In der dynamischen Welt des Bankings kommt es besonders auf die Entwicklung neuer Anwendungen an. Julia Koch gehört der fünfköpfigen Geschäftsführung der Finanz Informatik (FI) an, dem Digitalisierungspartner der Sparkassen-Finanzgruppe, und leitet dort das Ressort Anwendungsentwicklung. In ihrem Arbeitsalltag verbindet sie strategisches Denken mit dem Einsatz moderner Technologien, um das Banking von Morgen und Übermorgen aktiv zu gestalten.
Frau Koch, Sie sind sowohl Geschäftsführerin für das Ressort Anwendungsentwicklung bei der FI, als auch Mitglied des Aufsichtsrates der EURO Kartensysteme GmbH und Vorsitzende der Gesellschafterversammlung bei der Web Computing GmbH. Wie balancieren Sie all diese Aufgaben gleichzeitig?
Das stimmt, meine Tage sind ziemlich gefüllt – aber die gute Nachricht ist, dass immer absehbar ist, wann es stressiger und wann wieder entspannter wird. So kann ich meine Aufgaben gut aufeinander abstimmen. Meine Work-Life-Balance empfinde ich als ausgewogen, denn ich reise persönlich sehr gerne. Da ich in meinen Rollen für und bei der FI auch Sparkassen quer durch Deutschland betreue, bin ich viel unterwegs – von der luxemburgischen bis hin zur polnischen beziehungsweise tschechischen Grenze. Damit entdecke ich in unserem Land auch Gebiete, die nicht in jedem Reiseführer stehen. Außerdem arbeite ich nicht auf mich allein gestellt, sondern habe ein exzellentes Team an Geschäftsbereichsleiterinnen und -leitern hinter mir. Uns eint, dass wir gemeinsam Verantwortung für unsere Kunden übernehmen.
Zu denen nicht nur Sparkassen gehören.
Richtig, sie haben mit 348 Instituten zwar den größten Anteil, es kommen aber auch weitere dazu: Landesbanken, Landesbausparkassen, die Deka, die öffentlichen Versicherer und weitere Verbundpartner der Sparkassen. All diese Kunden persönlich zu betreuen, ist eine Aufgabe, die wir auf meine vier Kollegen in der Geschäftsführung und mich aufgeteilt haben, denn die persönlichen Besuche haben zahlreiche Vorteile: Beispielsweise, dass unsere Kunden auf Managementebene im direkten Austausch mit uns ihre aktuellen Perspektiven einbringen können. Im Gegenzug können wir uns ebenso direkt darüber austauschen, bei welcher Entwicklung wir wo stehen, institutsspezifische Anforderungen und strategische Fragen erörtern – aus der Praxis für die Praxis.
Insgesamt liegt Ihr Fokus definitiv auf der Anwendungsentwicklung. Was macht diese so spannend?
Kurz gesagt: Weil ich mit meinem Team das Banking von Morgen und Übermorgen für 50 Millionen Menschen gestalten darf. Sprich – für jeden zweiten Haushalt in Deutschland. Dabei sind wir für Privatpersonen genauso da wie für Unternehmerinnen und Unternehmer, bedienen also die komplette Vielfalt des Commercial Bankings. Im Wesentlichen entwickeln wir Software laufend weiter, um eine bestmöglich kundenzentrierte Lösung zur Verfügung zu stellen. Zu deren Nutzern gehören außerdem auch die Kolleginnen und Kollegen aus den Sparkassen selbst, die wiederum ihre Kunden beraten. Wir decken also eine enorme Bandbreite an Anwendungen ab – quasi alles, was in einer Sparkasse an Software eingesetzt wird, entwickeln oder betreuen wir.
Im Gegensatz zu uns konzentriert sich ein Start-up beispielsweise auf eine feste Zielgruppe, ein bestimmtes Produkt, eine konkrete Lösung. Wir als Digitalisierungspartner und zentraler IT-Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe bedienen nicht nur die gesamte Bandbreite des Commercial Bankings, sondern bespielen die volle Klaviatur der Banking-Kanäle: die App Sparkasse mit rund 17 Millionen Anwenderinnen und Anwendern, Sparkassen-Filialen, Callcenter oder Geldautomaten – überall kommt Software von uns zum Einsatz. Hier gibt es nichts, was nicht von uns kommt. Es geht also nicht nur um eine Kontoeröffnung per App Sparkasse oder einen Haushaltsrechner im Onlinebanking, sondern auch um Handelssysteme, die Banksteuerung oder das EZB-Meldewesen der ganz großen Sparkassen, die von der Europäischen Zentralbank direkt beaufsichtigt werden. Das ist eine gigantische Herausforderung, aber auch die absolute Chance, das Banking von Morgen und Übermorgen aktiv zu gestalten.
Gibt es in Ihrem Tagesablauf typische Elemente?
Natürlich gibt es eine grundlegende Struktur, denn es gibt zahlreiche Jours fixes mit meinen Geschäftsbereichsleiterinnen und -leitern, bei denen wir uns sehr dezidiert über strategische und operative Entwicklungen austauschen. Hinzu kommt aufgrund meiner Funktion natürlich auch der eine oder andere Termin in Gremien der Sparkassen-Finanzgruppe, bei dem ich die Perspektiven der FI einbringe. Je weniger Termine es in bestimmten Phasen gibt, desto mehr komme ich dazu, mich bei den Großprojekten einzubringen, um dort Impulse zu setzen. Nicht zuletzt freue ich mich, wenn ich außerhalb der FI mit anderen Kolleginnen und Kollegen aus Fintechs, dem Mittelstand oder Großunternehmen in den Austausch gehen und lernen darf. Jeder von uns kommt technologisch oft an ganz anderen Fragen vorbei, das macht das Netzwerken so spannend.
Apropos Netzwerken. Wie wichtig ist Ihnen der Austausch mit jüngeren Mitarbeitenden, etwa im Sinne von Mentoring?
Mir sind flache Hierarchien tatsächlich sehr wichtig und damit der direkte Austausch mit meinen Mitarbeitenden – ganz losgelöst von einem formalen Mentoring-Programm. Wenn es die Zeit erlaubt, diskutieren wir die Themen bis ins kleinste Detail, denn ich möchte meinen Mitarbeitenden konkret weiterhelfen. Kontinuierliches Mentoring wie in einem formalen Programm könnte ich aufgrund meiner Aufgaben nicht leisten und es wäre absolut nicht wertschätzend für den Mentee, sich nach meinem sehr flexiblen Terminplan richten zu müssen. Das ist nicht die Art, wie ich arbeiten und führen möchte. Dafür begleite ich umso lieber bei Einzelthemen oder ermögliche unter anderem Job Shadowing. Diese Kultur des Unterstützens und Aufbauens möchte ich nicht nur über die Geschäftsführung leben, sondern über die Breite der Teammitglieder.
Sie sind die einzige Frau in der fünfköpfigen Geschäftsführung. Wie steht es um Parität in den Teams der Finanz Informatik?
Sicherlich sind wir in der IT-Branche als solcher und der Finanzindustrie ebenso noch nicht bei formeller Parität. Laut einer aktuellen Studie der Bitkom liegt der IT-Bereich bei ungefähr 30 Prozent Frauenanteil. Bei uns steigt dieser Anteil immer weiter und in der Anwendungsentwicklung sind wir derzeit bei 33 bis 40 Prozent. Das kommt nicht von ungefähr, denn Andreas Schelling, der Vorsitzende unserer Geschäftsführung, hat vor mir bereits viel angestoßen, gefördert und in Bewegung gesetzt. Auf dem setze ich heute auf. Die IT-Branche ist aber auch darauf angewiesen, dass genug junge Frauen überhaupt eine Ausbildung oder ein Studium in dem Bereich beginnen. Wir bei der FI versuchen daher sehr früh, junge Menschen für die IT zu begeistern. Dafür arbeiten wir auch mit der Hacker School zusammen, wo ein gigantisches Konzept entwickelt wurde, bei dem wir auch schon viele hundert Jugendliche ab der 8. oder 9. Klasse unterstützt haben. Aus unternehmerischer Sicht könnte man sich nun fragen, ab wann sich das final bei uns in der Belegschaft widerspiegelt, aber diese Investition in die jüngeren Zielgruppen ist enorm wichtig und unser gesellschaftlicher Auftrag. Wir hatten auch schon den Fall, dass uns Bewerbungen von Geschwistern eingereicht wurden – es muss also gut ankommen. Der zweite Punkt ist, dafür zu sorgen, dass wir schon Studierenden den Einstieg ermöglichen. Daher haben wir um die 200 bis 250 Werkstudierende pro Jahr. Daraus werden Abschlussarbeiten, Direkteinstiege oder Trainees.
Die erwähnte Geschlechterparität spielt in der Zusammensetzung unserer Teams eine große Rolle, aber nicht die einzige: Diversität ist das Oberthema. Es ist unsere Verantwortung, bunte Teams zusammenzustellen, denn unsere Institute und vor allem deren 50 Millionen Kundinnen und Kunden haben unterschiedlichste Bedürfnisse. Wenn ich diese im Sinne der Kundenzentriertheit verstehen möchte, braucht es Vielfalt und Inklusion.
Welche Rollen spielen zukunftsweisende Technologien wie Quantum Computing?
Es ist ein extrem spannendes Thema. Aber wir beleuchten neue Technologien immer nach Einsatzmöglichkeiten und diese sind bei Quantum Computing derzeit noch nicht gegeben. Deswegen fokussieren wir uns auf AI, was ja nicht erst mit ChatGPT vom Himmel gefallen ist. Im Wesentlichen verfolgen wir dabei eine duale Strategie: Wir setzen einerseits KI im OSPlus ein. Hier dreht sich derzeit viel um Betrugsprävention, Zahlungsverkehr, Payment und Embargobearbeitung. Andererseits setzen wir mit dem S-KIPilot direkt KI am Arbeitsplatz, also direkt in der Sparkasse bei unseren Kolleginnen und Kollegen ein. Hier möchten wir die Arbeitswelt in der Breite verändern. Ein Beispiel: Wenn ein Kunde mit einer schwedischen Gehaltsabrechnung kommt und eine Kreditentscheidung möchte, lädt man diese hoch und es gibt direkt eine Übersetzung auf Deutsch oder Englisch und die Kreditberatung kann direkt fortgeführt werden.
Wir betreiben all dies in unseren Rechenzentren und stellen damit Informationssicherheit und Datenschutz et cetera sicher. Bis Weihnachten dieses Jahres bringen wir unserem S-KIPilot nicht nur allgemeines Wissen bei, sondern auch Sparkassen-spezifisches. Bis Ende 2025 soll er Processing unterstützen, wo er den eigentlichen Mehrwert entfalten kann. Ich feiere mein Team dafür, dass 348 Sparkassen diese Lösung heute schon aktiv nutzen. Das ist nicht bloß ein technischer Schalter, der umgelegt wurde, sondern es werden bereits heute täglich tausende Prompts von den Sparkassen-Mitarbeitenden erstellt. Daran messen wir uns heute, um aus dem Nutzerverhalten viel zu lernen: Wo läuft alles super smooth durch, wo bricht ein Prozess ab? Technologie ist immer nur eine Seite einer Innovation, am Ende müssen die Bedürfnisse der Nutzerinnen und Nutzer erfüllt sein. Deswegen stellen wir unsere Kunden in den absoluten Fokus.
Denken Sie an Ihren eigenen Einstieg zurück. Wie sind Sie auf die FI aufmerksam geworden?
Die einzige Bewerbung meines Lebens habe ich damals für meinen Ausbildungsplatz geschrieben – seither habe ich das große Glück, immer angesprochen worden zu sein. Kurz vor Pfingsten 2021 kam ein Anruf einer guten Bekannten, die ich eigentlich aus einem ganz anderen Kontext kannte. Sie habe eine interessante Ausschreibung gefunden, die ich mir unbedingt ansehen sollte. Eigentlich war ich gerade im Expat-Status in Mailand, aber mir war klar, dass mir die Herausforderung liegen würde. Nach einigen Gesprächen war ich vom Thema begeistert und hatte eine sehr interessante Perspektive. So kam ich persönlich zur Finanz Informatik – ein Schritt, den ich immer wieder gehen würde.
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