Die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. Getrieben werden diese Entwicklungen sowohl von politisch-gesellschaftlichen wie auch wirtschaftlich-technologischen Faktoren. Am Ende dieses Prozesses steht eine Industrie, die noch globaler, ökologischer und digitaler sein wird.
Trends der Automobilindustrie 2015
Trend 1: Verlagerung der regionalen Wachstumsschwerpunkte
Trotz der aktuellen Schwäche wird China in Zukunft ein wichtiger Träger des weltweiten Wachstums bleiben. Angesichts der niedrigen Motorisierungsdichte des Landes besteht hier ein großes Wachstumspotenzial. Auch andere Emerging Markets wie Indien, die ASEAN-Staaten und Lateinamerika verfügen über große Wachstumschancen. Im Gegensatz dazu müssen die Automobilhersteller in den reifen Märkten Westeuropas und Nordamerikas überwiegend vom Ersatzbedarf leben. Im Jahr 2025 werden zwei Drittel aller produzierten Autos voraussichtlich in Asien verkauft werden.
Trend 2: Steigende Kundenansprüche in allen Bereichen
Die Kundenansprüche hinsichtlich Sicherheit, Komfort, Fahrleistungen, Kraftstoffverbrauch und Schadstoffemissionen werden weiter deutlich ansteigen. Hinzu kommen höhere Anforderungen an die Ausstattung der Fahrzeuge mit Systemen der Informations- und Kommunikationstechnik – im Auto will der Kunde „always connected“ sein. Angesichts der teilweise gegenläufigen Wünsche an das Auto – mehr Komfort bedeutet mehr Gewicht und das hat einen höheren Kraftstoffverbrauch zur Folge – müssen neue Technologien eingesetzt werden, die diese Zielkonflikte aufheben oder abmildern.
Trend 3: Vernetzung & Assistenzsysteme
Das Automobil der Zukunft wird in vielfältiger Weise mit weiteren Systemen vernetzt sein: anderen Fahrzeugen, Infra-struktur sowie dem/der Fahrer:in selbst. Es wird sowohl zum Datenempfänger als auch -produzenten. Die Vernetzung ist Voraussetzung für den zunehmenden Einsatz von Fahrerassistenzsystemen. Davon verfügen Automobile bereits heute zahlreich, wie zum Beispiel Side Assists zur Spurhaltung oder Parkassistenten, die ein automatisches Einparken ermöglichen. Am Ende dieser Entwicklung wird das autonome Fahren stehen. Dies erfordert nicht nur fehlerfreie technische Systeme, sondern eine rechtliche Anpassung der Vorschriften zum Betrieb von Fahrzeugen.
Trend 4: Downsizing und Elektrifizierung
Die Reduktion des Kraftstoffverbrauchs und damit auch die Absenkung der klimaschädlichen CO2-Emissionen ist eine große Herausforderung für die Automobilindustrie. Zunächst gilt es, technische Potenziale bei den heute üblichen Verbrennungsmotoren auszuschöpfen. Neben der Benzindirekteinspritzung betrifft dies vor allem das Downsizing der Motoren. Konkret: Hubräume und Zylinderanzahl müssen reduziert werden. Allerdings werden diese Maßnahmen nicht ausreichen, um die sehr anspruchsvollen CO2-Grenzwerte unter anderem in Europa zu erfüllen. Daher spielt die Elektrifizierung eine größere Rolle. Neben Vollhybriden werden sogenannte Plug-in-Hybride wichtiger. Hier arbeitet im Fahrzeug neben einem kleinvolumigen Verbrennungs- auch ein Elektromotor. Er ermöglicht einen begrenzten rein elektrischen Antrieb und arbeitet als Generator, der die Batterie für den Vortrieb lädt – ein Modell, das vor allem für Ballungszentren relevant wird. Die Brennstoffzelle ist eine weitere technologische Option zur Reduktion der CO2-Emissionen.
Trend 5: Leichtbau
Durch die wachsende Ausstattung der Fahrzeuge mit Komfort- und Sicherheitskomponenten besteht die Gefahr, dass das Gewicht ansteigt. Damit würden Fortschritte in der Antriebstechnik im Hinblick auf einen sinkenden Verbrauch konterkariert. Entsprechend gewinnt der Leichtbau an Bedeutung. Dafür müssen die im Fahrzeug eingesetzten Materialien weiterentwickelt werden, insbesondere leichtere, hochfeste Stahlqualitäten. Darüber hinaus werden neuen Materialien, wie etwa Carbon beim Karrosseriebau zunehmend verwendet.
Auch widersprüchliche Kundenwünsche müssen erfüllt werden
Trend 6: Ausdehnung der Modellprogramme
Kundenwünsche werden individueller. Die Hersteller müssen daher mehr Baureihen mit entsprechenden Derivaten anbieten. Damit kann sichergestellt werden, dass jeder Käufer das für seinen Verwendungszweck optimale Fahrzeug bekommt.
Trend 7: Modulkonzepte
Die Ausdehnung der Modellpaletten und die zunehmende Differenzierung der Fahrzeugkonzepte führt zu einer wachsenden Komplexität und zu sinkenden Losgrößen in der Produktion. Beides hat tendenziell steigende Kosten zur Folge. Um dem entgegenzuwirken, werden in Zukunft Modulkonzepte weiter an Bedeutung gewinnen. Dabei werden funktions- oder bautechnische Einheiten zusammengefasst und vereinheitlicht. Auf diese Weise können sie in verschiedenen Fahrzeugmodellen eingesetzt werden, was sowohl die Kosten wie auch die Entwicklungszeiten reduziert.
Trend 8: Zunehmende Bedeutung des Designs
Das Designerfährt eine weiter steigende Bedeutung zur optischen Differenzierung der Fahrzeuge. Dies erfordert die Verwendung von markenspezifischen Stilelementen, die eine hohe Wiedererkennbarkeit sicherstellen.
Trend 9: Innovative Mobilitätskonzepte
Gerade in Ballungszentren ist der Besitz eines eigenen Autos mit relativ hohen Kosten verbunden. Die Konkurrenz zu den öffentlichen Verkehrsmitteln ist groß. Car Sharing ist also ein gutes Konzept für diejenigen, die nur gelegentlich ein Auto nutzen wollen. Längerfristig sind auch weitergehende Sharing-Modelle denkbar – etwa, wenn die Fahrzeug autonom fahren. Dann wird es möglich sein, es mittels Smartphone anzufordern. Nach der Nutzung kann das Fahrzeug dann von einer anderen Person angefordert werden. Ein derart frei floatendes System bietet den Teilnehmern den optimalen Nutzungskomfort.
Trend 10: Internetbasierte Vertriebssysteme
Neben der Technologie und dem Produkt wird sich auch die Vermarktung verändern. Immer mehr Käufer:innen informieren sich online zu ihren Wünschen. Allein die Probefahrt ist für viele noch ein Grund, zum einem traditionellen Automobilhändler zu gehen. Vor diesem Hintergrund könnten in Zukunft Test Drive Center eine zunehmende Bedeutung erlangen. Außerdem werden Autohäuser verstärkt digitale Medien und Devices einsetzen, um Kunden die Produktpalette optimal zu präsentieren.
Insgesamt werden von der Automobilindustrie auch in Zukunft wichtige technologische Impulse in viele Branchen ausgehen. Umgekehrt kann sie aber auch neue Technologien, vor allem aus den Bereichen Informations- und Kommunikationstechnik sowie Elektro- und Werkstofftechnik zur Weiterentwicklung der Fahrzeuge nutzen. Der Technologietransfer von der einen in die andere Richtung wird auch für die Zulieferindustrie große Möglichkeiten bieten, ihren Anteil an der gesamten Wertschöpfung des Automobils in Zukunft deutlich zu erhöhen.
Stand: Herbst 2015
Weitere Informationen unter www.ifa-info.de.
Edit 2019: Professor Will Diez befindet sich seit April 2018 im Ruhestand.