Wir alle wachsen mit den Grundprinzipien der Leistungsgesellschaft heran. Magdalena Sporkmann verfügt selbst über keinen besonders „geraden“ Lebenslauf. Was bei manchen Personalern noch für Schnappatmung sorgt, ist das Ergebnis davon, dass die Autorin des Buchs „Best Job Ever“ sich nicht aufhalten ließ und gerne neue Themen erarbeitet. Welche Tipps sie für angehende Berufseinsteiger:innen hat, verrät sie im Gespräch mit HI:TECH CAMPUS.
Sie beginnen Ihr Buch mit einer deutlichen Kritik an der Gesellschaft, deren Leistungsprinzip und differenzieren direkt zwischen „Arbeit“ und „Erwerbsarbeit“. Warum war es Ihnen wichtig, dass die Leser:innen damit einsteigen?
Unsere Leistungsgesellschaft ist im Kern ungerecht, weil sie nur bestimmte Tätigkeiten als Leistung bewertet – und zwar jene, die sich monetarisieren lassen. Ich denke, es ist wichtig, diesem Leistungsdiktat nicht blind zu folgen, sondern mit einem unternehmerischen Mindset an die Arbeit zu gehen, wie ich es in meinem Buch „Best Job Ever“ beschreibe. Dazu gehört, für sich selbst zu definieren, was man leisten möchte. Man sollte eine Vision für das eigene Berufsleben entwickeln und sich dann immer wieder eigene Ziele setzen – unabhängig von Vorgesetzten oder Bezahlung.
Wie werde ich Ihrer Meinung nach in der Leistungsgesellschaft beruflich langfristig glücklich?
Berufliche Unzufriedenheit ist nicht zwingend ein individuelles Problem, sondern häufig Resultat unserer Arbeitskultur mit steilen Hierarchien, starren Arbeitsmodellen und Diskriminierung. Viele Arbeitnehmer:innen sind unzufrieden und wünschen sich mehr Anerkennung, Mitbestimmung sowie flexiblere Arbeitsmodelle. Frauen erleben in der Arbeitswelt immer noch Benachteiligungen und Hürden. Sie verdienen nicht nur weniger, sondern erhalten auch weniger Anerkennung und Aufstiegschancen. Zudem haben sie es besonders schwer, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Während es Aufgabe von Politik und Arbeitgeber:innen ist, die Arbeitsbedingungen den Bedürfnissen der Arbeitnehmer:innen anzupassen, kann auch jede:r Einzelne den Berufsalltag mehr nach eigenen Wünschen und Werten gestalten.
Selbstverständlich muss jede:r von uns darauf achten, ein ausreichend hohes Einkommen zu erwirtschaften. Aber ich würde meinen Berufsalltag immer zuerst inhaltlich nach meinen Vorstellungen gestalten und dann schauen, wie ich die monetäre Wertschätzung für meine Arbeit bekommen kann, etwa durch Gehaltsverhandlungen, Weiterqualifikationen oder den Wechsel in eine Branche mit höherem Lohnniveau.
Wieso erachten Sie eine emotionale Bindung an Arbeitgeber als erfolgskritisch, wo es beim Konzept „Erwerbsarbeit“ eigentlich nur um einen vertraglich vereinbarten Austausch von Leistungen geht?
Die Identifikation mit der eigenen Arbeit und dem Arbeitgeber beziehungsweise der Arbeitgeberin – die emotionale Bindung – ist ein besonders starker und nachhaltiger Motivator. Sie basiert auf verschiedenen Faktoren, etwa Übereinstimmung der Werte und Ziele, Arbeitsatmosphäre, Feedbackkultur und Mitbestimmungsmöglichkeiten. Die emotionale Bindung sollte allerdings Grenzen haben. Wer seine gesamte Identität auf seine Berufstätigkeit aufbaut, begibt sich in einen enormen Leistungsdruck. Arbeit ist leichter und erfüllender, wenn sie uns etwas bedeutet, aber sie sollte nicht unser einziger Sinngeber im Leben sein.
Wenn ich als Hochschulabsolvent:in nun den Urwald der offenen Stellenausschreibungen betrete: Auf welche Faktoren sollte ich potenzielle Arbeitgeber im Vorfeld prüfen?
Studien zeigen, dass insbesondere ein hoher Grad an Mitbestimmungsmöglichkeiten und flexible Arbeitsmodelle zu einer hohen Arbeitszufriedenheit beitragen. Bewerber:innen sollten also bei potentiellen Arbeitgeber:innen nach flachen Hierarchien, einem gewissen Maß an eigenverantwortlicher Arbeit, nach Home Office und Vertrauensarbeitszeit Ausschau halten.
Individueller aber nicht minder wichtig sind ein gutes Arbeitsklima, eine Tätigkeit, die als spannend und auch ein bisschen herausfordernd wahrgenommen wird, sowie eine wertschätzende Feedbackkultur. Ob diese Faktoren gegeben sind, kann man oft erst herausfinden, wenn man einen Job schon begonnen hat. Nicht selten hängen ein gutes Arbeitsklima und eine wertschätzende Kommunikation auch an einzelnen Menschen, mit denen man im Job direkt zu tun hat. Da kann man Glück oder auch Pech haben.
Last but not least ist auch ein angemessenes Gehalt wichtig. Ich empfehle, dieses grundsätzlich im Vorstellungsgespräch zu verhandeln und sich nicht mit dem initialen Angebot zufrieden zu geben – sofern das Gehalt nicht tariflich festgelegt ist.
Eine bekannte Romance-Autorin (Anabelle Stehl) verwendete in ihren Büchern den Satz „Scham stirbt, wenn Geschichten erzählt werden.“ Sie sagen etwas ganz ähnliches – „Scham erstickt dein Potenzial“. Wie vermeidet man diese Falle?
Wir alle empfinden hin und wieder Scham oder die Angst davor, dass wir etwas tun, wofür wir uns schämen werden. Diese Gefühle sind normal, aber sehr hinderlich. Sie treten normalerweise auf, wenn wir unsere Komfortzone verlassen wollen, etwa weil wir etwas Neues ausprobieren möchten – und halten uns häufig zurück. Um den eigenen Horizont und die Palette der eigenen Fähigkeiten zu erweitern, ist es aber absolut entscheidend, bekanntes Terrain zu verlassen. Wer sich von Angst und Scham zurückhalten lässt, bringt sich um die Chance, zu wachsen.
Berufliche Zufriedenheit etwa erreichen wir oft nur auf Umwegen. In diesem Prozess müssen wir auch öfter mal unsere Komfortzone verlassen. Das beginnt vielleicht schon in der Ausbildung, wenn wir uns eingestehen, dass das gewählte Studienfach doch nicht das richtige ist und nochmal neu anfangen. Später kostet es viele Überwindung, mehr Gehalt, flexiblere Arbeitszeiten oder größere Verantwortung zu fordern. Sich in solchen Momenten nicht von Scham zurückhalten zu lassen, ist wichtig, um sich langfristig selbst im Berufsalltag gerecht zu werden.
Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Wie können Hochschulabsolvent:innen schon bei ihrem ersten Job dazu beitragen?
In meinem Buch „Best Job Ever“ vertrete ich die These, dass unternehmerisches Denken und Handeln im Beruf zu mehr Erfüllung und Freude führt – und zwar egal, ob man angestellt oder selbständig ist. Dazu gehört, sich über die eigenen Ziele und Prioritäten klar zu werden und diese entschlossen zu verfolgen. Wer unternehmerisch denkt und handelt, agiert aktiv, statt einfach nur zu reagieren. Das bedeutet auch, zu fordern, was mir wichtig ist, statt darauf zu warten, dass ich es bekomme. Berufseinsteiger*innen sollten also selbstbewusst vertreten, was ihnen persönlich wichtig ist. Inwieweit diese Anforderungen realistisch in ihrem Job umgesetzt werden können, zeigt sich dann in der Verhandlung mit Vorgesetzten. Aufgrund des aktuellen Fachkräftemangels haben Angestellte aber gute Chancen, mit ihren Forderungen Gehör zu finden. Wenn Berufseinsteiger:innen also die Arbeitsbedingungen einfordern, die ihnen wichtig sind, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie damit auch den Arbeitsmarkt verändern.
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