Eigentlich sollte die Gleichberechtigung von Frauen in Unternehmen längst selbstverständlich sein. In der Praxis zeigt sich aber, dass es noch ein langer Weg bis zur vollständigen Emanzipation ist. Frauen mit Ambitionen müssen sich weiterhin männlichem Verhalten anpassen, geraten dabei aber schnell in einen Rollenkonflikt. Viele Frauen leiden unter dem dadurch entstehenden Druck, während die Führungsebenen weiter von Männern besetzt werden. Dabei würden auch Unternehmen davon profitieren, das weibliche Potential zu nutzen. Ein Beitrag von Felix Maria Arnet, Autor von „So kommen Frauen in Führung“.
Spezielle Förderprogramme für Frauen und Maßnahmen zur Gleichberechtigung sollen sicherstellen, dass Männer und Frauen in Unternehmen auf einer Stufe stehen. Dabei zeigen die diversen Maßnahmen aber eigentlich das Gegenteil: Spezielle Programme sind nötig, da Frauen ansonsten kaum in Führungspositionen gelangen. Daran haben auch politische Initiativen wie die Frauenquote nichts geändert. Noch immer verdienen Männer durchschnittlich 23 Prozent mehr, in den Vorständen sind Frauen eher die Ausnahme.
Das Problem sind meist fest verankerte Rollenbilder, die sich nicht einfach per Gesetz oder per Dekret des Unternehmens ändern lassen. Diese Stereotype sind kein rein männliches Problem, viele Frauen sind psychologisch selbst auf weibliche Klischees getrimmt, von denen sie sich nur schwer lösen können. Der Konflikt zwischen erwartetem weiblichem und eher männlich konnotiertem Verhalten stellt eine hohe Hürde dar, an der viele Karrieren irgendwann versanden.
Ein weibliches Dilemma
Der Kampf um Anerkennung und Aufstieg geht oft damit einher, dass sich Frauen entgegen eigener und gesellschaftlicher Erwartungen verhalten müssen. Verschiedene Rollenklischees setzen Frauen mit Führungsambitionen unter Druck und erschweren es, gleichzeitig sympathisch zu bleiben und sich trotzdem durchzusetzen.
Die Erwartungshaltung legitimiert bei Männern das Streben nach Macht und Erfolg, während dieses Verhalten bei Frauen als untypisch bewertet wird. Facebook CEO Sheryl Sandberg, von Forbes Magazine einst zur fünftmächtigsten Frau der Welt gekürt, beschreibt dieses Phänomen in ihrem Buch „Lean In – Frauen und der Wille zum Erfolg“: „Erfolg und Beliebtheit korrelieren bei Männern positiv und bei Frauen negativ. Wenn ein Mann erfolgreich ist, wird er von Männern wie von Frauen gemocht. Wenn eine Frau erfolgreich ist, mögen Menschen beiderlei Geschlechts sie weniger gern.“
Eine Studie der Columbia Business School im Jahr 2003 hat ergeben, dass der Anteil der Studenten, die die Vita einer Unternehmerin namens Heidi Roizen zu lesen bekamen, die durch ihre kontaktfreudige Persönlichkeit und ihre Einbindung in berufliche und private Netzwerke zu beachtlichem unternehmerischen Erfolg gekommen war, als weniger sympathisch und sozialkompetent eingeschätzt wurde, als die andere Hälfte der Studenten, die die exakt wortgleiche Fallstudie bearbeiteten – mit dem einzigen Unterschied, dass man hier aus „Heidi“ einen „Howard“ machte. Dieses Beispiel zeigt, wie erlernte Rollenbilder Menschen unterschwellig beeinflussen können. Während offensives Verhalten von Männern eher akzeptiert wird, wird es bei Frauen als aggressiv-dominant wahrgenommen. Der Kampf um Anerkennung und Aufstieg geht deshalb oft damit einher, dass sich Frauen entgegen eigener und gesellschaftlicher Erwartungen verhalten müssen. Frauen stehen daher viel mehr unter Druck und müssen sich oftmals für Erfolg unbeliebt machen, was psychischen Stress bedeutet. Männern dagegen wird es zugestanden, sich um den eigenen Erfolg zu bemühen und um Macht zu kämpfen.
Frauen in Führung – Wie löst man den gordischen Knoten?
Unterbewusste Rollenbilder sind über Generationen gewachsen und lassen sich nicht per Befehl von oben aus Unternehmenskulturen ausmerzen. Unternehmen können zwar beim Verdienst und über spezielle Karriereprogramme einiges für Gleichberechtigung tun und damit auch die Belegschaft sensibilisieren. Individuelle Persönlichkeiten und soziale Gebilde können aber nicht so einfach verändert werden. Dennoch gibt es einige Tricks und Kniffe, die ’frau’ durchaus erfolgreich anwenden kann und die in vielen Coaching-Programmen bereits vermittelt werden. So hat beispielsweise der Dax 30 – Konzern The Linde Group, das Programm „Frauen in Führung – Fit für die Zukunft“ entwickelt, in dem Frauen für Ihre Karriereplanung geschult werden und das nötige Selbstvertrauen vermittelt bekommen, um sich auf der Führungsebene zu positionieren. Denn hier liegt ein Kernproblem: Viele Frauen, wie auch Sheryl Sandberg, leiden besonders zu Beginn ihrer Karriere unter dem sogenannten „Hochstapler-Syndrom“, also dem ständigen Gefühl, die eigenen Leistungen wären ungenügend und der Angst, damit aufzufliegen. Dies ist in der Tat ein überwiegend weibliches Phänomen – Männer neigen eher dazu, ihre Leistung zu überschätzen. Das beginnt schon bei der Stellenausschreibung: Männer halten sich selbst oft für Stelle geeignet, sobald sie nur wenige der ausgeschriebenen Anforderungen erfüllen. Frauen dagegen neigen dazu, sich auf unerfüllte Punkte zu konzentrieren und eher von einer Bewerbung abzusehen.
„Es gibt keine Gifte – es ist alles eine Frage der Dosierung.“ – Paracelsus
Auch mit dem nötigen Selbstvertrauen stellt sich die Frage, wie der Rollenkonflikt von Frauen gelöst werden kann. Die Auflösung der Rollenbilder wird ein jahrelanger Prozess sein, auf den Frauen mit Karriereambitionen nicht warten können. Aus diesem Grund wird es leider nötig sein, sich den Gegebenheiten ein Stück weit anzupassen: Frauen dürfen natürlich nicht kleinbeigeben, aber ein rein männlich-egoistisches Auftreten verspielt schnell Sympathien, auf die eine Führungskraft angewiesen ist. Daher ist eine Kombination aus erwarteter Freundlichkeit und gleichzeitig klarer Kante in Verhandlungen am erfolgversprechendsten. Eine Art „nachdrückliche Freundlichkeit“ sorgt gleichzeitig für ein eher typisch weibliches Auftreten und eine Autorität, die Respekt abnötigt. Die richtige Dosierung ist die Kunst, mit der sich aus einem Konflikt das Beste aus beiden Rollenbildern verbinden lässt. Um das richtige Maß zu finden, folgende Tipps:
- Definieren Sie klar die Werte, auf deren Grundlage Sie handeln möchten. Streben Sie danach, diesen Werten gerecht zu werden, aber versuchen Sie nicht, per se „nett“ zu sein.
- Achten Sie auf Ihre nonverbale Kommunikation! Eine offene und expansive Körpersprache drückt Stärke aus und senkt gleichzeitig das Stressempfinden!
- Erfolg entsteht immer im Austausch mit anderen Menschen. Pflegen Sie systematisch Kontakte zu interessanten Menschen und machen sie sich „Netzwerken“ zu einer Gewohnheit.
Felix Maria Arnet (49) ist Executive Coach, Trainer, Vortragsredner und Buchautor. Sein neuestes Buch „So kommen Frauen in Führung!“ ist im Gabal Verlag erschienen. Der Wiesbadener gehört zu den führenden Beratern mit Fokus auf Selbstführung, Organisations- und Teamentwicklung.
Seit rund 25 Jahren berät er börsennotierte Unternehmen und Mittelstand. Seine Kompetenz ist gewachsen aus gelebtem Mut zum Risiko, grandiosem Scheitern und großen Erfolgen. 2014 bezeichnete das HANDELSBLATT Arnet als „Der Wirkungsspezialist“.
„So kommen Frauen in Führung!“ von Felix Maria Arnet und Katja Kruckeberg ist im GABAL Verlag erschienen. Der Ratgeber hilft Frauen dabei, sich im Unternehmensalltag zu behaupten und zu einer Führungskraft zu entwickeln.