Das Pharmaziestudium ist anspruchsvoll und vielseitig – genauso wie die Arbeit des Bundesverbands der Pharmaziestudierenden in Deutschland e.V. (BPhD). Als Interessenvertretung von rund 12.000 Pharmaziestudierenden in Deutschland setzt sich der BPhD aktiv für bessere Studienbedingungen, die Weiterentwicklung der Approbationsordnung und interdisziplinären Austausch ein. Im Interview gibt der BPhD Einblicke in die Herausforderungen des Studiengangs, die Bedeutung der Apotheke-vor-Ort und die Zukunftsperspektiven des Berufs.
Könnten Sie zunächst erklären, für welche Studierenden der BPhD genau eintritt und wie allgemein das Pharmaziestudium strukturiert ist?
Der BPhD vertritt alle rund 12.000 Pharmaziestudierenden in Deutschland. Unser Ziel ist es, den Studiengang Pharmazie stetig zu verbessern und die Interessen der Studierenden zu stärken – sowohl fachlich als auch sozial. Um das zu erreichen, treffen sich die Vertreter:innen der 22 Pharmaziestandorte zweimal im Jahr, um über Anträge und Positionen abzustimmen.
Das Studium selbst ist in drei Abschnitte gegliedert. Im Grundstudium stehen die naturwissenschaftlichen Grundlagen im Fokus, im Hauptstudium wird das Wissen mit Schwerpunkt auf Arzneimittel vertieft. Beide Abschnitte dauern jeweils zwei Jahre. Das Praktische Jahr gibt dann Einblicke in den Berufsalltag: sechs Monate sind verpflichtend in einer öffentlichen Apotheke, die anderen sechs können flexibel in anderen pharmazeutischen Bereichen absolviert werden. Am Ende steht das dritte Staatsexamen, mit dem man die Approbation als Apotheker:in beantragen kann.
Sie sprechen sich für mehr Interprofessionalität aus. Was schwebt Ihnen dabei vor, und mit welchen Studiengängen wünschen Sie sich engeren Austausch?
Eine stärkere Vernetzung zwischen Studiengängen ist entscheidend, damit Gesundheitsberufe später reibungslos zusammenarbeiten können. Ein guter Start wären lockere Formate wie Vorträge oder gemeinsame Veranstaltungen, um Studierende verschiedener Fachrichtungen ins Gespräch zu bringen. Langfristig sollten interprofessionelle Fallbesprechungen, Summer Schools oder Seminare auf die Herausforderungen in der späteren Praxis vorbereiten. Dabei ist ein hoher Praxisbezug wichtig – die Inhalte sollten nicht nur nebeneinander, sondern miteinander erarbeitet werden.
Besonders sinnvoll ist die Zusammenarbeit mit Medizinstudierenden, da Apotheker:innen und Ärzt:innen später eng kooperieren. Der BPhD steht hierfür im engen Austausch mit der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd). Auch die Vernetzung mit anderen medizinischen oder therapeutischen Berufen ist wertvoll, um schon im Studium voneinander zu lernen.
Warum ist Ihnen dies so wichtig?
Das Gesundheitssystem ist überaus komplex und die Tätigkeitsfelder der darin agierenden Professionen sind häufig eng miteinander verknüpft. Wissen über die Fähigkeiten und Arbeitsweisen anderer Berufe im Gesundheitswesen sowie ein Selbstverständnis als Teil eines größeren Ganzen ist essenziell, um möglichst effiziente und patient:innenfreundliche Abläufe zu gewährleisten oder komplexe Probleme innovativ zu lösen. Je früher gelernt wird, über die Grenzen des eigenen Fachs hinauszudenken, desto intuitiver erfolgt die gewünschte interprofessionelle Zusammenarbeit im späteren Beruf.
Können Sie die positiven und negativen Aspekte des Pharmaziestudiums zusammenfassen und Vorschläge für notwendige Änderungen machen?
Das Studium vermittelt eine breite naturwissenschaftliche Basis und hat einen hohen Praxisanteil, was die theoretischen Inhalte gut ergänzt. Gleichzeitig sind Studierende durch das volle Curriculum stark gefordert – das Pharmaziestudium gehört zu den zeitaufwändigsten überhaupt. Außerdem mangelt es an wissenschaftlichem Arbeiten, obwohl der Umgang mit Literatur und die Kommunikation wissenschaftlicher Ergebnisse wichtige Kompetenzen sind. Auch interprofessionelle Lehrangebote sind bisher selten.
Um das Studium zukunftsfähiger zu machen, fordert der BPhD mehr Klinische Pharmazie und Pharmakologie sowie eine modernisierte Approbationsordnung, die stärker auf die aktuellen Anforderungen an Apotheker:innen eingeht.
Warum brechen Studierende das Pharmaziestudium ab, und was motiviert andere, sich dafür zu entscheiden?
Zu den genauen Abbruchzahlen liegen uns keine Daten vor, aber der psychische Druck im Studium spielt sicher eine Rolle. Jeder Abbruch ist individuell, ähnlich wie die Gründe, warum sich Studierende für Pharmazie entscheiden. Viele sind von der breiten naturwissenschaftlichen Ausbildung und den praxisorientierten Lehrveranstaltungen begeistert. Besonders ab dem Hauptstudium, wenn die Inhalte patient:innennäher werden, spüren viele wieder neuen Antrieb. Nach Abschluss des Studiums eröffnen sich zahlreiche Karrierewege – von der öffentlichen Apotheke über die Forschung bis hin zur Industrie.
„Wissen über die Fähigkeiten und Arbeitsweisen anderer Berufe im Gesundheitswesen ist essenziell, um möglichst effiziente und patient:innenfreundliche Abläufe zu gewährleisten oder komplexe Probleme innovativ zu lösen.“
Wie läuft die Famulatur ab, welchen Nutzen sehen Sie darin und welche Kritikpunkte haben Sie?
Die Famulatur stellt für Studierende häufig einen ersten Einblick in den Berufsalltag als Apotheker:in dar. Die Famulatur ist innerhalb der ersten zwei Jahre ganztägig durchzuführen und dauert insgesamt acht Wochen, von denen vier in der öffentlichen Apotheke abzuleisten sind. Die Studierenden können hier verschiedene Berufsfelder erkunden, sehen wie der Alltag abläuft und können auch Praktisches erlernen. Die Apothekenpraxis kommt den Studierenden sonst erst im Praktischen Jahr wieder nahe. Für das Kennenlernen anderer pharmazeutischer Einrichtungen bietet die Famulatur den Studierenden auch die Chance dies zu tun.
Der BPhD unterstützt die Durchführung der Famulatur, um wichtige Einblicke in die Offizin und andere pharmazeutische Einrichtungen zu ermöglichen. Das Erreichen des Ausbildungsziels ist jedoch bei strukturierter Durchführung der Famulatur bereits frühzeitig zu erwarten. Daher sieht der BPhD eine Kürzung von zwei Monaten auf einen Monat als angemessen an. Weiterhin soll die Hälfte der Zeit in einer öffentlichen Apotheke abgeleistet werden. Der BPhD fordert außerdem, dass die Famulatur unter entsprechender Anpassung der Länge in Teilzeit absolviert werden kann. Studierenden mit besonderen Lebensumständen wie Studierenden mit Kind wird dadurch die Durchführung der Famulatur erleichtert.
Bereitet das Studium zu wenig auf die praktische Arbeit in der Apotheke vor?
Das Studium legt eine solide theoretische Basis, aber es ist spürbar, dass die Approbationsordnung seit über 20 Jahren nicht überarbeitet wurde. Viele Inhalte passen nicht mehr zur heutigen Berufspraxis. Gerade patient:innennahe Themen wie pharmazeutische Dienstleistungen kommen zu kurz. Hier fordert der BPhD einen stärkeren Fokus auf Klinische Pharmazie und praxisrelevante Inhalte.
Das PJ schafft da auch keine Abhilfe?
Im besten Fall schon. Das Praktische Jahr kann ein großer Gewinn sein, wenn die Ausbildungsstätte gute Betreuung und abwechslungsreiche Aufgaben bietet. Leider gibt es keine einheitlichen Qualitätsstandards, sodass die Erfahrungen stark variieren. Um die Qualität zu fördern, zeichnet der BPhD jedes Jahr besonders empfehlenswerte Ausbildungsapotheken aus. Diese Liste hilft Studierenden bei der Wahl der Ausbildungsstätte und motiviert Apotheken, eine hochwertige Ausbildung anzubieten.
Inwiefern setzt sich der BPhD dafür ein, dass das PJ für möglichst alle Abhilfe schafft?
Der BPhD zeichnet jährlich die sogenannten Empfehlenswerten Ausbildungsapotheken (EAAs) aus. PhiPs können dafür anonym ihre Ausbildungsapotheken ausführlich bewerten. Die besten Apotheken werden im Rahmen einer Pressemitteilung bekanntgegeben und erhalten durch den BPhD unter anderem Werbematerial und werden auf der Website aufgelistet. Diese Liste dient zum einen Studierenden als Orientierung zur Auswahl ihrer Ausbildungsapotheken fürs Praktische Jahr und soll andererseits auch Apothekenbetreiber:innen motivieren, sich um eine gute Ausbildung ihrer PhiPs zu bemühen, um diese Auszeichnung zu erhalten.
„Die Vielfalt der Berufsfelder und die Bedeutung des Berufs machen Pharmazie zu einer attraktiven und zukunftssicheren Wahl.“
Was für Vorteile sehen Sie in der Apotheke-vor-Ort im Gegensatz zu Online-Apotheken?
Natürlich nutzt ein Teil der Bevölkerung Online-Apotheken, um ihre Medikamente zu erhalten. Die Apotheke-vor-Ort kann aber eine zeitnahe Versorgung mit Arzneimitteln gewährleisten, dies wird insbesondere im Rahmen von Nacht- und Notdiensten deutlich. Außerdem wird sie auch in Zukunft ein wichtiger Bestandteil der lokalen personalisierten Arzneimittelversorgung sein, da sie niederschwellig sowohl hochwertige pharmazeutische Beratung als auch pharmazeutische Dienstleistungen, wie z.B. Blutdruckmessungen und Medikationsanalysen, bietet und auch COVID-19- und Grippeimpfungen hier angeboten werden können. Hierfür muss die Apotheke sich zeitgerecht weiterentwickeln, aktuell bietet nur ein zu kleiner Teil der öffentlichen Apotheken pharmazeutische Dienstleistungen an, obwohl sich hier eine große Chance zeigt, die Kompetenzen des Apotheker:innenberufs zu nutzen und die gesundheitliche Versorgung der Patient:innen dadurch zu verbessern.
Insgesamt betrachtet, sehen Sie Pharmazie als einen zukunftssicheren Studiengang an, den Sie weiterempfehlen würden?
Definitiv. Ob in der öffentlichen Apotheke, im Krankenhaus oder in der Forschung – Apotheker:innen sind gefragte Expert:innen für Arzneimittel und leisten einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsversorgung. In der Krankenhausapotheke sind Apotheker:innen die Expert:innen für Medikationspläne, die zusammen mit den Ärzt:innen die Patient:innensicherheit sicherstellen. Und in der Forschung, Entwicklung und Industrie sind Apotheker:innen aufgrund ihrer breiten naturwissenschaftlichen Ausbildung und dem unangefochtenen Wissen über Arzneimittel gefragte Mitarbeiter:innen. Die Vielfalt der Berufsfelder und die Bedeutung des Berufs machen Pharmazie zu einer attraktiven und zukunftssicheren Wahl.
Der Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland (BPhD) wurde 1948 gegründet, um die Ausbildung und Vernetzung von Pharmaziestudierenden zu fördern. Alle 22 deutschen Pharmaziestandorte mit etwa 12.000 Studierenden sind im Verband vertreten. Der BPhD setzt sich politisch für die Novellierung der Approbationsordnung ein, organisiert Weiterbildungsangebote wie das „PharmaWeekend“ und ermöglicht internationalen Austausch durch Mitgliedschaften bei EPSA und IPSF. Zwei jährliche Mitgliederversammlungen dienen der Abstimmung von Positionen und der Wahl des Vorstands. Der Verband vereint politische Arbeit, Fortbildung und Austausch für Studierende.