Die Agrarbranche setzt in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr auf Digitalisierung. Auch der Getreidehandel lässt sich mittlerweile online steuern. Junge Unternehmen wie cropspot widmen sich der Aufgabe, eben diese Transformation der Agrarbranche voranzutreiben. cropspot ist ein junges Unternehmen, das Handel, Landwirtschaft und IT in sich vereint. Unser Interview mit einem der Gründer, Maximilian von Weichs, zeigt dir, wie cropspot sich durch digitalen Agrarhandel den Anforderungen des Marktes stellt.
Herr von Weichs, in Ihren eigenen Worten: Was genau ist cropspot?
cropspot ist eine digitale Getreidehandelsplattform, auf der Vertreter aller teilnehmenden Gruppen der landwirtschaftlichen Handels-Wertschöpfungskette Kunden sind. Das bedeutet, dass sowohl Händler als auch industrielle Verarbeiter wie Getreidemühlen, Mischfutterwerke und Stärkewerke bei uns ein- oder verkaufen. Uns geht es darum, Angebot und Nachfrage zusammenzubringen, sowie von neutraler Basis aus eine gewisse Preistransparenz sicherzustellen: für den Erzeuger – den Landwirt – und für den Handel.
Und wie genau gewähren Sie diese Transparenz?
Durch die digitale Übersicht über den Getreidemarkt, also fast allein durch Angebot und Nachfrage entsteht schon eine gewisse Preistransparenz. Auf der Plattform erkennt der Landwirt, was in seiner Region angeboten und nachgefragt wird. Menge, Preis und Termin sind auf einen Blick erkennbar. Intelligente Technik übersetzt die Preise mit Hilfe von Algorithmen: Ein Händler, der zum Zeitpunkt seines Kaufinteresses noch gar nicht weiß, wo sein vermeintlicher Verkäufer herkommt, kann nicht ohne Weiteres jedem Nutzer einen individuellen Preis geben. Das übernimmt aber unsere Plattform. Sie nimmt beispielsweise einen Preis in Hamburg und berechnet die Straßenentfernung. Unter Berücksichtigung des Kilometersatzes der Spediteure werden dann die Frachtkosten ermittelt und der genau „ab-Hof-Preis“ angezeigt. Außerdem wird dem Landwirt durch die Verknüpfung von cropspot mit der Warenterminbörse MATIF in Paris sekundengenau gesagt, wie viel seine eingestellten Produktewert sind.
Eine sichere Plattform mit Praxisnähe
Wie garantieren Sie den Kund:innen Sicherheit beim Einkauf und Qualität der Ware, wenn das Ganze quasi aus der Distanz und online abläuft?
Transparenz erzeugen wir selbstverständlich auch bei der Qualität der eingestellten Waren. Völlig losgelöst davon, dass wir eine digitale Plattform sind, werden alle handelbaren Produkte auf Basis von Standardwerten gehandelt. Also wenn ein Landwirt bei uns z.B. 100 Tonnen Weizen einstellt, stehen in der Anzeige die Parameter, wie Weizen in Deutschland standardmäßig gehandelt werden. Wenn das Produkt nach Analytik jedoch vom Standard abweicht, kann dies ebenso auf cropspot individualisiert werden. Es ist zusätzlich üblich, dass Ware beim Eingang beim Händler nochmals überprüft wird. Auf diese Weise kann der Käufer sicherstellen, dass er nur Ware aufnimmt, die er auch kaufen wollte.
cropspot hat wie viele andere Unternehmen als Start-up angefangen. Was unterscheidet Sie von anderen jungen Firmen Ihrer Branche?
Mein Mitgründer, Tobias Fallmeier, und ich stammen aus der Land- und Forstwirtschaft, außerdem haben wir viele Jahre gemeinsam im nationalen und internationalen Handel im Hamburger Hafen gearbeitet. Daher haben wir also nicht nur ein fundiertes Netzwerk, sondern auch echte Insights und Marktkenntnis über den Bereich, den wir digitalisieren. Wir haben schnell gemerkt, dass in so einem konservativen Umfeld die entsprechenden Grundlagen und Kenntnisse sehr hilfreich sind und gewisse Hürden verschwinden lassen. Die Gefahr ist nämlich auch, dass man sehr leicht an der Zielgruppe vorbei entwickeln kann. Nicht zu vergessen: Unser Insider-Wissen ist fast schon ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Mitstreitern, die ebenfalls schnell erkannt haben, dass in einer analogen Branche digital einiges zu bewegen ist. Einer unserer Leitsprüche ist: „Wir sind aus der Branche, für die Branche“.
Lohnt sich cropspot für kleinere Landwirtschaften, oder zählen hauptsächlich Großbetriebe zu Ihren Kund:innen?
Wir zählen auch kleinere Landwirtschaften zu unserer Kundschaft. Ein deutscher Durchschnittsbetrieb hat ungefähr 55 Hektar, das ist schon sehr klein. Grundsätzlich kann man bei uns schon bei einer LKW-Ladung in den Handel einsteigen, also ab circa 25 Tonnen – das ist auch für die kleinsten Landwirte machbar.
Probleme und Perspektiven der Digitalisierung der Agrarbranche
Wie weit sehen Sie die Digitalisierung in der Landwirtschaft etabliert?
Die Digitalisierung ist in der Landwirtschaft schon weiter vorangeschritten, als so mancher vermuten mag, aber das bezieht sich hauptsächlich auf andere Bereiche als den digitalen Agrarhandel. Beispielsweise sind Automatisierungsprozesse durch Robotik, Farm-Management-Softwares, teilflächenspezifische Bewirtschaftung, automatisierte Futtersteuerung in Tierbetrieben oder Flächen-Monitoring durch Satelliten bereits etabliert. Sogar in niedrigere Betriebsgrößen ist die Digitalisierung bereits vorgedrungen, also nicht nur in 500- oder 1000-Hektar-Betrieben.
Das Interesse an digitalen Handelsplattformen im Landwirtschaftsbereich hat in den letzten beiden Jahren sehr deutlich zugenommen. Ich sehe dennoch eine ganze Menge Luft nach oben, denn die Mentalität derer, für die diese Digitalisierung entwickelt wird, schreitet sehr viel langsamer voran als die technischen Neuerungen der Systeme. Genau das ist der Punkt, welcher uns besonders beschäftigt: Wir entwickeln ein Produkt, das darauf ausgelegt ist, dass Landwirt:innen sich mit dem Thema der Digitalisierung auch beim Getreidekauf auseinandersetzen und neuen bzw. zusätzlichen Kanälen eine Chance einräumen. Es ist daher ganz wichtig, dass diese digitale Transformation, in der wir gerade mitten drin stecken, auf einer persönlichen Ebene abläuft. Die Landwirte wollen in dieser Veränderung nicht allein gelassen werden. Die Digitalisierung ist schließlich kein Gegner, sondern eine Unterstützung.
Wie erreichen Sie neue Kund:innen, die bisher noch nicht digital einkaufen, sondern ihre Ware noch im analogen Kontakt beziehen?
Erfolgreich abgeschlossene und abgerechnete Geschäfte sind die beste Weise, wie potenzielle Kund:innen erkennen, was sie an cropspot haben. Es muss klar sein, dass Geld zu verdienen ist und das Ganze sicher abläuft. Dadurch ist der größte Teil der Vorbehalte ausgehebelt und die Interessenten überzeugt.
Neue Interessenten gewinnt auch die Zeit für uns: Der Generationenwechsel ist in vollem Gange und die neuen Landwirt:innen müssen branchenübergreifend arbeiten und viele Aspekte des Landwirtseins zugleich erfüllen. Mobilität ist für sie wichtiger denn je. Sie sind beispielsweise auf landwirtschaftlichen Veranstaltungen unterwegs oder bedienen selbst die Technik auf dem Feld. Das bedeutet aber, dass Entscheidungen und so auch Ein- oder Verkäufe von unterwegs möglich sein müssen. Genau hier setzen wir an, indem wir dieses neue Bedürfnis erfüllen. Ein weiterer Vorteil von cropspot, der uns für Kund:innen attraktiv macht, liegt im sich konsolidierenden Markt begründet: Große und private Händler, sowie Genossenschaften verdichten sich, die vertikale Integration nimmt immer mehr zu. Das heißt, die Vielfalt der verfügbaren Preise schwindet und eine echte Vergleichbarkeit wird immer schwieriger. Wenn man sich einen Überblick über den Markt verschaffen will, reicht es eben nicht, sich nur auf eine Quelle für die Entscheidungsfindung zu stützen.
Wie schätzen Sie die ökologischen Auswirkungen Ihrer Handelskette ein?
Nachhaltigkeit und die damit verbundene soziale Verantwortlichkeit sind Themen, mit denen cropspot sich immer wieder konfrontiert sieht. Dazu gehört auch das ESG: die Evaluierung von Umwelt und Sozialem in Unternehmen. Durch unseren Regionalgedanken haben wir sicherlich einen positiven ökologischen Impact. Wenn eine Mühle in Hamburg bei einem Landwirt aus dem Hamburger Umland kauft, dann sind das kürzere Lieferwege, regional erzeugtes Mehl und eine geringere CO₂-Last.
Wir haben aber nicht nur durch unsere kurzen Frachtenwege einen positiven Impact, sondern ebenso dadurch, dass wir den Handel mit Ackerbohnen, Erbsen und andere heimische Pflanzen unterstützen und Absatzwege sichtbar machen. Es gibt beispielsweise die staatlich geförderte Leguminosen Strategie, damit eben nicht nur Soja aus Amerika gekauft wird und somit die ökologische Vielfalt auf unseren Feldern weiter gesteigert wird. Käufer und Verkäufer effizient für diese Nischenprodukte zusammenzubringen, ist eine positive ökologische Leistung von cropspot.
Pläne für die Zukunft
Was kommt als Nächstes: der Sprung ins Ausland oder bauen Sie zuerst das Netzwerk innerhalb Deutschlands aus?
Grundsätzlich haben wir mit elf möglichen Ländern das Ausland schon angebunden, wenngleich man so fair sein muss, dass wir dort bisher nur die Möglichkeit zur Registrierung freigeschaltet haben.
Wir entwickeln uns im Moment intern weiter – es wird eine App geben! Aktuell ist noch alles Web-App basiert. Aber auch das Produktportfolio wollen wir noch stärker erweitern. Neben dem produktseitigen Fokus auf die Landwirtschaft wollen wir auch die Großhandelsbeziehungen weiter digitalisieren. Hier sind größere Volumina und standardisierte Geschäftsabschlüsse ein echter Hebel für ein mengenbasiertes Geschäftsmodell. Spannende Aussichten also!