Finn Mecke arbeitet bei thyssenkrupp Marine Systems – einem echten Geheimtipp für MINT-Absolvent:innen! Für seine Abschlussarbeit wandte er sich dem Thema Virtual und Augmented Reality im Schiffsbau zu und lernte dadurch thyssenkrupp Marine Systems persönlich kennen – und blieb nach dem Abschluss gleich dort, um durchzustarten.
Finn, dein Fokus lag im Studium auf Virtual und Augmented Reality (VR/AR) – war dir klar, dass es passende Anwendungen auch in der Marine gibt oder wie wurdest du darauf aufmerksam?
Nein, direkte Anwendungsmöglichkeiten im Schiffbau waren mir kurz vor dem Zeitpunkt meines Starts bei thyssenkrupp Marine Systems nicht bekannt. Dazu fehlte mir das Wissen über die Fertigungsprozesse auf einer Werft. Über die existierende Zusammenarbeit zwischen der Fachhochschule Kiel und thyssenkrupp Marine Systems kam ich allerdings direkt mit den Projektverantwortlichen in Kontakt und die Herausforderungen in der Produktion sowie das Potential von AR wurden schnell deutlich.
Immersive Technologien, insbesondere Augmented Reality, werden das Arbeiten, wie wir es heute kennen, in sämtlichen Branchen verändern. Daher geht es eigentlich nicht darum, ob es bestimmte Anwendungsgebiete gibt – sondern wann Unternehmen sich mit der Technologie auseinandersetzen, um Machbarkeiten und Vorteile wie den wirtschaftlichen Nutzen zu evaluieren. Aber auch als Privatperson wird AR nicht mehr wegzudenken sein – gleichzusetzen mit dem heutigen Smartphone. Spätestens dann, wenn eine AR-Brille nicht größer ist als eine gewöhnliche Lesebrille und sie nur noch so viel wie ein Smartphone kostet.
Im Einsatz: Die HoloLens von Microsoft
Konkreter wurde es für dich im Praktikum: Zu forschen, inwiefern der Einsatz der HoloLens von Microsoft beim U-Boot-Bau hilfreich sein kann. War das ein Sprung ins kalte Wasser?
Ja, grundsätzlich schon. Für mich in dieser Situation als Student ein neue und außergewöhnliche Arbeitsumgebung, in die man sich einarbeiten musste und nicht genau wusste, ob das, was man sich als mögliches Ergebnis für die Thesis überlegt hatte, funktionieren würde. Inhaltlich war es aber ein so spannender Bereich, dass ich sowohl fachlich als auch persönlich viel Freude hatte, daher fühlte es sich deutlich positiver an. Beim Schreiben einer Thesis ist es allgemein ratsam – einfacher gesagt als getan – sich nicht allzu viele Gedanken zu machen, da auch ein negatives Ergebnis ein gutes Ergebnis für die Forschung ist. Für mich waren es hierbei die ersten Berührungspunkte mit U-Booten und es gab keine Weiterbildungen oder Exkursionen, um meine Arbeit besser einbetten zu können. Hierbei ist allerdings die sehr offene und sympathische Art und Weise der beteiligten Mitarbeiter:innen von thyssenkrupp Marine Systems zu erwähnen, mit der sie mich aufgenommen haben. Die Zeit, die sie sich für mich genommen haben, um Fragen zu beantworten und Prozesse zu erklären, hat mir den Einstieg wirklich erleichtert und war sehr angenehm.
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3D-Druck im Maschinenbau
Zu den Neuerungen im Maschinenbau gehört auch der 3D-Druck. Wird hier kontinuierlich an Materialien geforscht, die den Ansprüchen / der nötigen Belastbarkeit eines U-Boots entsprechen?
Zum Thema additive Fertigung hatte ich eine Zeit lang mit dem Kollegen zusammengearbeitet, der unter anderem das thyssenkrupp TechCenter aus Mühlheim auf der Kieler Werft integrierte. Hier wurde und wird in einem Team von Experten genau daran gearbeitet und geforscht, inwiefern 3D-Druck den Schiffbau unterstützen kann. So werden beispielsweise gedruckte Bauteile als Platzhalter für Teile mit Lieferschwierigkeiten verwendet, Ersatzteile zertifiziert und gedruckt sowie an Verbesserungen von Teilen gearbeitet, die vom Gewicht her leichter, von der Größe her kleiner und zeitlich flexibel hergestellt werden können. (Anmerkung: Hier ein Beitrag dazu auf thyssenkrupp.com.)
Ein Ergebnis deiner Thesis war, dass erstmalig 3D-Objekte an der positionell korrekten Stelle im Sichtfeld angezeigt wurden – welche Herausforderung steckte dahinter?
Die funktionalen Anforderungen waren und sind die 3D-CAD-Daten positionsgenau im schiffbaulichen Kontext innerhalb der Toleranzen im Sichtfeld anzuzeigen und dabei den Drift, der von der AR-Brille bei größeren Distanzen entsteht, zu minimieren. Weiterhin muss man mit tausenden Bauteilen über eine ressourcenschonende Programmierweise und ein durchdachtes Handling der Daten umgehen.
Nicht funktionale Herausforderungen spielen auch eine große Rolle: Beispielsweise muss die AR-Anwendung für jede prozessbeteiligte Person auf der Werft benutzbar sein. Da hier eine Benutzeroberfläche nicht ohne weiteres zweidimensional dargestellt werden kann, muss ein dreidimensionales User Interface entwickelt werden.
Zwei weitere Punkte sind die Integration der AR-Brille inklusive Anforderungsaufnahmen, Tests, Schulungen und Support in den einzelnen Betrieben in der Produktion sowie die Integration der entwickelten Software in die Systemlandschaft von thyssenkrupp Marine Systems. Dies erforderte unter anderem eine umfassende Abstimmung mit dem Betriebsrat, der Arbeitssicherheit, dem Geheimschutz, der IT-Sicherheit und dem betriebsärztlichen Dienst.
All diese Herausforderungen sind allgegenwärtig. Während bei meiner Thesis Ansätze von Lösungen in einem Demonstrator erarbeitet wurden, arbeiten wir nun als Team ständig an deren Verbesserung und Umsetzung: So kann am größten Auftrag in der Geschichte von thyssenkrupp Marine Systems – anstatt mit einer 2D-Zeichnung – nun mit 3D-Bauunterlagen und Anzeigegeräten, wie der AR-Brille HoloLens gearbeitet werden.
Sicherte dieser Erfolg deinen Berufseinstieg?
Ja, das kann man tatsächlich so sagen. Nachdem der erste Demonstrator fertiggestellt wurde, konnte ich Mitarbeitende, Führungskräfte und Vorstand mit dem Ergebnis begeistern. Sie alle kennen die Herausforderungen im Schiffbau und konnten nun das Potential der Technologie im Einsatz erkennen. Nach diesem Erfolg wurde eine Stelle kurzfristig geschaffen, die ich als Direkteinsteiger besetzen durfte. Dankbar bin ich aber natürlich auch über die Treiber des Projektes, ohne deren Hilfe es unmöglich gewesen wäre, ohne passende Stelle im Unternehmen Fuß zu fassen. Ohne diese Stelle hätte ich einen Master begonnen, den ich nun berufsbegleitend absolvieren möchte.
Praktische Anwendung der Abschlussarbeit
Wie hat sich das Themengebiet seither weiterentwickelt, ließ es sich auf andere Bereiche übertragen?
Nachdem der erste Betrieb in der Qualitätssicherung im Schiffbau damit begann, Bauteile mittels AR-Brille zu überprüfen, gewann das gesamte Projekt an immer mehr Aufmerksamkeit. Neben unseren Ideen zu weiteren Anwendungsfällen, kamen Mitarbeitende selbstständig auf uns zu und berichteten von ihren Ideen, AR in ihrem Arbeitskontext einzusetzen. Die Anwendungsbereiche wurden hier neben der Qualitätssicherung im Allgemeinen auf das Anzeichnen und die Montage von Bauteilen erweitert. Die Vorteile sind vielseitig: Der Entfall der aufwändig erstellten 2D-Zeichnung, eine frühzeitige Fehlererkennung, eine Erhöhung der Qualität des Produktes und eine erweiterte Unterstützung des Werkers durch weitere hilfreiche Informationen im Sichtfeld. Aufgrund der Menge an Anwendungsfällen und dem Wunsch der werftweiten Nutzung der AR-Brille stieg auch die Notwendigkeit eines schlagfertigen Entwicklungsteams, welches mit der Zeit immer größer wurde und für das ich seit dem letzten Jahr die Teamleitung übernehmen durfte.
Auch im Service ist eine Nutzung von Augmented Reality denkbar. Hier könnte ein Kunde beispielsweise über Anweisungen im Sichtfeld angeleitet werden, etwa einen Filter nach Vorgabe zu wechseln oder eine Maschine zu bedienen. Dies spart Einarbeitungszeit, Schulungskosten und zum Teil 2D-Betriebsanweisungen. Auch bei anderen externen Unternehmen steigt das Bedürfnis nach AR-Lösungen, sodass wir auch in diese Richtung Interessensbekundungen erhalten haben.
Projektleitung: halb fachlich, halb organisatorisch
Arbeitest du jetzt innerhalb der Teamleitung noch viel fachlich oder gehst du in der Personalverantwortung auf?
Es hält sich zumeist in der Waage und genau so bringt es mir am meisten Spaß. Es ist der Mix aus übergreifenden Themen und fachlichen Themen, wie zum Beispiel auch etwas Zeit in die Entwicklung zu investieren. Seit dem Rollenwechsel tendiert das Verhältnis aber schon eher in Richtung übergreifende Themen wie Personalverantwortung oder Projektleitung. Ich bin jedoch der Meinung, dass es wichtig ist, sich weiterhin so intensiv wie möglich mit fachlichen Themen zu beschäftigen und gemeinsam als Team die spannenden Herausforderungen zu meistern. Da wir bereits von Beginn an die Scrum-Methodik zum agilen Projektmanagement in der Softwareentwicklung nutzen, haben wir als Team die Freiheit eigenverantwortlich und selbstbestimmt arbeiten zu können.
Als echtes Nordlicht: Was macht das Leben und Arbeiten in Norddeutschland für dich aus?
Sonnenaufgänge und Segel am Horizont, Nebelhörner der Schiffe in der Kieler Förde, das alltägliche Geräusch der Wellen und der Möwen am Hafen, der klare und frische Ostseewind, ein einfaches „Moin“ als Begrüßung zu jeder Tageszeit. Das Leben direkt am Meer gibt mir persönlich ein Gefühl von Freiheit. Der Arbeitsstandort der Werft liegt direkt am Wasser und es ist theoretisch sogar möglich, mit der Fähre zur Arbeit zu fahren. Zudem finde ich es großartig, bei gutem Wetter innerhalb von 10 Minuten am Strand zu sein. In einer Großstadt zu leben wäre nichts für mich; aber auch auf dem Dorf würde ich mich nicht wohlfühlen. Daher ist die Studentenstadt Kiel eine gute Partie für mich. Ich kann jedem empfehlen sich zur „Kieler Woche“, eines der größten jährlichen Segelsportereignisse der Welt, ein Bild vom norddeutschen Flair zu machen. Anbei ein passender Warnhinweis zu einem Besuch: Das Fischbrötchen stets vor den Möwen geschützt halten.
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