Im Rahmen des Projektes „Valles Marineris Explorer – Virtual TestBed“ (VaMEx-VTB) haben Wissenschaftler des Technologie-Zentrums Informatik und Informationstechnik (TZI) der Universität Bremen 40 Quadratkilometer Marslandschaft in der virtuellen Realität konstruiert. Prof. Dr. Zachmann von der Universität Bremen und Dr. Daniel Kühn vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) berichten im Interview mit hitech-campus.de über das Projekt, das Roboter auf dem Mars simuliert.
In dem von Ihnen entwickelten Testumfeld kann der Einsatz von Roboterschwärmen unter den Umweltbedingungen des Mars realistisch simuliert werden. Was ist das Ziel des Projektes VaMEx-VTB?
Zachmann: Mit diesem virtuellen Testbed (VTB) wollen wir eine Plattform für das ganze Vamex-Konsortium bereitstellen, mit der zwei Ziele verfolgt werden sollen. Zum einen kann man damit die verschiedenen Komponenten der Vamex-Mission testen, insbesondere deren Zusammenspiel, was ja gerade in diesem Fall eine besondere Herausforderung darstellt, da alle Komponenten autonom agieren. Zum anderen kann eine gemeinsame Test-Plattform aber auch ein sehr gutes Vehikel sein, um verteilte Entwickler-Teams zusammenzubringen und eine gemeinsame Diskussionsgrundlage zu schaffen.
Ist Ihr Projekt einer der ersten Schritte Richtung Terraforming des Mars?
Zachmann: Dazu ist es noch viel zu früh. Zunächst müssen die geologischen und klimatischen Verhältnisse auf dem Mars noch viel besser verstanden werden. Das langfristige Ziel des Vamex-Projektes als Ganzes ist die Exploration des Mars mit Hilfe von autonom agierenden Schwärmen. Wenn das gelingt, wären wir schon einen sehr großen Schritt weiter.
Für einen möglichen Einsatz auf dem Mars simulieren Sie das Zusammenspiel von weitgehend autonomen Roboterschwärmen. Ein Teil dieser Roboter hat die Form von Affen/Primaten bekommen. Wieso?
Antwort von Dr. Daniel Kühn, Ansprechpartner seitens des Robotics Innovation Center vom DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz) zum Projekt VaMEx-VTB. Das DFKI entwickelte und stellte das im Projekt eingesetzte System.
Kühn: Wir haben in vorhergehenden Vorhaben die Form von Primaten für die Anwendung im Weltraum gewählt, weil diese Tiere über ein sehr großes Spektrum an Fähigkeiten verfügen; sowohl Lokomotions- als auch manipulatorische Fähigkeiten. Bei der Entwicklung dieses Roboters wurde versucht, sich viel aus der Biologie abzuschauen. Dies gilt beispielsweise für die Morphologie des Roboters. Die Verhältnisse von Oberschenkel zu Unterschenkel, zum Rückenmark und zu den Armen ist eins zu eins von den Bonobo-Affen abgeschaut. Von Affen gibt es außerdem verschiedene Laufmusteranalysen. Man konnte also diese Gangmuster als Startpunkt nehmen, um das Laufen auf das System zu bringen.
Das Design als Primat wurde gewählt, weil der Affe die Fähigkeit hat, sich auf die Hinterbeine zu stellen. Die Vorderarme hat er dann beispielsweise für eine Manipulation frei. In der Vamex-Projektlinie hat dies folgenden Vorteile: Wir haben ein Team aus verschiedenen Systemen, also fahrende, fliegende und auch laufende. Durch die zwei Arme kann der laufende Roboter mit den Teammitgliedern interagieren, das heißt sind beispielsweise durch Sandstürme die Solaranlagen der anderen Systeme bedeckt, können diese wieder freigelegt werden. Außerdem kann er dank der Arme vereinfacht Bodenproben nehmen und Werkzeuge wechseln.
Die Roboterschwärme sind autonom – welche Risiken verbergen sich dahinter?
Zachmann: Wie immer bei Autonomie besteht das Risiko, dass der Schwarm möglicherweise nicht das tut, was man gerne hätte. Daher wird es vermutlich eine Art „failsafe mode“ geben, bei dem die einzelnen Schwarmteilnehmer präzise von der Erde aus gesteuert werden können, so wie man es ja auch heute schon tut. Die Autonomie würde aber den großen Vorteil bieten, dass die Exploration wesentlich effizienter, das heißt schneller, vonstatten gehen kann.
Sind die Roboter lernfähig, also könnten sie sich (während eines konkreten Einsatzes) bei einer Änderung der ursprünglichen Ausgangsbedingungen anpassen?
Zachmann: Ja, genau das ist einer der großen Vorteile der Autonomie. Man muss nicht mehr für jedes kleine Hindernis eine Wegplanung auf der Erde durchführen und hochfunken. Um solch eine Autonomie zu erreichen, sind natürlich auch Methoden der KI notwendig. Das würde den einzelnen Schwarmmitgliedern, aber auch dem Schwarm als Ganzes erlauben, auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren, oder in unbekanntem Terrain zu navigieren. Im Übrigen wurde die Region auf der Basis von Scans der NASA nachgebildet.
Lässt sich denn tatsächlich einschätzen, wie realistisch die Bedingungen der digitalen Welt sind?
Zachmann: Ich kann Ihnen keine Prozentzahl nennen, aber wir versuchen natürlich, alle wichtigen und relevanten Effekte so realistisch wie möglich nachzubilden, das heißt zu simulieren. Das geht vom Staub auf den Linsen der (virtuellen) Kameras bis zum unvorhergesehenen Ausfall einer ganzen (virtuellen) Drohne. Auch Wetter-Effekte werden berücksichtigt, wie zum Beispiel Tag-und-Nacht-Zyklen, oder die bekannten „dust devils“ auf der Marsoberfläche.
Wie geht es in Zukunft mit dem Projekt weiter? Wann werden die Roboter wirklich einmal auf dem Mars eingesetzt?
Zachmann: Im VaMex-Konsortium, gefördert durch die DLR, werden die für VaMEx benötigten Technologien und Roboter kontinuierlich weiterentwickeln. Dazu gehört insbesondere die Autonomie als intelligenter, kollaborativ agierender Drohnenschwarm. Dafür gibt es noch einiges zu tun. Bis 2025 soll der VaMEx-Schwarm in einem realistischen, Mars-ähnlichen Szenario hier auf der Erde erprobt werden. Ein Einsatz des Valles Marineris Explorer Drohnenschwarms auf dem Mars wäre dann in den 2030er Jahren denkbar.