Chancengleichheit für alle und die am besten passenden Mitarbeitenden zu gewinnen sowie zu halten, müsste das Ziel aller Unternehmen sein – doch weiterhin gibt es Einstiegs- und Aufstiegsbarrieren vor allem für Frauen. Prof. Erika Regnet, Autorin des Buches „Frauen ins Management“ gibt Empfehlungen.
Die guten Nachrichten vorab: Da es aufgrund der demographischen Entwicklung rein zahlenmäßig weniger Nachwuchs gibt und die Firmen dank der guten wirtschaftlichen Entwicklung viel Personal einstellen, können gute KandidatInnen sich zur Zeit ihren Arbeitgeber aussuchen.
Eine Strategie ist es, sich für ein Unternehmen zu entscheiden, dem Diversity und Chancengleichheit wichtig sind. Dies erkennen Sie weniger an Werbebroschüren und Imagekampagnen als vielmehr an entsprechenden Bewertungen im Netz, am Frauenanteil im Management und an der angebotenen Förderung. Doch auch die konkrete Führungskraft kann den Unterschied machen: Ist sie open-minded, bietet sie Frauen gleiche Chancen, setzt sie sich für alle ein, ermöglicht sie Arbeitszeit- und Ortflexibilität?
Doch wenn Sie diese Strategie konsequent verfolgen, werden Sie eher in einem mittelständischen Unternehmen beginnen, in dem der Anteil weiblicher Managerinnen deutlich über dem der Großunternehmen liegt, allerdings meist bei geringerem Durchschnittseinkommen.
Prof. Dr. Erika Regnet, Professorin für Personalmanagement an der Hochschule Augsburg.
Schwerpunkte: Lehre, Forschung und Beratung zu Personalführung, Recruiting, Arbeitgeberattraktivität und Fachkräftesicherung, demografische Entwicklung und weibliche Fach- und Führungskräfte.
Vorteile haben Sie in Funktionen, in denen Ihre Arbeitsleistung und Ihre Ergebnisse messbar und eindeutig zuordenbar sind. Untersuchungen belegen nämlich, dass der Erfolg in einem gemischtgeschlechtlichen Team eher dem Mann zugeschrieben wird als der Frau. Deshalb gilt, wenn es an das Präsentieren von (Team-)Ergebnissen geht: Trauen Sie sich! In Erinnerung bleibt nur die Person, die spricht und ihr wird die meiste Kompetenz zugesprochen. Halten Sie sich an das Motto: Gute Arbeit leisten und darüber sprechen! Eigene Erfolge und Ergebnisse müssen dargestellt werden.
Deutschland liegt beim Gender Pay-Gap im EU-Vergleich seit Jahren auf einem unrühmlichen Spitzenplatz. Das heißt, Frauen bekommen (auf die Stunde gerechnet) durchschnittlich 21 Prozent weniger Geld als Männer.
Lassen Sie sich nicht davon täuschen, dass der „bereinigte Gap“ nur wenige Prozentpunkte betrage. Zum einen summieren sich 5 Prozent Abschlag über 40 Berufsjahre zu 2 Jahren, die Frauen länger arbeiten müssten – und „bereinigt“ heißt nicht diskriminierungsfrei (vgl. Regnet, 2017b): Ist es wirklich die freie Entscheidung der Frauen, in gut zahlenden Großunternehmen weniger arbeiten zu wollen? Dass sie weniger hoch und deutlich langsamer aufsteigen?
Beispielhafte Illustration für den Gender Pay Gap
Der Gehaltsgap beginnt bereits kurz nach dem Einstieg und nimmt mit der Berufserfahrung und in höheren Hierarchieebenen zu. Abbildung 1 veranschaulicht Einkommen von Männern und Frauen, bezogen auf eine große Datenerhebung von StepStone – berücksichtigt sind aus Vergleichsgründen nur Vollzeitberufstätige.
Üben Sie Gehaltsverhandlungen grundsätzlich nicht mit Freundinnen, sondern immer mit männlichen Kommilitonen/Kollegen/Brüdern! Bei der Berufsplanung sind besonders wichtig:
- Eine durchgängige Berufstätigkeit mit maximal kurzen Unterbrechungen. Teilen Sie sich Elternzeiten mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin gleichberechtigt.
- Vollzeit(nahe) Arbeitszeiten sind ein wichtiger Grundstein einer beruflichen Karriere. Wir sehen zwar, dass die Bereitschaft zu Überstunden und sehr langen Arbeitszeiten sowohl bei Studierenden (Regnet, 2017a) als auch im Management zurückgeht (Regnet, 2019). Menschen aller Altersgruppen ist es wichtig, Beruf und Freizeit sinnvoll zu vereinbaren. Doch weiterhin gilt: Teilzeit ist eine Karrieresackgasse.
- Auslandserfahrungen sind heute für viele Unternehmen eine Conditio sine qua non für den Aufstieg. In einem internationalen Unternehmen müssen alle EntscheiderInnen gute Sprachkenntnisse haben, international zusammengesetzte Teams leiten können und die Märkte anderer Länder verstehen. Verlagern Sie deshalb die internationale Berufspraxis an den Anfang Ihrer Berufskarriere, dann sind Sie für spätere Situationen flexibler.
- Externe Arbeitgeberwechsel sind gerade für Frauen sehr karriereförderlich. Den Arbeitgeber zu verlassen ist für sie häufig die einzige Chance, hierarchisch aufzusteigen. Verbleiben Sie also nicht zu lange an einer Position, wenn Sie dort keine realistischen Perspektiven haben.
Erwarten Sie bitte kein Entgegenkommen im Beruf, wenn Sie in Ihrem privaten Umfeld nicht selbst dafür kämpfen: Warum sollte der Chef Verständnis dafür haben, dass Sie ein aktuelles Projekt nicht fertig machen, weil Sie das Kind aus der Kita abholen – und der Vater sich nicht verantwortlich fühlt?
Keine Karriere ohne eigenständige Berufsplanung –
Augen auf bei der Partnerwahl
Warum sollte eine Kollegin alle Abendtermine und Dienstreisen für Sie wahrnehmen, wenn Ihr Partner nicht verlässlich Anteile der Kinderbetreuung übernimmt? Vollzeit berufstätige Frauen wenden pro Tag (!) 2,4 Stunden mehr für Haushalt und Kinderbetreuung auf als ihre Partner (DIW, 2016) – dies geht ebenso zu Lasten der beruflichen Chancen wie der geringeren Frei- und Erholungszeit.
Noch nicht endgültig bewerten lässt sich das Home Office. Es spart Zeit, Kosten und erleichtert so die Betreuung von Kindern und/oder die Pflege von Angehörigen. Doch ist man gleichermaßen präsent im Unternehmen? Bekommt frau weiterhin alle Informationen, Förderungen, interessanten Projekte – oder gerät sie aus dem Blickfeld und ins Abseits? Wir wissen es noch nicht.
Für ambitionierte Menschen ist der Verzicht auf beruflichen Aufstieg keine sinnvolle Lösung. Der Verbleib im unteren Management und vor allem in einer Fachposition ist erkauft mit geringerer Arbeitszufriedenheit (Abbildung 2). Und dies trifft nicht nur auf die Zufriedenheit mit dem Gehalt, sondern auch auf den Freiraum, die Tätigkeit, die beruflichen Perspektiven, die Wertschätzung und die Arbeitszufriedenheit insgesamt zu. Die höchsten Zufriedenheitswerte erreichen – im Übrigen auf allen Dimensionen – die oberen Führungskräfte und die Selbstständigen, gefolgt vom Mittelmanagement.
Stereotype und Widerstände bestehen fort: Kein Mensch macht sich Gedanken darüber, wie die Krankenpflegerin lange Arbeitszeiten und Nachtschichten mit ihrer Familie vereinbaren kann. Bei gut bezahlten Managementpositionen mit Macht und Einfluss erwacht dagegen die falsche Fürsorge der Umwelt. Leider belegen Studien, dass das Stereotyp „Think manager – think male“ weiterhin gilt. Das heißt, erfolgreiche Manager werden mit Eigenschaften beschrieben, die zum männlichen Stereotyp passen: entscheidungsstark, dominant, objektiv, energisch, selbstständig, aggressiv, wenig verletzlich. Das Dilemma karriereorientierter Frauen ist folglich: Treten sie traditionell weiblich auf, werden sie gemocht, aber als weniger kompetent eingeschätzt. Ihr Verhalten widerspricht der Erwartung an erfolgreiche Führungskräfte. Agieren sie dagegen energisch, entscheidungsstark und betonen ihre Leistung, dann verlieren sie Sympathiewerte.
Nicht zuletzt: Setzen Sie das, was Sie selbst möchten, auch für andere um. So leisten Sie einen aktiven Beitrag zur Veränderung: Unterstützen Sie andere Frauen, erkennen Sie deren Leistung an und machen Sie negatives Verhalten wie Leistungsabwertung für Außenstehende erkennbar.
Wer sich in Männerdomänen begibt, setzt sich starker Kritik und wiederholt sogar einer „Hate Speech“ aus – denken sie an Bibiana Steinhaus, erste Schiedsrichterin in der 1. Männer Fußballbundesliga, oder die Schmähungen gegen die Fußballkommentatorin Claudia Neumann. Positiv ausgedrückt: Sie können es sowieso nicht allen recht machen. Gehen Sie Ihren Weg – viel Erfolg und Freude dabei!
Literatur
- DIW (2016). Pressemitteilung: Auch in Doppelverdiensthaushalten: Vollzeiterwerbstätige Frauen leisten deutlich mehr Hausarbeit als Männer – Unterschiede verringern sich kaum. Online verfügbar unter https://www.diw.de/. Zugriff am 27.12.2018.
- Regnet, E. (2019). Best Agers. Arbeitssituation, Gesundheit und Karriereerwartungen. Augsburg.Open Access Article. DOI: https://doi.org/10.23779/0005.
- Regnet, E. (Hrsg.). (2017a). Arbeitgeberattraktivität 2017. DOI: https://doi.org/10.23779/0002.
- Regnet, E. (2017b). Frauen ins Management. Chancen, Stolpersteine und Erfolgsfaktoren. Göttingen: Hogrefe.