Sandra Gehde, Autorin des Buches „Bewerbung to go – Entspannt und zeitgemäß zum neuen Job”, erzählt uns von ihren Tipps und Tricks für eine erfolgreiche und mühelose Bewerbung. Sie erläutert unter anderem, wie Social Media und KI im Bewerbungsprozess eingesetzt werden.
Frau Gehde, Sie sind selbst schon lange im Personalmanagement tätig, was für Veränderungen im Recruiting konnten Sie in dieser Zeit sehen?
In den letzten 10 Jahren hat sich im Bereich Recruiting einiges getan. Die Digitalisierung hat den Prozess vorangetrieben – von gedruckten Anzeigen mit dem Prinzip „Post und Pray“ hin zu Online-Stellenportalen und aktivem Social-Media-Recruiting.
Auch der Fachkräftemangel ist ein Game-Changer. Talente haben heute bei der Wahl ihrer zukünftigen Arbeitsstelle mehr Freiheiten. Sie können genauer hinschauen, ob der neue Job zu ihrer Lebensplanung und ihren langfristigen Zielen passt. Viele Unternehmen haben sich dieser Dynamik bereits angepasst und locken statt mit dem „berüchtigten“ Obstkorb, mit echten Benefits wie flexiblen Home-Office-Regelungen oder verkürzten Arbeitswochen.
Auch in Bezug auf gefragte Eigenschaften bei neuen Mitarbeiter:innen, hat sich der Fokus erweitert. Denn neben den fachlichen Qualifikationen gewinnen die „Soft-Skills“ weiter an Bedeutung. Teamfähigkeit, Kommunikationsgeschick und Problemlösungskompetenz gehören längst zu den ausschlaggebenden Kriterien. Manchmal sind sie sogar wichtiger als gute Noten und die richtige Berufsausbildung oder das passgenaue Studium.
Insgesamt kann man sagen, dass der Recruiting-Prozess digitaler und agiler geworden ist. Trotzdem steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen und persönlichen Stärken im Mittelpunkt eines zeitgemäßen HR-Managements.
Was genau hat Sie dazu veranlasst, Ihr Buch „Bewerbung to go“ zu schreiben?
Die meisten Jobsuchenden machen die gleichen Fehler. Das fiel mir bei den unzähligen Bewerbungen auf, die über meinen Tisch gewandert sind. Sie versuchen zu sehr, sich zu verstellen, verwenden überkomplizierte Formulierungen und benutzen Worte, die nicht wirklich zu ihnen passen.
Anfangs dachte ich, dass sie den Job nicht wirklich wollen, deswegen wenig Arbeit in die Bewerbung investieren und einfach irgendetwas schreiben. Bis ich die Bewerbung einer jungen Frau bekam, die einen höchstkomplizierten Satz mit mehr als dreißig Wörtern geschrieben hatte. Ich musste das ein paar Mal lesen, um es zu verstehen. Es war offensichtlich, dass sie hart dran gearbeitet hatte, dieses Monsterkonstrukt zu schreiben. In dem Moment wurde mir etwas Entscheidendes klar: Die Leute stecken nicht zu wenig Arbeit in ihre Bewerbung, sondern zu viel!
Aber woher sollten sie wissen, wie es einfacher geht? Die Bewerbungserfahrung der Eltern liegt lange zurück. Schule und Universität haben wenig Zugang zu Bewerbungsprozessen in der Privatwirtschaft. Und in den Unternehmen gibt es verständlicherweise keine Fortbildungen dafür, wie man sich woanders bewirbt.
So nähern sich Jobsuchende dem Thema Bewerbung oft auf eine zu wissenschaftliche Weise. Dabei ist Bewerben so einfach, wie sich einen Kaffee zwischendurch zu gönnen.
Warum ich „Bewerbung to go“ geschrieben habe? Weil es höchste Zeit ist, dass Jobsuchende es sich leichter machen. Niemand sollte sich für eine Bewerbung verbiegen müssen. Einfachheit ist Key!
Denken Sie denn, dass die traditionelle Art, sich zu bewerben ausstirbt?
Ein langes, förmliches Anschreiben, einen Lebenslauf in dem jede Lücke bis zum Umfallen gerechtfertigt wird, das ist jetzt überholt. Viele Unternehmen verlangen inzwischen gar kein Anschreiben mehr und sichern sich damit einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Heute hat eine angenehme und unkomplizierte Candidate Journey großen Einfluss darauf, wer die besten Talente für sich gewinnt.
Wenn also Anschreiben immer weniger wichtig sind, gibt es gleichzeitige aber bestimmt neue Methoden, sich zu bewerben. Wie kann man zum Beispiel Social Media bei der Jobsuche und Bewerbung für sich nutzen?
Social Media hat eine starke Position in der Jobsuche und dem Bewerbungsprozess eingenommen. Plattformen wie LinkedIn und Facebook und sogar Instagram bieten eine gute Möglichkeit, sich direkt zu bewerben, berufliche Netzwerke aufzubauen oder potenzielle Karrierechancen zu entdecken.
Es kann auch hilfreich sein, ein bestimmtes Unternehmensprofil zu abonnieren, wenn einen das Unternehmen oder die Branche speziell interessiert. Auch Teilen und relevantes Kommentieren von Beiträgen dieser Unternehmen, kann nützlich sein. So können interessante Kontakte schon während des Studiums geknüpft werden.
Viele Firmen nutzen ihre Social-Media-Präsenz, um über offene Stellen, Unternehmenskultur und andere News zu informieren. Damit bleiben Jobsuchende auf dem Laufenden und erhalten gleichzeitig Einblicke ins Arbeitsumfeld.
Ein weiteres aktuelles Thema ist ja die KI. Was gibt es für Möglichkeiten, den Bewerbungsvorgang mit ChatGPT zu erleichtern?
ChatGPT und auch andere KI-Sprachmodelle sind auf jeden Fall hilfreich, wenn es darum geht eine Bewerbung zu schreiben. Ich war überrascht, wie gut die Ergebnisse sind. Das ist auch der Grund, warum ich für die Neuauflage von „Bewerbung to go“ eine ChatGPT Anleitung geschrieben habe, mit der man Anschreiben und Lebenslauf in wenigen Sekunden generieren kann.
Allerdings muss man dabei ein paar Dinge beachten. Zum Beispiel sollte man unbedingt am Ende prüfen, ob ChatGPT nicht etwas dazu geschummelt hat, das nicht stimmt. Denn mit der Wahrheit nimmt der Chatbot es nicht immer so genau. Aber nobody is perfect – nicht mal KI!
Stellen sich Ihrer Meinung nach die Unternehmen beim Recruiting auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Gen-Z um oder halten viele noch an den alten Abläufen und Kriterien fest?
Ich würde sagen, wir befinden uns in einer Art Hybridität beim Recruiting. Auf der einen Seite gibt es viele Unternehmen die sich schon perfekt auf Gen-Z eingestellt haben, auf deren Bedürfnisse und auf ihre Art zu arbeiten. Das trifft im Übrigen nicht nur auf junge unkonventionelle Start-ups zu. Auch große Konzerne haben sich zum Teil schon neu ausgerichtet, um sich auf Gen-Z einzustellen.
Auf der anderen Seite gibt es noch traditionelle Unternehmen, die an althergebrachten Strukturen festhalten oder auch nicht mehr in der Lage sind, sich weiter zu entwickeln. Auch im öffentlichen Dienst gibt es häufig noch langwierige Bewerbungsverfahren. Doch ich bin zuversichtlich, dass der Markt das selbst regulieren wird. Solche Unternehmen werden auf Dauer keine jungen Talente mehr für sich gewinnen können.
Haben Sie Tipps für Bewerber:innen, die sich gerade aktiv in der Jobsuche befinden?
Die vielfältigen Möglichkeiten können erst einmal überfordernd wirken, das ist klar. Deswegen würde ich mit einer klaren Zielsetzung beginnen. Was sind meine Wünsche? Wieviel Stunden will oder muss ich arbeiten? Was sind meine langfristigen Karriereziele? Das hilft dabei, gezielt nach einer passenden Position zu suchen und seine Zeit nicht mit Jobangeboten zu verschwenden, die am Ende nicht das sind, was ich mir vorstelle.
Dann ein bisschen Recherche. Auf Online-Bewerbungsportalen kann ich heraussuchen, welche Jobangebote und Unternehmen überhaupt zu meinen Wünschen passen. Auf den Websites und Social Media-Profilen von interessanten Unternehmen kann ich ein bisschen stöbern, um mir einen Eindruck zu verschaffen, wie der Spirit dort ist, welchen Stellenwert sie ihren Mitarbeitenden einräumen und wie dort beispielsweise mit Themen wie Klimaschutz und Gendern umgegangen wird.
Als nächstes würde ich die Stationen in meinem Lebenslauf anpassen. Je nach Anforderung der Stelle sollten die relevanten Qualifikationen betont werden. Falls ein Anschreiben erforderlich ist, würde ich es noch auf die Stelle zuschneiden, zum Beispiel mit ChatGPT oder dem 15-Minuten-Anschreiben aus meinem Buch.
Jetzt ist auch der richtige Zeitpunkt berufliche Netzwerke zu nutzen und die Kontakte dort anzusprechen. Oder ich würde mal eine KI-basierte Plattform wie Znapp.de ausprobieren, die Jobsuchende unkompliziert mit Unternehmen verbindet.
Was würden Sie Studierenden raten, die zunächst mehrere Studiengänge angefangen und abgebrochen haben und besorgt sind, dass dies ihre Chancen auf eine Zusage vermindert?
Das ist meiner Einschätzung nach heutzutage relativ unproblematisch. Häufig gelten solche abgebrochenen Studiengänge sogar als zusätzliche Skills, weil man über den Tellerrand des eigenen Fachgebietes hinausgeschaut hat.
Und in allen anderen Fällen darf man getrost die Karte ziehen: Prüfe, wer sich ewig bindet – denn auch sich auszuprobieren und einmal getroffene Entscheidungen zu korrigieren sind positive Eigenschaften. Und wenn man jetzt die richtige Leidenschaft gefunden hat, ist das doch der perfekte Ausgangspunkt fürs Berufsleben.
Weitere Tipps und Tricks zu deiner Bewerbung findest du in diesem Beitrag auf unserer Website.
Autorin Sandra Gehde ist Senior HR-Consultant bei der Firma HeyScout GmbH. Sie war davor lange Zeit Mitglied im Bundesverband der Personalmanager.