Beim Blick auf den persönlichen Lebenslauf kommt bei Bewerbern oft die Sorge auf, denn nicht alle Lebensabschnitte lassen sich mit einem Praktikum oder Job füllen. Lücken im Lebenslauf galten bisher als Problem, das von Recruitern möglicherweise als Faulheit oder persönlicher Misserfolg interpretiert und der Bewerber deswegen nicht in Betracht gezogen wurde. Doch mit dem Wandel der Arbeitswelt wandelt sich auch die Sicht der Personaler bezüglich Lebensläufen – Lücken verlieren zunehmend ihre negativen Konnotationen.
Lüge statt Lücke? Keine gute Idee!
Grundsätzlich spricht man von einer Lücke, wenn man mehr als zwei Monate keinem Studium, Job oder Praktikum zuordnen kann. Beim Verfassen eines Lebenslaufs fällt das auf, wenn zwischen den einzelnen Abschnitten längere Zeiträume liegen, die man nicht mit einem Zeugnis begründen kann.
Die erste Reaktion darauf ist oft, die Lücke mit einer kleinen Lüge zu füllen – man sollte diesem Drang allerdings auf keinen Fall nachgeben. Personaler erkennen Lügen und Unstimmigkeiten meistens auf den ersten Blick und kennen Tricks wie das Weglassen von Monatsangaben nur zu gut. Selbst wenn eine Lüge anfangs auf Papier durchkommt, wird sie spätestens beim persönlichen Gespräch enttarnt, wenn man genauer auf seine Angaben eingehen und diese auch beweisen muss. Wenn die Lüge dann auffliegt, entsteht nicht nur eine peinliche Situation für den Bewerber, sondern auch ein glasklarer Grund, das Vorstellungsgespräch direkt zu beenden.
Lieber sollte man die Lücke wahrheitsgetreu in ein positives Licht rücken, indem man auf die Erlebnisse und Lektionen während dieser Zeit aufmerksam macht. Wenn es beispielsweise eine herausfordernde Situation war, könnte man möglicherweise persönliches Wachstum nachweisen – also inwiefern man daran gereift und sich als Persönlichkeit weiterentwickelt hat.
Die Arbeitswelt im Wandel
Allgemein sind Lücken keine Seltenheit mehr, denn Studenten oder Absolventen machen zunehmend Gebrauch von den weitreichenden Möglichkeiten, die sich ihnen heutzutage bieten. Sprach- oder gar Weltreisen, der Versuch ein Start-up aufzubauen oder auch einfach eine Auszeit vom Lernen oder Arbeiten – die Mentalität hat sich gewandelt. Die persönliche Entwicklung ist nun das, was an erster Stelle steht, selbst wenn man sich dafür eine längere Pause vom Alltag nehmen muss. Auch der berufliche Werdegang verläuft mittlerweile anders als noch vor 20 Jahren. Ein Berufswechsel nach ein paar Jahren ist nichts Ungewöhnliches und somit nichts Negatives mehr und wird nicht als Zeichen von mangelnder Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber gesehen. Je nach den Eigenarten des Personalers setzt er oder sie vielleicht sogar voraus, dass alle 3 bis 5 Jahre die Position gewechselt werden muss, um nicht nur in einem Bereich berufliche Erfahrung gesammelt zu haben.
Viele Personaler haben sich also an diese Veränderungen angepasst und ihre Einstellung bezüglich Lebensläufen geändert, sind offener geworden und suchen manchmal sogar gezielt nach Kandidaten mit interessantem „unordentlichen“ Lebenslauf oder gar nach kompletten Quereinsteigern, die wertvolle Fähigkeiten und einen erweiterten Horizont mit sich bringen. Lücken sind nun weniger ein Problem, sondern für viele sogar eine interessante Potenzialquelle, die den Bewerber noch geeigneter machen könnte. Denn solche Bewerber besitzen oft Qualitäten, die sie sich vor allem währen dieser „Lücken“ angeeignet haben und die andere Bewerber mit einem gradlinigen Lebenslauf nicht besitzen.
Manche Lücken können auch sehr positiv sein, wenn man sie nur richtig erklärt. Die Pflege eines Familienmitglieds zeugt von Fleiß und Hilfsbereitschaft, der Aufbau eines Start-ups von Eigenständigkeit und Ideenreichtum. Im Familiengeschäft unterstützen hilft, nützliche Erfahrung zu sammeln und Verantwortung zu tragen, ein längerer Aufenthalt im Ausland stärkt die Sprachkenntnisse und die Sozialkompetenzen. Selbst wenn eine Situation auf den ersten Blick wie eine Lücke aussieht, kann man während dieser Zeit viele sinnvolle Lektionen gelernt und Erfahrungen gesammelt haben – man muss dies nur den Personalern deutlich machen.
Es kann auch Zeiten geben, in denen man trotz Anstrengung lange keinen Job finden kann. Auch das sollte man im Lebenslauf vermerken. „Arbeit suchend“ klingt dabei besser als „Arbeitslos“ und deutet darauf hin, dass man sich um einen Arbeitsplatz bemüht hat. Man sollte den Recruitern auch zeigen, dass man während dieser Zeit nicht auf der faulen Haut gelegen, sondern gezielt Schritte unternommen hat, um wieder Arbeit zu finden oder sich weiter zu qualifizieren. Das können Sprach- oder Computerkurse, Weiterbildungen oder Fachmessen sein, auch ehrenamtliche Arbeit wird gerne gesehen. Das Wichtigste ist, Motivation und Eigeninitiative zu zeigen, selbst wenn die Arbeitssuche nicht perfekt verläuft. So kann man die Lücke füllen und sich gleichzeitig wertvolle Fähigkeiten aneignen. Das eigentliche Problem ist also: Als Interessent und damit Außenstehender hat man seltenst Einblicke, mit welcher Art von Personaler man es zu tun haben wird.
Perfektion und Glück
Ob Lücke oder nicht – die Formalia des Anschreibens und des Lebenslaufs sollten trotzdem perfekt sein. Das heißt, dass Rechtschreibung, Grammatik und Format fehlerfrei sein müssen, denn jeder Fehler könnte die Bewerbung in den Müll befördern.
Manchmal allerdings helfen weder das perfekte Layout, noch die eloquent formulierten Sätze im Anschreiben – 90 % der Bewerbungsunterlagen werden in der Regel einfach aussortiert, weil die Anzahl an Bewerbungen an das Unternehmen sehr hoch ist. Glück spielt eine große Rolle im Bewerbungsprozess, denn bis man so weit ist, die Recruiter im persönlichen Gespräch von sich zu überzeugen, müssen erst die eigenen Unterlagen aus dem Pool von Bewerbungen gefischt werden – worauf man im Endeffekt keinen direkten Einfluss hat. Man sollte sich von Absagen jedoch nicht entmutigen lassen und sich weiterhin fleißig bewerben.
Grundsätzlich gilt: Ein ordentlicher, fehlerfreier und vollständiger Lebenslauf ist immer noch das, was sich die meisten Personaler wünschen. Mit der Vollständigkeit kann man nun insoweit flexibel sein, dass man nicht nur Praktikum an Praktikum gereiht haben muss, sondern auch mal einen Auslandsaufenthalt oder anderweitige Erfahrungen angeben kann – solange man diese begründen und positiv darstellen kann. Gut dargestellte Lücken sind selten ein echtes Ausschlusskriterium, solange sie erklärt werden können und von Bedeutung für den Bewerber waren – also Mut zur Lücke!
Text von Julia Radziszewski
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