Kreislauffähige Kunststoffe gelten als zentraler Ansatz, um die Umweltbelastung der Kunststoffindustrie zu reduzieren. Doch der Weg zur Kreislaufwirtschaft ist komplex: Nachhaltige Lösungen müssen nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch wirtschaftlich tragfähig sein, um sich langfristig durchzusetzen. Dr. Andreas Binder, Head of Sustainability Transformation & Business Building bei Covestro, spricht im Interview über die Herausforderungen, die damit verbunden sind, und wie Covestro diese angeht.
Dr. Binder, welches Interesse hat ein Chemie-Unternehmen wie Covestro an der Kreislaufwirtschaft?
Ein großes! Kreislaufwirtschaft ist bereits seit 2019 unsere Vision festgelegt: Covestro will sich vollständig auf die Kreislaufwirtschaft ausrichten und dabei zur gestaltenden Kraft für die gesamte Kunststoffindustrie werden. Dabei wollen wir Kunststoffe möglichst umweltfreundlich und klimaneutral herstellen, um ihren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Dazu setzt Covestro auf nicht-fossile Rohstoffe, erneuerbare Energie und innovative Recyclingtechnologien. Produkte und Prozesse werden konsequent für die Kreislaufwirtschaft konzipiert.
Hierbei arbeiten wir eng mit Partnern entlang der Wertschöpfungskette und aus der Wissenschaft zusammen, um neue Lösungen und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Und wir setzen auf digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz, auf Forschungsansätze wie Biotechnologie, chemisches Recycling und Elektrochemie, um die Circular Economy voranzubringen.
Seit 2023 arbeiten Sie zusammen mit Deloitte an einem Framework, damit die Kreislaufwirtschaft finanziell tragbar wird und sich so Investitionen in den Bereich lohnen. Dabei schreiben Sie, dass sich knapp 100 Covestro-Mitarbeitende eingebracht haben – wie?
Kreislaufwirtschaft ist noch ein neues Thema – und wir warten nicht ab! Statt allein zu tüfteln, holen wir frühzeitig Partner an Bord, um wertvolle externe Perspektiven einzubinden.
Um Kreislaufwirtschaft Realität werden zu lassen, brauchen wir aber nicht nur nachhaltige Produkte, sondern auch Kunden, die sie kaufen. In der Praxis bedeutet das mehr als nur den Verkauf kreislauffähiger Materialien. Viel wichtiger ist es, das Thema von Anfang an in Kundengespräche einzubinden und gemeinsam Lösungen zu entwickeln. Dafür müssen Verbraucher, Unternehmen, Regulierung und Technik Hand in Hand arbeiten.
Genau deshalb haben wir mit Deloitte kooperiert und ein Monetarisierungs-Framework entwickelt. Der erste Schritt: Ein gemeinsames Projektteam hat Mitarbeitende weltweit befragt, um herauszufinden, welche Herausforderungen es gibt und was für eine erfolgreiche Monetarisierung zirkulärer Lösungen wirklich zählt. Basierend auf diesen Erkenntnissen wurde das Framework entwickelt und mit drei Pilotprojekten aus unterschiedlichen Branchen getestet.
Damit sich das Wissen global verbreitet, gibt es eine Webinar-Reihe, die den Austausch zu Markteintritts- und Kommerzialisierungsstrategien fördert. Der Ansatz: Kreislaufwirtschaft früh in Kundengespräche einbinden, um gemeinsam nachhaltige Lösungen zu gestalten. Unterstützt wird das Ganze durch die „Monetize CE-Pioniere“ – eine Gruppe engagierter Covestro-Mitarbeitender, die ihr Wissen weltweit teilen und als Ansprechpartner für verschiedene Industrien zur Verfügung stehen.
Welche Rolle übernahmen Covestro und Deloitte Consulting jeweils bei der Entwicklung dieses Frameworks?
Um eine vollständig zirkuläre Zukunft zu erreichen, brauchen wir eine optimierte Markteinführungsstrategie, neue Fähigkeiten und Kompetenzen sowie das Vertrauen in unser kommerzielles Team. All das in einem strukturierten und skalierbaren Prozess, der echten Mehrwert schafft.
Genau aus diesem Grund haben wir uns mit Deloitte zusammengetan: Seit 2023 arbeiten wir gemeinsam am Projekt „Monetizing Circular Economy“, mit derselben Vision und Leidenschaft für eine nachhaltige Zukunft. Covestro setzt seine langjährige Praxis-Erfahrung ein: Wir wissen, welche Herausforderungen es gibt und wo Fähigkeiten fehlen, um kreislauffähige Produkte wirtschaftlich erfolgreich zu machen. Diese Erkenntnisse stammen direkt aus unseren Pionierprojekten mit Kunden aus verschiedenen Branchen. Außerdem haben wir reale Projekte aus der Kreislaufwirtschaft eingebracht, um unser strukturiertes Monetarisierungs-Framework mit echten Partnern entlang der Wertschöpfungskette zu testen und weiterzuentwickeln.
Deloitte, als erfahrene Managementberatung, setzte wertvolle Einblicke aus Kundenprojekten weltweit ein. Sie unterstützten uns mit ihrem globalen Netzwerk, passenden Methoden und Tools und begleiteten den gesamten Entwicklungsprozess. Das war eine super Teamarbeit!
Das Ergebnis ist ein klarer, strukturierter Ansatz, um kreislauffähige Lösungen schneller auf den Markt zu bringen, ein neues Mindset in der Organisation zur Förderung der Kreislaufwirtschaft sowie ein skalierbares Konzept, das einfach zu lernen und flexibel anzuwenden ist – ein bedeutender Schritt hin zu einer erfolgreichen und wirtschaftlich tragfähigen Kreislaufwirtschaft.
Das Modell soll die gesamte Wertschöpfungskette abbilden. Wie funktioniert das?
Statt nur einzelne Produktionsschritte zu betrachten, denken wir in geschlossenen Kreisläufen – das ist entscheidend für die Monetarisierung. Deshalb geht unser Monetize-CE-Framework über direkte Kunden hinaus und berücksichtigt die gesamte Wertschöpfungskette.
Unser vierstufiges Framework startet mit der Strategie: Wo kann unsere Kreislauflösung den größten Impact haben? Danach folgt ein wichtiger Schritt – das Verständnis des gesamten Wertkreislaufs. Das bedeutet: Wir schauen nicht nur auf unsere Kunden, sondern auch auf deren Kunden bis hin zu den Endverbrauchern. Außerdem analysieren wir alle relevanten Entscheidungsträger, die den Einsatz zirkulärer Lösungen beeinflussen.
Unsere Erfahrung zeigt, dass sich die Entscheidungsprozesse für Kreislauflösungen stark von denen für herkömmliche Produkte unterscheiden. Deshalb ist es essenziell, diese genau zu verstehen, bevor wir mit strategischen Partnern ein nachhaltiges Ökosystem aufbauen. So gestalten wir gemeinsam ein überzeugendes Geschäftsmodell für eine echte Kreislaufwirtschaft!
Aktuell sei die Funktionsfähigkeit des Monetarisierungs-Frameworks durch Pilotprojekte belegt. Können Sie uns eines oder zwei dieser Projekte skizzieren?
Unser Monetize-CE-Framework hilft dabei, nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln – von der Strategie bis zur Markteinführung. Es umfasst vier Schritte: Strategie definieren, den Wertkreislauf verstehen, Angebote und Produkte gestalten sowie Preise festlegen und die Markteinführung planen.
Wir arbeiten an spannenden Projekten, die zeigen, wie Kreislaufwirtschaft profitabel sein kann. Ein Beispiel: die Verwertung von Abfallstoffen. Dafür prüfen wir zahlreiche Branchen und wählen gezielt die vielversprechendsten aus. Entscheidend ist, ob unsere recycelten Materialien gefragt sind, zur Marktnachfrage passen und sich wirtschaftlich lohnen – für uns und unsere Partner.
Unser Team hat bereits ein innovatives Kreislaufmaterial entwickelt und den ersten Kunden gewonnen – dieser nutzt es nun für seine eigenen nachhaltigen Produkte. Ein großer Schritt in Richtung einer erfolgreichen und umweltfreundlichen Zukunft!
Spielt auch chemisches Recycling eine Rolle in diesem Framework und wenn ja, warum und wenn nein, warum?
Ja! Es ist einfach so, dass chemisches Recycling der einzige relevante Hebel ist, um zirkuläre Lösungen skalieren zu können. Andere Lösungen bleiben meist kleinteilig und erfordern in der Regel Chargen-spezifische Spezifikations- und Qualitätsnachweise. Und wir wollen ja gerade große Veränderungen in unseren Wertschöpfungsketten ermöglichen.
Wie geht es mit diesem Framework jetzt weiter?
In der Praxis bedeutet der Monetarisierungsansatz mehr als nur den Verkauf kreislauffähiger Produkte. Es ist entscheidend, das Denken in Kreisläufen bereits in die ersten Kundengespräche einzubinden und Lösungen gemeinsam in Partnerschaften zu entwickeln. Wir ermutigen unsere Kolleginnen und Kollegen, das bewährte Framework zu nutzen, um gemeinsam mit Kunden und deren Kunden Mehrwert zu schaffen.
Das Ganze ist eher ein Marathon als ein Sprint – und es ist klar, dass wir dieses Framework kontinuierlich weiterentwickeln. Entscheidend ist jedoch, dass wir Silos aufbrechen und gemeinsam mit Partnern, Kunden und allen Beteiligten der Wertschöpfungskette an einem Strang ziehen. Wir sehen dieses Framework also als eine wertschaffende Struktur, die wir dauerhaft nutzen wollen und werden.
Weitere Infos zum Framework findest du in dieser Pressemeldung.