Ein Elektro-Muldenkipper? Gibt es! Wer hat’s erfunden? Die Schweizer! Es wurde ein Projekt von nahezu gigantischen Ausmaßen, bei dem mal eben mehrere Weltrekorde aufgestellt wurden. Das Ergebnis ist ein vollständig elektrisierter „eDumper“, der in der Schweiz aus dem Alltag in der Grube „La Tscharner“ nicht mehr wegzudenken ist.
Am Anfang stand ein Förderband: Vollbeladen beförderte es in der Grube «La Tscharner» gebrochenes Jurakalk- und Mergelgestein ins Tal und fungierte zeitgleich als Stromgenerator. Ob der Effekt auch von den in der Grube operierenden Muldenkippern erbracht werden könne? Fragte der damalige CEO der Ciments Vigier den CEO der Kuhn Schweiz AG, Franz Kissling – der bejahte. Letzterer kontaktierte Roger Miauton von der Lithium Storage GmbH, von dem er wusste, dass er Erfahrung mit sehr großen Batterien hatte, die beispielsweise beim eForce 1 Lastwagen oder auch Schiffen in der Schweiz und Norwegen zum Einsatz kommen. Getreu seiner Devise antwortete Roger Miauton: „Wir elektrifizieren alles, auch ein Muldenkipper von 110 Tonnen kann elektrisch fahren.“ Nachdem die ersten Berechnungen angestellt waren und für dieses Projekt ein Komatsu 605 HD als Basisfahrzeug auserkoren wurde, ging es um die Finanzierung. Ciments Vigier war bereit, für die Entwicklung eines Prototypens den beinahe doppelten Preis einer konventionellen Dieselmaschine zu bezahlen. Das Bundesamt für Energie steuerte einen höheren sechsstelligen Beitrag für die Forschungs- und Entwicklungskosten und die nicht amortisierbaren Mehrkosten bei.
Ein elektrischer Muldenkipper?
Die wohl größte Herausforderung war es, das Projekt mit Gesamtkosten von gut 3 Millionen Schweizer Franken innerhalb von 18 Monaten umzusetzen – nicht zu vergessen die 10 Forschungsprojekte, die hierfür nötig waren, die Inbetriebnahme und Tests sowie mehrere Weltrekorde: Für das größte elektrische Radfahrzeug, die größte je in ein Fahrzeug eingebaute Batterie, die längste Einsatzzeit ohne Nachladen für ein 100 Tonnen Elektrofahrzeug – angestrebt werden drei Fahrten mit einer Energie PLUS – Bilanz). Ein mutiger Entscheid aller Beteiligten. Die vorgegebenen Platzverhältnisse mussten berücksichtigt werden, die Konstruktions- und Leistungsdaten in Erfahrung gebracht werden, etliche Komponenten für den Antrieb – unter anderem auch der Motor selbst – wurden für dieses Projekt evaluiert und angepasst. Darüber hinaus konnte das Fahrzeug nicht in einer regulären Werkhalle fertig gebaut werden und dann ins Einsatzgebiet gefahren werden. Auch die Beheizung der Lademulde mit ungefähr 200 KW stellte eine Herausforderung dar, denn dafür musste für die elektrische Version des Fahrzeugs eine Ersatzlösung gefunden werden. Mit einer Mulde mit einem flexiblen Gummiboden wurde auch diese Hürde gemeistert.
Im Einsatz ist der „eDumper“ schließlich an dem Ort, der die Idee ins Rollen brachte: in der Grube «La Tscharner» der Firma Ciments Vigier S.A. auf dem Gemeindegebiet der Gemeinde Péry – La Heutte auf dem Boden der Burgergemeinden Biel und Orvin. Vorläufig gibt es erst ein Fahrzeug, weitere könnten folgen – für das zweite wurde die Infrastruktur bereits vorbereitet.
Die wahre Lebensdauer der Batterie
Die Batterie besteht aus insgesamt 1336 NMC-Zellen (gestackt mit 4x16x24) à 125Ah / 3.6V verbaut, die nach ihrem Einsatz als Grid Storage verwendet oder zerlegt werden können, wobei rund 40 Prozent Lithium Cobalt Oxid, 20 Prozent Graphit, 10 Prozent Kupfer und 6 Prozent Aluminium und 24 Prozent anfallen. Der Stahl der Batterie kann als Altmetall verwertet werden. Aus Umweltschutzgründen wird auf in der Schweiz verkauften Lithium-Zellen übrigens eine Precycling-Gebühr von 3.20 Schweizer Franken pro Kilo erhoben. Um die Lebensdauer zu erhöhen, können einzelne Stacks oder sogar nur einzelne Zellen der Batterie ausgetauscht werden.
Was also könnte dagegen sprechen, die Produktion schlagartig auszuweiten? Das für die Investition notwendige Betriebskapital muss verfügbar sein. In einer 0-Prozent-Zinssituation, wie sie aktuell in der Schweiz herrscht, ist das nur ein „relativer“ Nachteil, der sich ab dem sechsten Betriebsjahr vollkommen in Luft auflöst, denn ab dann lohnt sich die Investition. Nicht zu vergessen: Große Elektrofahrzeuge können zu einem guten Teil mit Überschuss-Strom, beispielsweise aus Windparks, PV-Anlagen oder Flusskraftwerken, geladen werden, was die Investition für die aktuell einzige Betreiberin nun doppelt lohnend macht.
Das Schweizerische Duale Bildungssystem bildet für solche Projekte ein ideales Umfeld. Die Student/innen der Fachhochschulen gehen einen sehr praxisbezogenen Bildungsweg. Sie haben alle bereits eine Berufslehre abgeschlossen und können die bei einem Entwicklungsprojekt, bei dem neue Technologien und Komponenten in einem Prototyp verbaut werden, ihre Erfahrung in einem neuen Umfeld einbringen. Drei Fachhochschulen und die Schweizerische Materialprüfungsanstalt leisteten im Auftrag der eMining AG wertvolle Beiträge beim Designen der Antriebsgruppe und dem Bau der Batterien sowie dem Erfassen und Vergleichen der Leistungsdaten.