In diesem Jahr stand für die Akaflieg München ein ganz besonderes Ereignis an: Die älteste studentische Forschungsgruppe Münchens feierte ihr 100-jähriges Bestehen! Seit über einem Jahrhundert finden sich hier Studierende aller Fachrichtungen zusammen, die eine gemeinsame Leidenschaft teilen: das Fliegen. Autor Mathias Bacher berichtet von Historie und Zukunft der Akaflieg.
„Echte Flugzeuge?“ – Diese erstaunte Frage hören Mitglieder der Akaflieg (Akademische Fliegergruppe) oft als Reaktion, wenn sie von der Arbeit in ihrem Verein erzählen. Von studentischen Gruppen ist man eher gewöhnt, dass sie technisch ausgeklügelte „Spielzeuge“ bauen: kleine Rennautos, spezialisierte Drohnen oder Raketen und Tunnel im Miniaturformat. Wie ist es möglich, unter rein studentischer Leitung, bemannte und voll zugelassene Flugzeuge zu bauen, die dann auch über Jahrzehnte in der Luft sind?
Die Anfänge der Akaflieg
„Das erste Projekt der Gruppe war tatsächlich keine Eigenentwicklung der Akaflieg allein. Nach der Gründung des Vereins stieg man 1924 in das Projekt „Vogel Roch“, ein Wasser-Segelflugzeug der Bootswerft Fick und Menzel, ein. Das erste von der Akaflieg allein entwickelte Flugzeug war die Mü 2 mit dem Spitznamen „Münchner Kindl“, mit der man am berühmten Rhön-Segelflugwettbewerb auf der Wasserkuppe teilnahm.
Heutzutage kann man es sich kaum vorstellen, so ein aufwendiges Projekt von Grund auf zu starten. Zwischen der Konzeptionierung und der (fast) abgeschlossenen Zulassung des aktuellen Segelflugzeugs der Akaflieg liegen mittlerweile schon über zwei Jahrzehnte. Aerodynamische Auslegung, Bau des Windkanalmodells, Formenbau, Bruchzellenbau und Belastungstests, Bau der Flugzelle, Cockpitausbau, Endmontage, Erstflug und Flugerprobung; jeder dieser Schritte dauert bei einem komplett neuen Flugzeugprototyp Monate bis Jahre.
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Vor einhundert Jahren sah das noch deutlich anders aus, wie ein Blick in die Projekt-Historie der Akaflieg zeigt. In den 1920er- und 1930er-Jahren wurde nahezu jedes Jahr ein neues Flugzeug fertigstellt. Die Flieger waren damals noch aus einem Holz- und später Metallgerüst aufgebaut, welches anschließend mit einem Gewebe bespannt wurde. Gab es Bedarf an einem neuen Schulungs-Doppelsitzer, konnte das Flugzeug dank dieser Bauweise schon zwei Jahre später fertiggestellt sein.
Die Mühe mit den „Mü“s lohnt sich
Seitdem hat sich viel verändert: Die Erwartungen an die Flugzeuge sind größer geworden, moderne Komposit-Materialien benötigen große und teure Formen, die Verarbeitung erfordert viel Erfahrung und der Aufwand für die Zulassung ist enorm gestiegen. Die Mühe lohnt sich aber: In den letzten Jahrzehnten haben wir die Mü 28, das schnellste Segelflugzeug der Welt, und die Mü 31, ein Hochleistungs-Einsitzer mit neuartiger Flügelanordnung, gebaut. Mit unserem Motorflugzeug Mü 30 – „Schlacro“ – wurde außerdem die Deutsche Meisterschaft im Kunstflug gewonnen und in den letzten Jahren medienwirksam ein großes Herz und eine Brezn in den Himmel über dem Münchner Oktoberfest gemalt.
Die Mü 32 stellt derzeit noch eine besondere Herausforderung für uns bereit: Da der Flügelbruchversuch der Mü 32 in diesem Jahr leider nicht die Ergebnisse geliefert hat, die wir uns erhofft hatten, sind wir gerade damit beschäftigt, einen zweiten Flügel zu bauen. Die Arbeit daran wird uns noch einige Monate beschäftigen, bis der zweite Bruchversuch stattfinden kann und hoffentlich die gewünschten Ergebnisse liefert.
Bei vielen unserer Projekte unterstützen uns Unternehmen mit ihrer Erfahrung und Ausrüstung. Bei unserem letzten Bruchversuch, bei dem wir die Festigkeit unseres aktuellen Flügels geprüft haben, wurden wir etwa von Kistler mit Messtechnik ausgestattet und beraten. Auch durften wir sowohl für die Mü 28 und die Mü 31, als auch für die aktuelle Mü 32 Teile der Cockpit-Konstruktion eines handelsüblichen Segelflugzeugs übernehmen.
Spezialwissen und Soft Skills dank Akaflieg
Um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden, muss laufend Neues gewagt und gleichzeitig die über Jahrzehnte gesammelte Erfahrung an die neuen Mitglieder weitergegeben werden. Das ist bei den schnellen Generationswechseln in einer studentischen Gruppe keine leichte Aufgabe. Zwar entwickeln alle Mitglieder der Akaflieg mit der Zeit ein Spezialgebiet, aber jede:r muss auch zu einem gewissen Grad Generalist sein. In der verhältnismäßig kurzen Studienzeit erhalten die „Akaflieger“ Kenntnisse in der Werkstatt sowie im Konstruktionsbüro und nebenbei werden sie fliegerisch ausgebildet. Sie müssen lernen, anstehende Probleme eigenständig zu lösen oder gar als Projektleiter die Koordination komplizierter Aufgaben zu übernehmen.
Das Motto der Akaflieg München ist über die Jahrzehnte gleichgeblieben: Konstruieren, bauen, fliegen. Gerade Letzteres wird durch die enge Zusammenarbeit mit den nicht mehr aktiven Mitgliedern ermöglicht. Nach dem Abschluss des Studiums und der Flugausbildung lassen sich viele Mitglieder zu Fluglehrern ausbilden und unterstützen damit ehrenamtlich die neuen Akaflieger. Durch den Flugbetrieb und die jährlichen Feste haben wir sehr engen Kontakt zu unserem großen Netzwerk an Mitgliedern. Unsere „Alten Damen und Herren“ leisten unserer Gruppe wichtige Unterstützung, ohne die wir sicher nicht alle der vielen Aufgaben und Herausforderungen meistern könnten.
Feste gibt es auch: Akaflieg München gibt es schon seit hundert Jahren!
Apropos Feste: Auch anlässlich unseres 100-jährigen Jubiläums haben wir uns alle getroffen, tatsächlich sogar zwei Mal! Die erste Feier fand im wunderschönen Uhrenturm der TU München statt, von dem aus wir den Sonnenuntergang über München betrachtet haben, während der Schlacro eine 100 in den Himmel malte. Da die Anzahl an Personen dort eingeschränkt war, feierten wir einen Monat später noch mit allen Mitgliedern und Freunden der Akaflieg München ein großes Fest am Flugplatz. Neben leckerem Essen gab es eine Flugvorführung mit allen noch fliegenden Prototypen der Akaflieg – inklusive Kunstflug.
Auch sonst wird im Verein alles selbst gemacht, von der Flugzeugwartung über den Betrieb der Winde bis hin zum Bau der Halle am Flugplatz in Königsdorf. Dadurch ist es möglich, sehr günstig an eine Segelflug-Lizenz zu kommen und auch die vereinseigenen Flugzeuge – als Gegenleistung für die geleisteten Arbeitsstunden – kostenlos zu nutzen.“
So kommst auch du zu Akaflieg München an der TU München
„Wie der Name ‚Akademische Fliegergruppe‘ schon andeutet, sind wir eine rein studentische Gruppe. Als Flugzeugbauer haben wir eine Leidenschaft für Technik und die Ingenieursstudiengänge sind bei uns daher logischerweise stark vertreten. Aber auch aus allen anderen Fachrichtungen bist du bei uns herzlich willkommen! Wir bringen dir in der Werkstatt alles Wichtige bei und auch außerhalb der Werkstatt warten viele interessante Aufgaben auf dich. Generell ist der Einstieg bei uns sehr locker und man verpflichtet sich am Anfang zu nichts. Wir laden alle Interessierten ein, einfach mal bei uns in der Werkstatt oder in einer unserer Gruppenversammlungen vorbeizukommen und sich alles anzuschauen. Wie man dafür vorgeht und wo wir zu finden sind, ist auf unserer Webseite ausführlich beschrieben. Eine weitere gute Möglichkeit, uns und unsere Arbeit schon einmal besser kennenzulernen, ist unsere Instagram-Seite.“
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