Interdisziplinär ist nicht nur das Gebot der Stunde, sondern ein Erfolgsgarant für die technologischen Neuentwicklungen der Mobilitätsbranche. Längst geht es nicht mehr darum, einen rund laufenden Motor zu konstruieren und ein wenig das Gewicht des Fahrzeugs zu reduzieren – die Ansprüche und Stakeholder vermehren sich. Das reicht von der Energie- bis zur Baubranche und erfordert intensive Kommunikation.
Die Mobilität von Morgen hat sehr viel mit Energie zu tun: Mit deren sauberer Gewinnung, mit der flächendeckenden Bereitstellung und nicht zuletzt ihr Preis. Jeder dieser drei Faktoren nimmt massiv Einfluss auf die Erfolgschancen der E-Mobilität – ob dies nun Pkws, Busse, Lkws oder andere Gefährte betrifft. Dazu kommen weitere Aspekte, wie Schwermetalle in den Batterien oder auch das nach wie vor eher lückenhaft anlaufende Second Life der zahlreicher werdenden, ausrangierten Akkus.
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Besondere Relevanz kommt also der Energieversorgung zu. Vor etwa 20 Jahren wurde das Gesetz zu den Erneuerbaren Energien verabschiedet. Eines der Ziele war es, innerhalb der Republik mehr klimaverträgliche Energie zu gewinnen und unabhängiger von Energieimporten fossiler Quellen zu werden. In Zeiten steigenden Nationalismus und (teils auch wirtschaftlich) geschlossener Grenzen gewinnt diese Unabhängigkeit weiter an Bedeutung. Wenn Länder wie Russland als Sanktion für eine Art „nicht konformes politisches Verhalten“ mal eben die Versorgungsleitungen zudrehen, macht ein Mobilitätssystem, das auf Energie basiert, potenziell wenig Spaß. Dem entgegen steht die Nachricht, dass durch Starkwind immer wieder so viel Strom produziert wird, dass die Netze maximal überbelastet sind und im Endeffekt Stromverbraucher dafür bezahlt werden, dass sie Strom in dieser Zeit verbrauchen. Durch die Einspeisung von Kleinerzeugern sowie der Abhängigkeit von Wetterbedingungen werden Stromnetze immer volatiler, Schwankungen sind an der Tagesordnung und stellen Netzbetreiber vor besondere Herausforderungen. Diese betreffen genauso die E-Mobilität, denn nicht nur sorgt eine Akzeptanz der neuen Antriebe für erhöhten Stormbedarf, sondern für eine ebenso dezentrale Nutzung wie die Einspeisung es geworden ist.
Ein Auto ist ein intelligent verknüpftes System aus 80 elektronischen Steuergeräten
Ein weiteres Beispiel dafür, dass man sich beim Thema „E-Mobilität“ in einem wahrhaftigen Spannungsfeld verschiedener technologischer Stakeholder befindet und es massiv interdisziplinären Austausch zwischen den Experten braucht. Ein absolutes Praxisbeispiel hierfür ist das Open Source-Projekt PANORAMA der Fachhochschule Dortmund. Ein Auto sei immer weniger ein mechanisches Konstrukt als vielmehr ein intelligent zusammenspielendes System aus bis zu 80 elektronischen Steuergeräten. Tendenz steigend, wenn Fahrzeuge nicht nur autonom unterwegs sein sollen, sondern auch in immer stärkerem Ausmaß miteinander verknüpft sein werden. PANORAMA fokussiert sich auf dieses reibungslose Zusammenspiel, bei dem im Übrigen auch das richtige Laden an der Ladesäule betroffen ist. „Maschinenbauer arbeiten mit CAD, sie orientieren sich unter anderem an den räumlichen Gegebenheiten, die Elektrotechniker denken in Schaltplänen, Softwareentwickler in Quellcodes, dazu gibt es unterschiedliche Programmiersprachen“, führt Projektleiter Lukas Krawczyk von der FH Dortmund aus.
Das Fraunhofer Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) hat ein Analysetool namens OmniE entwickelt. Das kommt vor allem bei Unternehmen des ÖPNV zum Einsatz und soll bei der Umstellung der Fahrzeugflotte auf alternative Antriebe erleichtern. Die Innovation von OmniE gegenüber bereits existierenden Ansätzen sei dabei die Komplexität der Analyse. Nach Einschätzung von Dr. Matthias Puchta, Gruppenleiter Energiespeicher am IEE, binden vorhandene Tools wichtige Faktoren wie beispielsweise Batteriealterung und Netzanalyse nicht adäquat ein. OmniE analysiert verschiedene Substitutions-Szenarien und stellt diese nachvollziehbar dar. ÖPNV-Betreiber erhielten aussagekräftige Daten zu Kostenstrukturen, CO2-Einsparungen und individuellen Ladekonzepten inklusive Informationen zur möglichen Konfiguration, Standort und Energieversorgung der Ladeinfrastruktur.
Damit sollte eines ganz deutlich herauskommen: Stakeholder der Mobilität – und damit Arbeitgeber – sind nicht mehr nur die „üblichen Verdächtigen“, sondern viele beteiligte Disziplinen, von Energieversorgern zwecks Ladeinfrastruktur bis hin zu Naturwissenschaftlern, die neue Batteriekonzepte entwickeln oder zu Biologen, die sich um das mögliche organische Material kümmern. Von der IT ganz zu schweigen, die allein in Sachen Vernetzung und Cyber-Security maximal involviert wird.