Das mobile Arbeiten hat durch die Coronakrise eine neue Bedeutung bekommen, deswegen ist der Start in die Arbeitswelt gerade für Berufsanfänger schwierig. Mit Alexander Wilhelm, Managing Partner der InterSearch Executive Consultants in Frankfurt, sprechen wir über das sogenannte „Onboarding“ von zu Hause aus und wie man als Berufseinsteiger im Home Office punkten kann.
Herr Wilhelm, Sie helfen Unternehmen bei der Rekrutierung von Führungskräften. Worauf achten diese grundsätzlich bei der Einstellung von Berufseinsteigern und mit welchen Qualitäten kann man besonders punkten?
Man sollte auf jeden Fall authentisch sein und sich nicht verstellen, das gilt nicht nur für Absolvent:innen. Natürlich achtet man auch auf das fachliche Know-how, doch neben der Theorie zählen auch praktische Erfahrungen, das heißt welchen Job, welche Praktika oder Auslandsaufenthalte man vor oder während des Studiums absolviert hat. Wichtig ist auch das persönliche Auftreten bei einem Interview: Wie gibt man sich als Bewerber:in? Hat er oder sie sich länger mit der Stelle und dem Unternehmen befasst? Wer als Kandidat:in vielleicht auch mal in die Pressemitteilungen der letzten Monate geschaut hat, gut informiert ist und ehrliches Interesse am Unternehmen zeigt, kann damit gut punkten. Dabei kann sich der Bewerber gerne auch proaktiv zeigen und drei bis vier vernünftige Fragen stellen. Realistisch sollten übrigens auch die Gehaltsvorstellungen sein. Ein Absolvent wird nicht das Gleiche verdienen wie jemand, der schon zehn Jahre Berufserfahrung hat.
Apropos Berufseinstieg – das Onboarding ist entscheidend, damit der/die neue Mitarbeiter:in sich willkommen fühlt. Seit diesem Jahr findet dies bedingt durch die Coronakrise aber oft im Home Office statt. Welche Veränderungen und Herausforderungen ergeben sich dadurch?
Aus meiner Sicht ist die Integration in das Team, beziehungsweise seine sozialen Kontakte im Home Office aufzubauen, um einiges beschwerlicher. Die persönliche Betreuung ist also in der ersten Zeit schwieriger, das ist gerade für Berufseinsteiger eine extrem große Herausforderung. Zwar kann ich immer per Video oder Telefon zur Verfügung stehen, ruft man seinen Vorgesetzten oder Kollegen jedoch alle fünf Minuten an, wird auch dieser irgendwann genervt sein. Daher wird mehr Wert auf Selbstständigkeit gelegt, anhand derer sich auch die Reife eines:r Absolvent:in zeigt. Für den Arbeitgeber ist es natürlich dennoch wichtig, den engen Kontakt zu halten. In der Krise zeigt sich so übrigens auch, welches Unternehmen bereits modern aufgestellt ist, etwa in seiner Arbeitsplatzgestaltung und IT.
Wie können sich Berufseinsteiger am besten vorbereiten, um dieser Herausforderung zu begegnen und das Onboarding auch im Home Office erfolgreich zu meistern?
Auch hier gilt, sich selbstständig auf die Aufgaben und das Unternehmen und, wenn die Zeit da ist, mit dem Teamleiter oder den Kolleg:innen auf gewisse Fragen vorzubereiten. Das zeigt auch, wie gut man selbst organisiert ist. Zusätzlich sollte man, trotz den erschwerten Umständen, versuchen, sein informelles Netzwerk auszubauen. Darüber hinaus gibt es natürlich auch Dinge wie die passende Kleidung, sich also nicht im T-Shirt vor den Bildschirm zu setzen. Immer mehr Unternehmen sind zudem informell. Seinen Vorgesetzten zu duzen ist sicherlich für einige eine Umstellung, dabei muss man dennoch den Respekt wahren und die Arbeit ernst nehmen. Grundsätzlich sollte man viel Eigeninitiative zeigen: Seine Bringschuld- und Holschuld zu erfüllen ist wichtig. Das heißt, man sollte sich auch aktiv bei seinen Kolleg:innen nach Feedback erkundigen, etwa ob man eine Aufgabe oder ein Projekt gut erledigt hat oder wo vielleicht noch Verbesserungsbedarf steht.
Eine sichere Anstellung und eine ansprechende Vergütung alleine reichen jungen Arbeitnehmern nicht mehr aus. Vielmehr steht die Work-Life-Balance im Vordergrund, die durch das Home Office angeblich besser gewährleistet wird. Welche weiteren Vorteile sehen Sie in Bezug auf das Home Office, welche Nachteile?
Ein Vorteil ist ganz klar, dass der Arbeitsweg entfällt, denn so komme ich nicht wegen Verspätung öffentlicher Verkehrsmittel oder vom Stau gestresst im Büro an. Familie beziehungsweise den Freundeskreis kann ich außerdem besser mit dem Beruf kombinieren. Ich selbst nutze das Home Office zudem gerne, um in Ruhe etwas ausarbeiten zu können. Problematisch an nicht festen Arbeitszeiten ist jedoch, dass der eine oder andere Arbeitgeber noch lernen muss, mehr Vertrauen in den Mitarbeiter im Home Office aufzubauen. Das ist leichter, wenn man jemanden schon eine gewisse Zeit kennt und diese:r schon Ergebnisse gebracht hat, als bei einem frischen Berufseinsteiger. Das ist auch ein wenig abhängig vom Arbeitgeber selbst; in einem Start-up wird der Vertrauensaufbau vermutlich schneller von dannen gehen, als bei einem Unternehmen mit älterer beziehungsweise traditioneller Struktur.
Weitere Nachteile sind, dass man sehr darauf achten muss, richtig abzuschalten und sich Pausen zu nehmen, das ist im eigenen Heim oft noch etwas schwieriger als im Büro. Weshalb also nicht in der Mittagspause sich offiziell beim Vorgesetzten oder der Teamassistentin oder im Outlook abmelden und eine kleine externe Runde joggen oder zum Mittagessen außer Haus gehen? Die Skandinavier scheinen hier flexibler zu sein und sind dennoch erfolgreich.
Mobilem Arbeiten wird nachgesagt, es rücke Arbeitsergebnisse und Leistungsorientierung noch stärker in den Mittelpunkt, und weniger den individuellen Einsatz oder etwa die Anwesenheitszeit im Büro. Wie können sich Berufseinsteiger im Home Office behaupten, wenn diese erst seit kurzer Zeit im Unternehmen sind?
Ich glaube, der Leistungsdruck wächst nicht nur im Home Office, sondern momentan überall. Wir sind eine schnellere Gesellschaft und da werden auch schnellere Ergebnisse gefordert. Dennoch ist es wichtig, das Vertrauen aufzubauen und seinem Vorgesetzten seine Ergebnisse zu zeigen beziehungsweise diesen aktiv mit einzubinden, ohne zu aufdringlich zu sein. Dabei ist sicherlich einiges an Kommunikationsfähigkeit gefragt. Auch wenn man übrigens über eine hohe Selbstdisziplin und Motivation verfügt, muss man trotzdem auch zuhören können. Die Fähigkeit, auch mal zwischen den Zeilen zu lesen – was eventuell im Home-Office für den einen oder anderen schwieriger ist als im Büro–, ist bei einigen Dingen nicht zu unterschätzen. Wichtig ist natürlich auch eine gewisse Anpassungsfähigkeit.
Heutzutage ist eine berufliche und persönliche Weiterentwicklung im Job essenziell. Denken Sie, dass das Home Office diese erleichtert oder erschwert? Welche Standardanforderungen an einen guten Arbeitsplatz (im Home Office) dürfen junge Arbeitnehmer haben?
Das ist keine einfache Frage und auch nicht pauschal zu beantworten. Ich glaube, eine persönliche Weiterentwicklung findet auch im Home Office statt, denn man lernt, selbstständiger zu arbeiten und seinen Tag anders zu organisieren. Für eine berufliche Weiterentwicklung ist es trotzdem immer noch besser, zumindest ab und zu im Büro zu sein und den persönlichen Austausch zu haben.
Meiner Meinung nach wird es in Zukunft eher eine Kombination aus Home Office und dem normalen Arbeitsplatz im Büro geben, sofern dies der Job zulässt. Arbeitnehmer dürfen dabei auch eine entsprechende IT- beziehungsweise Büroausstattung für das eigene Heim erwarten, vor allem, wenn sie rein mobil arbeiten. Wer ein moderner Arbeitgeber sein will und junge, motivierte Spezialisten und Führungskräfte gewinnen möchte, sollte das aktiv unterstützen.
Wie sieht eine Arbeitsumgebung im Home Office aus, die motiviert und der Konzentration förderlich ist?
Definitiv empfehlen würde ich die Trennung von Beruflichem und Privatem, wenn möglich über einen eigenen Raum für die Arbeit. Ablenkung sollte man bestmöglich ausschließen und dennoch seine sozialen Kontakte halten – etwa mit dem Kollegen telefonieren oder Zoomen, wenn man eine Frage hat oder sich mit seinen Kontakten außerhalb der Arbeit treffen. Wichtig ist es auch, in den richtigen Momenten abzuschalten oder vielleicht zwischendrin eine Runde vor die Tür zu gehen.
Alexander Wilhelm ist Geschäftsführender Gesellschafter / Managing Partner der InterSearch Executive Consultants mit Sitz im Büro Frankfurt. Er berät vor allem nationale und internationale Unternehmen aus der Industrie – insbesondere aus der Automotive-, Chemie-, Kunststoff-, Energie-Branche, dem Maschinenbau sowie dem Öffentlichen Sektor. Als Berater und Industrie-Experte verfügt Wilhelm über langjährige Kontakte und Erfahrung in der Suche nach Führungskräften.
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Interview und Text von Lisa Miethke