Perowskit-Solarzellen könnten herkömmliche Silizium-basierte Solarzellen bald um eine nachhaltigere und flexiblere Alternative erweitern. Ein internationales Forschungsteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), hat kürzlich organische Moleküle identifiziert, die den Wirkungsgrad dieser Solarzellen deutlich verbessern können.
Dank der Kombination von Künstlicher Intelligenz (KI) mit vollautomatisierten Syntheseverfahren erzielten die Forschenden innerhalb weniger Wochen beeindruckende Fortschritte. Diese Methode könnte auch in anderen Bereichen der Materialforschung, wie der Entwicklung neuer Batteriematerialien, Anwendung finden. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht (DOI: 10.1126/science.ads0901).
Molekülsuche im Schnellverfahren: Wie KI den Prozess revolutioniert
Üblicherweise würde die Suche nach den optimalen Molekülen, die als sogenannte Lochleiter in Perowskit-Solarzellen fungieren, immense Zeit und Ressourcen verschlingen. Es müssten Millionen von Molekülen synthetisiert und getestet werden. Doch ein Forschungsteam um Tenure-Track-Professor Pascal Friederich vom KIT und Professor Christoph Brabec vom Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN) verfolgte einen effizienteren Ansatz.
„Mit nur 150 gezielten Experimenten gelang es uns, Ergebnisse zu erzielen, die normalerweise Hunderttausende von Tests erfordern würden“, erklärt Brabec. Der entwickelte Workflow ermögliche eine schnelle und kostengünstige Entdeckung leistungsstarker Materialien, die in verschiedenen Bereichen genutzt werden könnten. So konnte das Team den Wirkungsgrad einer Referenz-Perowskit-Solarzelle um etwa zwei Prozent auf 26,2 Prozent steigern. „Das zeigt, dass es bei der Entwicklung neuer Materialien darauf ankommt, eine durchdachte Strategie zu verfolgen, um Zeit und Ressourcen zu sparen“, betont Friederich.
Datenbank und KI-Training: Vom virtuellen Molekül zur effizienten Solarzelle
Am HI ERN bildete eine umfangreiche Datenbank mit den Strukturformeln von rund einer Million virtueller Moleküle den Ausgangspunkt der Untersuchungen. Aus dieser Menge wurden zunächst 13.000 Moleküle nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Mit quantenmechanischen Berechnungen analysierten Forschende am KIT die Energieniveaus, Geometrien und Polaritäten dieser Moleküle.
Für das KI-Training wurde dann eine Auswahl von 101 Molekülen getroffen, die besonders unterschiedliche Eigenschaften aufwiesen. Mithilfe eines Robotersystems am HI ERN konnten diese Moleküle automatisiert synthetisiert und zu identischen Solarzellen verarbeitet werden. Christoph Brabec hebt hervor: „Der Erfolg unserer Strategie beruhte darauf, dass wir dank der vollautomatischen Syntheseplattform vergleichbare Proben erzeugen konnten, um zuverlässige Wirkungsgradmessungen durchzuführen.“
KI schlägt neue Moleküle vor – mit überraschendem Erfolg
Die gemessenen Wirkungsgrade der ersten Moleküle dienten als Grundlage für ein KI-Modell, das anschließend weitere Molekülvorschläge lieferte. Dabei orientierte sich das Modell an zwei Kriterien: Es suchte nach Molekülen mit hohem prognostiziertem Wirkungsgrad und schlug auch solche vor, bei denen Unsicherheiten in der Vorhersage bestanden. „Wenn das KI-Modell in seinen Prognosen unsicher ist, kann es lohnend sein, solche Moleküle herzustellen und genauer zu untersuchen“, erklärt Friederich. „Diese Moleküle könnten bei der Effizienz positiv überraschen.“
Tatsächlich führte die Synthese der von der KI vorgeschlagenen Moleküle zu einer überdurchschnittlichen Effizienz bei den getesteten Solarzellen. Einige dieser Moleküle schnitten sogar besser ab als modernste Vergleichsmaterialien. „Es mag sein, dass wir nicht das allerbeste Molekül unter einer Million Möglichkeiten gefunden haben, aber wir sind definitiv nahe am Optimum“, resümiert Friederich, der am KIT eine Professur für Künstliche Intelligenz in der Materialforschung (Institut für Nanotechnologie) innehat.
Chemisches Fachwissen trifft auf KI – eine vielversprechende Symbiose
Interessanterweise konnte das Forschungsteam die Entscheidungen der KI teilweise nachvollziehen. Die KI bewertete etwa die Bedeutung bestimmter chemischer Gruppen wie Amine, die in der klassischen Chemie bislang weniger beachtet wurden. Sowohl Brabec als auch Friederich sind überzeugt, dass ihre Methode weitreichendes Potenzial hat. „Unsere Strategie lässt sich auch auf andere Bereiche der Materialforschung übertragen oder zur Optimierung kompletter Bauteile nutzen“, betont Brabec.
Die Studienergebnisse sind das Ergebnis einer internationalen Kooperation mit Forschenden der Universität Erlangen-Nürnberg, dem Ulsan National Institute of Science and Technology in Südkorea, der Xiamen University in China und der University of Electronic Science and Technology in Chengdu, China. Die Details der Forschung wurden in der renommierten Zeitschrift Science veröffentlicht.
Hintergrund zum KIT: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) zählt zu den führenden deutschen Forschungsuniversitäten und gehört zur Helmholtz-Gemeinschaft. Mit über 10.000 Mitarbeitenden und rund 22.800 Studierenden verbindet das KIT akademische Bildung, Forschung und Innovation. Im Fokus stehen Themen wie Energie, Mobilität und Information. Dabei verfolgt das KIT das Ziel, Wissen zu schaffen und zur Lösung globaler Herausforderungen beizutragen.
Der Beitrag basiert auf einer Pressemeldung des KIT (Quelle).
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