Mit einem Abschluss in den Bereichen IT oder den Ingenieurstudiengängen habt ihr beste Aussichten, später einmal erfolgreich im Berufsleben zu stehen. Sicherlich habt ihr schon oft gehört, dass der Arbeitsmarkt nach euch sucht. Aber wann hat der Arbeitsmarkt mal tatsächlich bei euch angerufen und euch eine Stelle angeboten? Wer hat euch schon einmal gesagt „Bitte komm zu uns, wir haben für dich einen gut dotierten Arbeitsplatz“? In den meisten Fällen ist das wohl noch nicht passiert.
Zwischen Unternehmen und Fachkräften gibt es ein großes Matchingproblem. Unternehmen tun sich oftmals schwer damit, ihre Personalbedarfe transparent und zielorientiert zu kommunizieren. (Zukünftige) Fachkräfte wiederum stehen vor dem verheißungsvollen Arbeitsmarkt, aber wissen nicht, wie sie hineinkommen sollen. Doch wie für jedes Problem gibt es auch hier eine Lösung: Die ersten Schritte im Arbeitsleben sollten gut geplant und sorgfältig gewählt sein.
Erste Schritte während des Studiums
Der entscheidende Schritt besteht darin, sich dem Arbeitsmarkt sichtbar zu machen. Das funktioniert auf verschiedenen Wegen wie Bewerbungen, die Teilnahme an Projekten oder Praktika. Je besser euch Unternehmen kennenlernen, umso klarer wird euer Profil – umso größer sind die Chancen eines Matchings. Dazu kommt die Problematik des reinen „Studierens“. Während Informatiker oftmals im Rahmen von Projektarbeiten praktische Erfahrungen sammeln können, ist es für bestimmte Ingenieursstudiengänge oftmals schwer, eine „Praxistauglichkeit“ nachzuweisen. Aus diesen beiden genannten Gründen machen Praktika Sinn. In manchen Studiengängen sind Praxisphasen bereits integriert, in anderen muss man sich Zeit dafür nehmen. Wichtig ist, dass ihr nicht „irgendwo“ Praktika absolviert, sondern in Unternehmen, die ihr euch als zukünftige Arbeitgeber vorstellen könnt. Und bitte wechselt die Praktikumsstellen, denn es ist einfach, immer wieder beim gleichen Unternehmen anzufragen – aber es ist perspektivisch gesehen wenig sinnvoll. Und: Lasst euch unbedingt ein Arbeitszeugnis ausstellen. Wenn das Unternehmen dafür keine Zeit hat, erstellt selbst einen Vorschlag und leitet ihn an die Personalabteilung weiter. Oftmals unterschreiben sie nach einem kurzen Überfliegen. Die wichtigsten Kriterien für ein Arbeitszeugnis sind schnell recherchiert.
Auf der Suche nach dem passenden Arbeitgeber
Um einen Arbeitsgeber zu finden, der zu dir passt, muss klar sein, wonach genau du suchst. Oft ist diese Fokussierung aber ein Problem, da sie mit einer intensiven Selbstreflexion verbunden sind. Wer bin ich? Was passt zu mir? Was will ich? Was ist mir wichtig? Solltet ihr mit der Beantwortung dieser Fragen Probleme haben, kann ich euch nur raten, euch ein Gegenüber zu suchen, um die Fragen zu klären. Das kann ein guter Freund/eine Freundin sein, aber besser ist immer ein ausgebildeter Coach.
Sind alle diese Fragen beantwortet, verfügst du über ein persönliches Profil, dass du wie eine Schablone über Stellenangebote und Arbeitgeber legen kannst. Nun geht es darum, diese Arbeitgeber zu finden. Wir alle kennen die großen Firmen, doch der Arbeitsmarkt ist viel vielfältiger, als auf den ersten Blick sichtbar. Um ihn zu erschließen, braucht es intensive Recherche. Diese Arbeit kann euch niemand abnehmen, weil euer Profil so individualisiert ist, dass keine einheitliche Antwort gegeben werden kann. Bei der Suche führen viele Wege ans Ziel. Große Stellenportale (z.B. die Jobbörse der Agentur für Arbeit oder fachspezifische Stellenbörsen) können online recherchiert werden. Auch große Zeitungen verfügen über Stellenangebote, die aber auch online abgerufen werden können. Vitamin B ist immer eine gute Sache. Beziehungen zu nutzen ist gegenüber den Mitbewerbern nicht wirklich fair, aber so kommt ihr an Stellen und Personalverantwortliche, die ihr sonst nicht erreichen würdet. Hilfreich ist es auch immer, gute Messen zu besuchen. Schaut euch vorher an, welche Aussteller teilnehmen und bereitet euch auf den Kontakt vor. Recherchiert über das Unternehmen und bringt eure Bewerbung in Form eines Kurzprofils mit, damit sie euch nicht vergessen. Nehmt alle Visitenkarten mit, die ihr bekommen könnt, und notiert auf der Rückseite der Karte die wichtigsten Gesprächsinhalte.
Ihr habt eine interessante Firma gefunden? Dann müsst ihr herausfinden, ob sie zu euch passt. Einige Fragen sind:
- Gefällt mir die Betriebsgröße?
- Wie ist die Unternehmenskultur? (Du oder Sie?; starke oder flache Hierarchien? Werte? Zielgruppe? Unternehmensphilosophie?
- Weiterbildungsmöglichkeiten?
- Dienstwagenoption?
- Mentorenprogramm/Einarbeitungsphase?
- Arbeitszeitenregelungen?
- Home-Office-Optionen?
Ihr müsst selbst entscheiden, was davon ihr braucht/wie ihr am besten arbeiten könnt. Aber auch hier kann euch am besten ein erfahrener Coach unterstützen.
Innovative Aufgaben schon als Einsteiger
Viele von euch wollen schon früh viel Verantwortung übernehmen und etwas bewirken. Doch nicht jedes Unternehmen Bietet Einsteigern die Chance, an innovativen Projekten mitzuwirken beziehungsweise neue Konzepte mit zu entwickeln. Anbei ein paar Kniffe, die euch zum eigenen Projekt helfen: Haltet die Ohren offen, ob eure Uni gerade ein spannendes Projekt betreut. Fragt bei euren Praktikumsstellen nach, ob ihr euch in einem Projekt mit einbringen könnt. Oder macht euch nebenberuflich mit einem Projekt selbstständig. Es gibt so viele kleine Firmen, die Unterstützung im IT-Bereich brauchen und sich über die Unterstützung eines Studenten freuen. Einer meiner Kunden hat zum Beispiel für einen Windparkbetreiber ein Programm geschrieben, über das aktuelle Zahlen der einzelnen Windkraftanlagen abgerufen werden können. Ein anderer hat ein Programm geschrieben, dass die Ergebnisse einer Potentialanalyse aus dem Bildungsbereich analysiert, auswertet und darstellt. Diese Projekte machen sich nicht nur super auf dem Lebenslauf sondern bringen auch noch etwas Geld ein. Ihr seid auf eurem Gebiet die Experten – hört euch gut um, wem ihr mit eurem Wissen dienlich sein könnt.
Welches Gehalt kann ein Berufseinsteiger fordern?
Ich habe viele Informatiker bei mir sitzen, die online recherchiert haben und zu mir sagen, dass sie unter einer bestimmten Summe nicht arbeiten. Aber was ist die Alternative? Bezahlung ist immer eine Frage des Werts, den eine Firma im Bewerber sieht. Ist er es wert, dass man für ihn Summe X plus 21 Prozent Arbeitgeberanteil pro Monat bezahlt? Bringt der Bewerber so viel Geld ein? Vor allem bei frischen Uniabsolventen ist eine Einstellung mit einem großen Risiko für den Arbeitgeber verbunden – vor allem, wenn er noch keine praktische Erfahrung vorweisen kann. Darum: Seid euch bewusst, was euer Wissen und eure bisherigen Erfahrungen wert sind, aber überlegt auch, wie hoch der Beitrag ist, den ihr leisten könnt. Eine gute Möglichkeit besteht darin, ein niedrigeres Gehalt während der Probezeit zu vereinbaren und nach den sechs Monaten eine garantierte Lohnanhebung zu vereinbaren. So haben beide Seiten eine Testphase und können danach im gegenseitigen Einverständnis in eine langfristige Zusammenarbeit investieren.
Wann ist der richtige Zeitpunkt für die Bewerbung?
Achtet darauf, während des Studiums mehrere Praxisphasen zu durchlaufen. Fragt in den Unternehmen nach, wann ihrer Meinung nach ein guter Zeitpunkt für eine Bewerbung ist. Nutzt Chancen. Ich habe meinen Einstieg in das Berufsleben auch durch ein Praktikum gefunden. Ich „musste“ für mein Studium ein Praktikum absolvieren, und während dieser Zeit wurde mir eine Stelle angeboten. Ich stand vor der großen Frage: Weiter das Studentenleben genießen, oder die Chance ergreifen und den Berufseinstieg in einer großen öffentlichen Einrichtung mit tollen Perspektiven wagen? Ich entschied mich für die Stelle. 40 Stunden die Woche arbeiten und parallel das 3. und 4. Semester mit all seinen Prüfungsleistungen inklusive der Masterarbeit zu erledigen war absolut kein Spaziergang. Ich musste drei Urlaubssemester nehmen, um alles zu schaffen, doch am Ende hatte ich bereits zwei Jahre Berufserfahrung und meinen Abschluss. Im Gegensatz zu einer Kommilitonin, die sich genauso viel Zeit gelassen hat, die nach dem Studium aber ohne Job dastand.
Trainee/ Volontariat oder Direkteinstieg?
Ich persönlich würde immer den Direkteinstieg bevorzugen, aber da ist jeder anders. Wichtig ist, dass das Tempo passt, in dem man die Karriereleiter hochklettern möchte, die Nachhaltigkeit der Einarbeitungsphase und die Perspektiven in der jeweiligen Anstellung. Aber manche großartigen Stellen gibt es nur über ein Trainee-Programm. Viele dieser Unternehmen geben sich große Mühe, diese Zeit gut zu gestalten und Übernahmen zu ermöglichen. Prüft genau nach, was euch angeboten wird. Lasst euch einen Zeitplan vorlegen und fragt nach, welche Mentoren-, Weiterbildungs- oder Unterstützungsangebote es gibt. Wenn ihr nur als billige Arbeitskraft genutzt werdet, sucht euch was anderes.
Wie wichtig ist die Abschlussnote?
Konntet ihr erst einmal persönlich überzeugen, spielt die Abschlussnote eine eher untergeordnete Rolle. Aber wenn es um schriftliche Bewerbungen geht, sind sie ein wichtiges Kriterium, um euer Können einzuschätzen. Wir wissen alle, dass Noten zu einem gewissen Teil subjektiv sind. Doch an irgendetwas müssen sich Personaler orientieren, und neben Optik und Aufbau einer Bewerbung spielen die Noten eine gewisse Rolle.
Starthilfe Karrierecoach
Will der Start ins Berufsleben nicht so richtig klappen, gibt es immer die Möglichkeit, sich Hilfe von außen zu holen. Ein Coach ist immer dann gefragt, wenn ihr alleine nicht mehr weiterkommt. Es geht dabei oftmals weniger um fachliche Inhalte, als um Methoden auf der Metaebene. Coaches helfen euch dabei herauszufinden, was ihr wirklich wollt. Gemeinsam hinterfragt ihr vorgefertigte Annahmen und erweitert eure Handlungsspielräume durch die Einnahme verschiedener Blickwinkel. Coaches kennen die richtigen Fragen, mit deren Hilfe ihr euch orientieren könnt.
Die Chancen, die sich jungen Informatikern und Ingenieuren gerade jetzt bieten, sind zahlreich. Gerade diese Chancenvielfalt kann auch eine Herausforderung darstellen, denn man will natürlich den perfekten Start in die eigene Karriere zu absolvieren. Doch mit den richtigen Überlegungen und sorgfältiger Auswahl auf dem Arbeitsmarkt lässt sich auch diese letzte Hürde meistern, und der Absolvent kann sich nun endlich in seinem Fachgebiet frei entfalten.
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Judith Winter ist davon überzeugt, dass es für jeden den richtigen Job gibt. Ihren Master in Erziehungswissenschaft schloss sie 2015 an der Uni Oldenburg ab und gründete 2017 die Karriereberatung „AußerGewöhnlich“. Mehr dazu online unter www.aussergewoehnlich.online.