An der Existenz und Verbreitung von Plastik wird sich in unserem Leben so schnell nichts ändern. Wohl aber könnte es das beim Recycling: Statt weiterhin massenhaft Downcycling betreiben zu müssen, könnte die Industrie auf chemisches Recycling setzen. Jun.-Prof. Alex Plajer von der Universität Bayreuth erklärt uns die Ausgangslage, Herausforderungen und die mögliche Lösung.
Warum ist Plastik eigentlich so ein allgegenwärtiges Material in unserer Gesellschaft?
Die Entwicklung von Plastik war in der Vergangenheit stark von Leistung und Kosten geprägt. Die Materialien wurden so entwickelt, dass sie möglichst robuste Eigenschaften zu einem möglichst günstigen Preis bieten. Nachhaltigkeit spielte dabei keine echte Rolle. Das lag aber auch daran, dass die Gesellschaft eben solche Materialien nachgefragt hat. Der Grundstoff für Plastik ist Erdöl – mit das günstigste Ausgangsmaterial, das wir haben. Die allermeisten bio-basierte Alternativen oder andere Rohstoffe können mit Erdöl bisher einfach nicht konkurrieren. Dazu kommt, dass Plastik viele gefragte Eigenschaften hat: Es ist beständig, mechanisch robust und gleichzeitig sehr gut zu verarbeiten. Ob durch Spritzgießen oder Elektrospinnen – es gibt viele verschiedene Verfahren, um Plastik zu formen und noch viel mehr Möglichkeiten, es nützlich einzusetzen.
Warum fällt es uns so schwer, nachhaltigere Alternativen einzuführen?
Schlicht, weil es teurer ist. Die Gesellschaft möchte nachhaltiger leben, aber wenn es um den Preis geht, scheitern viele Bestrebungen an der persönlichen Bequemlichkeit oder der Machbarkeit. Man darf nicht vergessen, dass es hier um die breite Bevölkerung geht: Nachhaltigkeit muss man sich erst mal leisten können. Besonders in Schwellenländern sind Technologien, die nachhaltig, aber auch billig sind, entscheidend. Es gibt keine Chance, dass sich teure Alternativen dort durchsetzen.
Wie steht die andere Seite – die Industrie – zu diesem Aspekt?
Ich hatte mal ein Gespräch mit einer Managerin eines Chemiekonzerns. Sie sagte, die EU-Auflagen zur Nachhaltigkeit seien zwar gut gemeint, aber nicht wettbewerbsfähig. Unternehmen verlagerten als Reaktion auf diese Auflagen die Produktion nach China, wo sie günstiger arbeiten können.
Einen weiteren Beitrag mit Jun.-Prof. Plajer zum Thema „nachhaltige Kunststoffe“ findest du hier.
Inwiefern trägt auch Recycling nicht nur einer besseren Situation bei?
Im Sammeln von Plastikmüll sind wir in Deutschland tatsächlich sehr gut. Plastik landet hier kaum auf der Straße oder im Wald. Das ist in anderen Ländern oft anders. Das eigentliche Problem entsteht durch die Prozesse nach dem Sammeln: Rund zwei Drittel des eingesammelten Plastiks wird verbrannt. Das ist besser als nichts, weil dadurch Energie und Wärme erzeugt wird, aber wirklich nachhaltig ist es nicht. Die Alternative – Wiederverwertung durch mechanisches Recycling – funktioniert in der Praxis auch nicht gut, denn Plastik kann selten in gleicher Qualität wiederverwertet werden. Viele denken bei Recycling an diese geschlossenen Stoffkreisläufe, in denen zum Beispiel aus einer Plastikflasche wieder eine Plastikflasche wird. In der Realität passiert das aber kaum – weniger als ein Prozent des Plastiks wird so recycelt. Es gibt dabei zwei Hauptprobleme. Erstens: Plastik ist nicht gleich Plastik. Es gibt unzählige verschiedene Arten – PET, PE, PP, PS, PVC – und die sind nicht miteinander kompatibel. Wenn ich alles zusammenschmelze, bekomme ich keinen stabilen Werkstoff.
Und das zweite Problem?
Die Additive. In Plastik sind immer zusätzliche Stoffe beigemischt – Farben, Weichmacher, UV-Schutz und vieles mehr. Wenn ich all diese Stoffe zusammenschmelze, bekomme ich ein Material mit unvorhersehbaren und zumeist schlechten Eigenschaften.
Also muss Plastik eigentlich sortenrein recycelt werden.
Genau und der Aufwand ist enorm. Denken Sie nur an eine Plastikflasche mit einem anderen Deckelmaterial als das der Flasche selbst. Das müsste alles erst einmal voneinander getrennt werden – und das macht natürlich niemand von Hand.
Das klingt nach vielen Herausforderungen. Gibt es denn überhaupt eine Lösung?
Eine vielversprechende Lösung ist das sogenannte chemische Recycling. Dabei betrachten wir Plastikabfall als Rohstoff, ähnlich wie Erdöl. Es gibt zwei Ansätze: Der erste Ansatz wird bereits kommerziell erprobt – zum Beispiel von der BASF. Dabei wird Plastikabfall stark erhitzt und zu einer braunen Pampe umgewandelt, die ähnlich wie Erdöl verarbeitet werden kann. Quasi ein Schritt zurück zum Ausgangsmaterial. Allerdings muss der gesamte Verarbeitungsprozess von vorne beginnen, was wieder sehr aufwendig ist.
Und der zweite Ansatz?
Plastik besteht aus langen Ketten von Monomeren und diese könnte man chemisch recyceln. Bei diesem Ansatz wird das Plastik gezielt in die ursprünglichen Monomere zerlegt. So können sie dann wieder neu zu hochwertigem Plastik verarbeitet werden. Besonders bei sogenannten Duroplasten, die beim mechanischen Recycling gar nicht verarbeitet werden können, könnte dieser Ansatz große Vorteile bieten. Beispielsweise könnten auch die Arten von Plastik recycelt werden, die bisher im Ofen landen. Im Gegenteil zum oberen Ansatz werden hier spezifische chemische Reaktionen dafür genutzt, die Polymerkette kontrolliert und präzise zu zerschneiden.
Gibt es schon marktreife Lösungen?
Noch lohnt sich das Ganze nur bedingt, da der Prozess recht energieaufwändig ist. Aber die Forschung arbeitet daran. Es gibt also noch viel zu tun!
Jun.-Prof.Alex Plajer begann seine wissenschaftliche Laufbahn mit einem Studium der Chemie an der Universität Heidelberg, das er als Jahrgangsbester abschloss. Anschließend setzte er seine Ausbildung an der Universität Cambridge fort, wo er im Rahmen eines Cambridge Trust Vice-Chancellor Stipendiums im Bereich der anorganischen Synthesechemie promovierte. Nach einem Aufenthalt in Oxford baute er an der Freien Universität Berlin eine eigene Arbeitsgruppe auf, die durch ein Liebig-Stipendium des Fonds der Chemischen Industrie gefördert wurde. Seit 2024 ist er Juniorprofessor für Polymerchemie an der Universität Bayreuth.
Polymerstandort Bayreuth: Traditionell ein Fachgebiet der Chemie, wurde bereits in den 70er Jahren am Standort der Universität Bayreuth ein Forschungsbereich für Kunststoff- und Kolloidforschung aufgebaut. Mit dem Erfolgszug der Polymere in unserem Alltag, von Bratpfannen bis Zahnseide, stieg auch der Umfang der Forschung, sodass dort ein bundesweit bekannter Schwerpunkt entstand. Mehr Infos zum Polymerstandort Bayreuth findest du hier.