„Lernfähigkeit – Superkompetenz des 21. Jahrhunderts“
Yasmin Weiß ist Professorin für BWL an der Technischen Hochschule Nürnberg und forscht zu Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt, Future of Work und Future Skills. Was rät sie, wenn im eigenen Studiengang KI noch überhaupt kein Thema ist?
Was bedeutet die KI für die Arbeitswelt von morgen?
Künstliche Intelligenz revolutioniert die Art und Weise, wie wir Menschen mit Maschinen kommunizieren und zusammenarbeiten werden. Wir starten jetzt in eine Ära, in der wir eine „dynamische Mensch-Maschine-Partnerschaft“ eingehen werden. Mal führt stärkenbasiert der Mensch, mal die Maschine.
Inwiefern sehen Sie in der heutigen Arbeitswelt schon starke Veränderungen durch die Einführung von KI?
Analytische KI kommt seit vielen Jahren bereits zum Einsatz; neu hinzugekommen ist die generative künstliche Intelligenz. Während wir Ende 2022 damit begonnen haben, explorativ und spielerisch die Einsatzmöglichkeiten der generativen künstlichen Intelligenz (GenAI) zu testen, wird das Jahr 2024 davon geprägt sein, dass GenAI in bestimmten Tätigkeitsbereichen nun richtig zum Einsatz kommt, beispielsweise in der automatisierten Entwicklung von Content in der Kommunikation, in der Software- und Produktentwicklung oder bei der Entwicklung von hyperindividualisierten Marketingkampagnen sowie im Vertrieb.
Zunächst ging man davon aus, dass der Fortschritt dafür sorgen würde, vor allem Blue-Collar-Jobs wegzurationalisieren. Nun zeigt uns KI, dass Wissensarbeiter von der Technologie betroffen sind. Was bedeutet das für akademische Berufsbilder?
Das, was jetzt gerade passiert, ist mit früheren Arbeitsmarktrevolutionen nicht vergleichbar. Früher haben wir physische Tätigkeiten automatisiert. Durch die Möglichkeiten der generativen künstlichen Intelligenz (GenAI) automatisieren wir auch weite Teile der Wissens- und der kreativen Arbeit. Berufliche Werdegänge – auch die von Akademiker:innen – werden immer mehr von Brüchen, Pausen und Disruption gekennzeichnet sein. Das bedeutet, dass wir bereit sein müssen, in regelmäßigen Abständen den beruflichen Spurwechsel und die berufliche Neuerfindung zu wagen und nicht an der Rolle zu hängen, für die wir ursprünglich einmal ausgebildet worden sind. Lern- und Anpassungsfähigkeit sowie Neugierde und Offenheit sind ganz wichtige Voraussetzungen, um in der Arbeitswelt der Zukunft seine persönliche Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten.
Haben Sie das Gefühl, dass die Lehre an den Hochschulen bereits antizipiert hat, was der Einsatz von KI für die Veränderung von Berufsbildern bedeutet?
Hier stehen wir noch am Anfang der erforderlichen Anpassung der Hochschullehre. Ich persönlich bin davon überzeugt: Wir müssen so ausbilden, wie wir arbeiten werden, das heißt eben auch im Team mit künstlicher Intelligenz. Ich fordere daher meine Studierenden auf, beim Erstellen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten verantwortungsvoll mit künstlicher Intelligenz zusammen zu arbeiten, jedoch unter Einhaltung der Regeln des wissenschaftlichen Arbeitens und der Kennzeichnungspflicht, welche Ergebnisse von einer KI generiert worden sind und welche Prompts und Datenquellen verwendet worden sind. Die Chancen des Einsatzes der künstlichen Intelligenz in der Lehre gehen aber noch weiter, insbesondere auch in Hinblick individualisierter Lernpfade.
Wenn die KI zu Beginn des Studiums noch überhaupt kein Thema war: Wie sollte ich versuchen, mich technologisch weiterzubilden, sodass ich dauerhaft „vor dem Wind segle“?
Studierende brauchen sowohl technologische Anwendungskompetenz als auch menschliche Differenzierungskompetenz. Was heißt das? Ich muss zum einen wissen, wie ich sicher, verantwortungsvoll und effektiv mit KI-Lösungen zusammenarbeite. Ich muss aber auch jene Fähigkeiten stärken, die mich als Mensch von einer immer leistungsfähiger werdenden Technologie unterscheidet. Hier sind insbesondere soziale Kompetenzen sowie ethisch-moralisches Denken und Handeln gemeint. Dem eigenverantwortlichen Erlernen dieser Kompetenzen kommt eine große Bedeutung zu. Hier gibt es viele kostenfreie Weiterbildungsangebote, beispielsweise von großen Technologiefirmen wie Microsoft und Google oder von Universitäten wie dem OpenHPI (Hasso-Plattner-Institut), die Kurse auf verschiedenen Leveln (Einsteiger, Fortgeschrittene, Experten) anbieten.
Welche konkreten Fähigkeiten und Kompetenzen werden in Zukunft generell wertvoll sein, um sich erfolgreich in einer digital transformierten Arbeitswelt zu positionieren?
Wenn es eine „Superkompetenz“ im 21. Jahrhundert gibt, dann ist dies Lernfähigkeit. Die Fähigkeit, das Lernen systematisch zu erlernen, muss viel stärker als bislang im Bildungssystem gefördert werden. Auch die Fähigkeit, komplexe Probleme im Team mit anderen Menschen und künstlicher Intelligenz zu lösen, wird immer wichtiger. Hinzu kommen zeitstabile Metakompetenzen wie Resilienz, holistisch-interdisziplinäres Denken oder die Fähigkeit, Veränderungen erfolgreich umzusetzen.
An welchem Forschungsthema arbeiten Sie gerade?
Ich forsche dazu, wie wir aus humaner und künstlicher Intelligenz eine „augmented intelligence“ schaffen können, mit der wir Tätigkeiten schlagkräftiger erledigen und komplexe Probleme besser lösen können.
Optimistische Stimmen sagen, die KI wird zu einem starken Produktionszuwachs führen. Was sagt die Forschung dazu?
Es geht nicht nur um Produktivitätsgewinne. Es geht vor allem auch darum, eine lebenswertere Arbeitswelt der Zukunft zu schaffen, in der wir Tätigkeiten, die „dumb, dull or dangerous“ sind, mehr und mehr an Maschinen delegieren können.
Wenn Sie heute überlegen würden, was Sie studieren sollten, wie würden Sie vorgehen, um einen möglichen Disruptionsgrad auf infrage kommende Berufsfelder zu identifizieren?
Die Frage ist so wichtig, weil sich der Arbeitsmarkt so grundlegend verändert. Neue Jobs werden geschaffen, viele Tätigkeiten werden zukünftig automatisiert werden, sodass auch Berufsbilder wegfallen werden. Ich habe das social Start-up Yoloa gegründet, um junge Menschen bei der Wahl des richtigen Ausbildungswegs und des Karrierewegs bestmöglich zu unterstützen, indem man die Möglichkeit erhält, sich selbst besser und schließlich auch den Arbeitsmarkt der Zukunft mit seinen großen Chancen und Herausforderungen besser kennenzulernen. Jeder junge Mensch kann unter www.yoloa.de den kostenfreien Kurs hierzu machen. Unsere Vision mit dem Start-up ist, dass wir junge Menschen dafür begeistern, wonach auch eine Nachfrage am Arbeitsmarkt der Zukunft besteht.
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