Dass Informatiker:innen fachlich die freie Wahl haben und beinahe beliebig Branchen und Jobs wechseln können, ist keine News. Wenig überraschend ist daher, dass manche Unternehmen ihre IT ausgelagert haben – und damit den Recruitingdruck an ihre nunmehr IT-Dienstleister abgegeben haben, verständlicherweise. Wenn du an deinen zukünftigen Arbeitsalltag denkst, spielen aber gerade die Kolleg:innen eine der wahrscheinlich größten Rollen überhaupt. Vielleicht willst du in einem großen Team arbeiten, vielleicht wärst du lieber Teil einer kleinen, schlagkräftigen Einheit.
Wie groß ist die IT im Handel typischerweise?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten und kommt ganz einfach auf das jeweilige Unternehmen an: Bei OTTO würdest du aktuell mit rund 1.000 anderen Informatiker:innen im Handel arbeiten.
Bei Dr. Oetker findest du derzeit zirka 190 ITler:innen, die dezentral und international in verschiedenen Landesgesellschaften tätig sind.
Bei bonprix gibt es ebenso mehrere IT-Bereiche: Einmal E-Commerce mit etwa 110 Personen, plus 50 Externe, verantwortlich für die digitale Produktentwicklung. Klar, denn für Handelsunternehmen ist der auf das Sortiment fokussierte, einkaufsnahe IT-Bereich mit einem klaren Schwerpunkt auf Entwicklung extrem wichtig. Dazu kommen ein SAP-Verbund mit etwa 100 Mitarbeitenden und der „klassische“ IT-Bereich, der für die Infrastruktur, Arbeitsplatzsysteme, IT Compliance verantwortlich ist.
Unite beschäftigt 130 Personen in der IT-Abteilung. Dazu zählen neben den Entwickler:innen auch Chapter Leads, Scrum Master und Product Owner.
Edeka hat seine IT in einer eigenen Gesellschaft zusammengefasst: EDEKA DIGITAL – oder kurz EDDI – verantwortet die IT des Verbunds mit rund 600 Mitarbeiter:innen an den Standorten Hamburg, Mannheim, Cluj und Berlin. Zu den Aufgabengebieten gehören die Schaffung effizienter Prozesse für den Einzel- und Großhandel sowie für die EDEKA-Zentrale und ihre Tochtergesellschaften.
Wird die IT im Handel oft ausgelagert?
Dazu kommt die oben angesprochene Auslagerung, die nicht überall existiert – EDDI gehört beispielsweise immer noch direkt zu Edeka und Dr. Oetker arbeitet mit der Oetker Daten- und Informationsverarbeitung KG, die zur Oetker-Gruppe gehört, zusammen. „Wir setzen sehr stark auf internes Wissen und eigene Experten. Das macht uns gewissermaßen auch etwas unabhängig vom Markt“, erklärt Alicia Schwarzer, Business Partnerin bei Dr. Oetker dieses Bestreben. Ähnlich ist es bei bonprix: „In unserer aktuellen Organisation haben wir uns in Teilbereichen wie SAP verlängert, hauptsächlich holen wir uns Spezialwissen extern dazu. In Summe ist das aber nicht mehr als etwa 5 Prozent des Gesamtvolumens.“ Karsten Uhlig ergänzt, dass es fachlich vor allem Cloud/Plattform Hosting und Teile der Software-Entwicklung ausgelagert seien. Bei Unite sind es rund 10 Prozent, die ausgelagert sind. Der Großteil wird intern abgedeckt und die eigene IT-Abteilung stetig gestärkt.
Weiterbildungen: Diskrepanz zwischen Lehre und Praxis?
Gerade die IT entwickelt sich rasant weiter – vielleicht sogar zu schnell, als dass die Hochschullehre schnell genug reagieren und die Lehre anpassen kann. Entsprechend wollten wir wissen, ob es bestimmte Bereiche gibt, in denen die Unternehmen nachschulen. Die gute Nachricht ist, dass die Diskrepanz wohl nicht allzu groß ist. Im Wesentlichen geht es um Unternehmensspezifische Systeme, zu denen anfänglich meist Schulungen angeboten werden.
„Wir merken immer wieder, dass die Komplexität unserer Systemlandschaft beim Berufseinstieg eine Herausforderung darstellt. Wir würden es daher begrüßen, wenn die Hochschulen darauf achten würden, dass die Studierenden schon im Studium vermehrt mit komplexen Systemen in Kontakt kommen und eigenständig crossfunktional und nach einem agilen Framework an Produkten arbeiten könnten“, führt Nils Birke aus, HR-Marketing Manager bei OTTO. „Haben Absolvent:innen bereits mit Vorgehensweisen wie Test-Driven-Development und Continuous-Everything gearbeitet, ist das vorteilhaft.“ Auch intern wird darauf geachtet, dass es keinen fachlichen Stillstand gibt: Das Thema Cloud habe die letzte Zeit beherrscht und um das Know-how dafür bereitzustellen, gab es verschiedenste Schulungs- und Austauschformate.
Bei Dr. Oetker gibt es gerade zu Beginn für neue Mitarbeiter:innen einen sogenannten „Methoden-Werkzeugkoffer“ bestehend aus Einsteigertrainings mit Workshops und Seminaren. Dabei geht es unter anderem um Selbst- und Fremdwahrnehmung, Reflexion und Persönlichkeitsentwicklung sowie Zeitmanagement, Präsentationstechniken und Gesprächsführung.
Weiterbildungen bei Unite betreffen vor allem Event Driven Systems, DevOps und Tests.
Bei bonprix wird ebenfalls für spezifische Anwendungen und Systeme, also sehr produktbezogen nachgeschult. Im SAP-Umfeld gibt es sogar ein einjähriges Traineeprogramm, um sich auf die volle breite der SAP-Welt einlassen zu können. Kenntnisse zu Java, Spring(Boot) und Webservices werden vorausgesetzt, beispielsweise Docker und Cloud-spezifisches lernt man im Rahmen von Schulungen und bei der Arbeit.
SAP ist auch bei EDDI an der Tagesordnung. „Unsere IT-Trainees können sich beispielsweise selbstständig an einer Schulung zu SAP F&R anmelden“, berichtet Christina Brütt aus der Edeka Zentrale. „Sei es ein extern angebotenes Seminar oder ein Fachzeitschriften-Abo – es kann frei gewählt und ohne Autorisierung gebucht werden.“