Wann erobert die E-Mobilität den deutschen Markt? Längst geschehen, sagt Thomas Raffeiner, Gründer und CEO von The Mobility House. Der Experte berichtet vom aktuellen Stand der Branche, wie wir Autos effizienter nutzen können – und auf welche Technologien wir in den nächsten Jahren noch gespannt sein dürfen.
Herr Raffeiner, Sie sagen, die E-Mobilität ist in Deutschland angekommen. Wie gut ist die Lade-Infrastruktur für E-Autos in Deutschland aufgestellt?
Der Netzwerkausbau in Deutschland ist schon viel weiter, als die meisten glauben. Die Sorge vor einem unzureichenden Netzwerk stammt hauptsächlich von denen, die noch nicht elektrisch fahren. Wer ein E-Auto fährt, hat heute keine Probleme mehr, eine Ladestation zu finden. Außerdem entsteht jetzt auch noch das Schnellladenetzwerk, mit dem die Infrastruktur noch besser werden wird. An dem Netzwerkausbau wird die E-Mobilität in Deutschland nicht scheitern.
Bei The Mobility House arbeiten Sie an der Vehicle-to-Grid-Technologie. Was ist das und wie ist der Stand?
Dabei geht es darum, die Batteriekapazität von parkenden Autos als Energiespeicher zu nutzen. Die meiste Zeit steht ein Auto still. Durch Solar- und Windkraftanlagen wird das Energienetz immer dezentraler, die Stromproduktion schwankt. Wir verbinden die Autobatterien im Prinzip zu einem großen Netzwerk-Speicher. Produzieren wir zu viel Strom, speisen wir den in die Batterien ein. Wenn zu wenig Strom produziert wird, können wir ihn aus den Autos in die Netze zurückspeisen.
Wir verlieren keine Energie mehr, sondern können sie zwischenspeichern. Das geht auch während des Ladevorgangs. Als Besitzer hat man davon nur Vorteile: Der Strom kann abgegeben werden, wenn der Preis hoch ist, und gekauft, wenn er günstig ist. Mit dem „Sharen“ der Batterie kann ich also Geld verdienen und das Netz stabilisieren.#
Wann wird Vehicle-to-Grid denn zum Einsatz kommen?
Für den endgültigen Roll-Out müssen noch die Preise für die Ladegeräte gesenkt werden und die Autos bidirektional laden können. Wir arbeiten aber bereits an vielen verschiedenen Einsatzmöglichkeiten. Ein Beispiel: Das Fußballstadion in Amsterdam soll von den Autos der Besucher mit Energie versorgt werden. Ein Stadion braucht hauptsächlich dann Energie, wenn gerade ein Event stattfindet. Die könnten dann ihre Autos als Energiequelle zur Verfügung stellen. Energie gegen billigere Eintrittskarten sozusagen. Auch für Flotten von Unternehmen ist Vehicle-to-Grid sehr interessant, denn die stehen meist am Wochenende still. Es gibt zahllose Einsatzmöglichkeiten. Letztlich möchten wir dafür sorgen, dass die Energie effizienter und sinnvoller genutzt wird und nicht mehr verloren geht. Das ist ein sehr spannender Zukunftsmarkt, auch für die Arbeitnehmerseite.
Das Energienetz wird dezentraler und Autos zum Strom-Zwischenspeicher
Die Batterien werden wegen der Schwermetalle kritisiert. Ist die E-Branche überhaupt umweltfreundlicher als die herkömmliche Autobranche?
Es gibt leider keine Technologie, die ohne Rohstoffe auskommt. Wir entwickeln schon heute Hightech-Lösungen, durch die wir die Batterien erheblich länger nutzen und schließlich 99 Prozent der Rohstoffe wiederverwerten können. Das ist, denke ich, der Schlüssel. Langfristig gehe ich davon aus, dass wir bessere Rohstoffe als das bisher verwendete Lithium finden (HTC berichtete in Heft 3/17, „Ohne Gift zur richtigen Ladung“). Aber selbst wenn nicht, haben wir kein Problem. Gesünder als Benzin oder Diesel ist die Batterie schon jetzt. Außerdem sollten wir in Zukunft durch Car-Sharing weniger Autos bauen und diese effizienter nutzen.
Wird die E-Mobilitäts-Branche auch andere Transportmittel als das Auto ins Auge fassen?
Am Ende des Tages wird die gesamte Mobilität emissionsfrei sein. Vollelektrische Schiffe und Flugzeuge sind aber eine große Herausforderung, daher glaube ich an einen Zwischenschritt. Hybride Lösungen mit Generatoren und anderen Antrieben als Öl werden sich aber hoffentlich sehr schnell durchsetzen. Gas ist hier das Stichwort, es könnten auch vereinzelt Brennstoffzellen zum Einsatz kommen.