung zeigt sich, was ich besonders gut kann, was mir leicht fällt und Freude macht. Mit der Zeit entdecke ich an mir Fähigkeiten, von denen ich nicht wusste, dass ich sie besitze. Meine private Situation, meine persönliche Interessen und Werte verändern sich. Genauso lerne ich persönliche und fachliche Grenzen kennen, muss Rückschläge verkraften und mich beispielsweise mit einer Veränderung der Arbeitsmarktsituation auseinandersetzen.
Im Verlauf der gesamten Karriere bleibt die Herausforderung bestehen, nicht an „alten Zielen“ oder unbefriedigenden, aber gewohnten Situationen beim aktuellen Arbeitgeber festzuhalten. Eine regelmäßige Reflektion dessen, was ich erreicht habe und was beruflich, persönlich und privat für mich wichtig ist, ist gut investierte Zeit. Sie hilft über den Berufseinstieg hinaus, das eigene Berufsleben aktiv und zur eigenen Zufriedenheit zu gestalten.
Es braucht also keinen idealen Lebenslauf, um in der Karriere durchstarten zu können. Wer seine Ziele schon früh kennt, seine Stärken nutzt und entwickelt und sich mit dem für sie oder ihn relevanten Arbeitsmarkt auseinandersetzt, der kann trotzdem den Traumposten erlangen oder aber erfolgreich einen Schritt in die richtige Richtung gehen.
Andrea Gramoll gründete 2015 gemeinsam mit Klaus Schmidt die Partnerschaftsgesellschaft Schmidt Gramoll. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Beraterin, Trainerin und Coach in den Bereichen Management und Personalentwicklung. Mehr dazu online unter