
Im Silicon Valley wird gerade eine Handvoll Informatiker:innen wie Popstars gehandelt. Nicht für Stadiontouren, sondern für Codes und Modelle, die Künstliche Intelligenz auf das nächste Level heben. Wer an der richtigen Stelle forscht, kann heute Angebote bekommen, die selbst im Tech-Kosmos surreal wirken: Hunderte Millionen Dollar, teils schon im ersten Jahr.
Matt Deitke, 24 Jahre alt, verließ im Sommer sein eigenes Start-up und wechselte zu Meta. Dort soll er bis zu 250 Millionen Dollar verdienen – ein Betrag, bei dem selbst hartgesottene Silicon-Valley-Manager kurz schlucken müssen. Oder Ruoming Pang, lange bei Google, zuletzt Leiter des KI-Teams bei Apple: Auch er wurde von Meta mit einem Paket umworben, das über 200 Millionen Dollar wert sein soll. Die Szene diskutiert solche Wechsel inzwischen wie Fußballtransfers, inklusive Jubel, Häme und Schlagzeilen in den Tech-Podcasts.
Doch was macht diese Leute so begehrt? Dass es nicht reicht, „nur“ programmieren zu können, liegt auf der Hand. Diese Entwickler:innen bewegen sich an der Grenze zwischen Mathematik, Informatik und Ingenieurwissenschaft. Sie entwickeln neue Modellarchitekturen, finden Wege, gigantische Datensätze effizienter zu durchforsten, oder bringen Maschinen bei, Sprache, Bilder und Töne gleichzeitig zu verstehen. Viele haben ihre Laufbahn mit einem Studium in Informatik, Mathematik oder Elektrotechnik begonnen und dann auf höchstem Niveau geforscht: Promotionen in Berkeley, Stanford oder an der RWTH Aachen. Veröffentlichungen auf Konferenzen wie CVPR oder NeurIPS sind fast Pflicht.
Der Belgier Lucas Beyer ist dafür ein gutes Beispiel. Er studierte und promovierte in Aachen, forschte zu Robotern, die „sehen“ lernen, und landete später bei Google in Zürich. Dort war er Mitautor einer Arbeit, die als Meilenstein gilt: „Ein Bild ist 16×16 Worte wert“ – die Geburtsstunde der Vision Transformers, einer Architektur, die heute fast jedes moderne KI-System prägt. Beyers Name ist in der Fachwelt eine Marke. Kein Wunder also, dass auch er für Meta interessant wurde. Für IT-Studierende ergibt sich daraus: Wer in diese Liga will, braucht drei Dinge. Erstens: Tiefe technische Expertise – vom sicheren Beherrschen von PyTorch und TensorFlow bis hin zu den mathematischen Grundlagen in Optimierung und Statistik. Zweitens: Forschungserfahrung und Sichtbarkeit – also eigene Projekte, die zeigen, dass man Innovation nicht nur konsumiert, sondern vorantreibt. Und drittens: ein interdisziplinäres Profil – die Fähigkeit, mit Teams an komplexen Systemen zu arbeiten und über den eigenen Code hinauszudenken.
Auswirkungen von KI: Reite die Welle
Der Arbeitsmarkt fühlt sich 2025 für Berufseinsteiger:innen paradox an: Einerseits klagen Unternehmen über fehlende Tech-Skills, andererseits sind klassische Einstiegsrollen seltener geworden – vor allem dort, wo Aufgaben klar beschrieben, repetitiv und text- oder datenbasiert sind. Stepstone zeigt: Der Anteil ausgeschriebener Einstiegsjobs lag im ersten Quartal 2025 um 45 % unter dem Fünfjahresdurchschnitt.
Gleichzeitig berichten Analysen aus der Tech-Szene, dass speziell Junior-Stellen in der Softwareentwicklung deutlich schneller ausgedünnt werden als Senior-Profile; Indeed beziffert das Minus bei Junior-Ausschreibungen in Deutschland seit 2020 auf rund 54 %. Wie passt das zur Klage über Fachkräftemangel? Der Widerspruch ist real – und erklärt sich durch eine Verschiebung der Nachfrage: Weg vom „Einsteigen und erstmal monotone Grundlagenarbeit erledigen“, hin zu Rollen, in denen du mit KI arbeitest, Verantwortung übernimmst und Wirkung nachweist. Zugleich warnt Bitkom in einer Langfrist-Studie, dass Deutschland bis 2040 rund 663.000 IT-Fachkräfte fehlen könnten – der Engpass betrifft jedoch nicht beliebige Profile, sondern stark spezialisierte Schnittstellen-Talente und Menschen mit Produktions-, Daten- und Sicherheitskompetenz.
Der zweite Teil des Puzzles: Unternehmen professionalisieren ihre Prozesse und messen Output stärker an Wirksamkeit statt an Stunden. Das senkt den Bedarf an reiner Zuarbeit – häufig die Domäne von Einsteiger:innen – und erhöht den Bedarf an „Job-ready Skills“. Einige Firmen gehen so weit, Neueinstellungen nur zu genehmigen, wenn belegt ist, dass KI die Aufgabe nicht übernehmen kann. Heißt das: schlechte Karten für Absolvent:innen? Nein – aber es heißt, dass du dein Profil anders aufbauen solltest. Prof. Erik Buchmann von der Universität Leipzig bringt es im folgenden Interview auf den Punkt: KI-Entwicklung ist mehr als Programmieren. Gefragt ist ein Bündel aus Grundlagen (Neuronale Netze, ML, NLP), „Horizontalen“ wie Datenschutz, Sicherheit, Ethik sowie Produktions- und Deployment-Know-how. Genau hier liegen deine Chancen, weil KI einfache Tätigkeiten tatsächlich wegrationalisiert – anspruchsvollere Arbeit jedoch wachsen lässt.
So stellst du dich smart auf das KI-Zeitalter ein:
- Praktisch werden statt nur Theorie zu pauken
Nicht nur über KI reden, sondern ausprobieren: kleine Projekte, Uni-Workshops oder Online-Kurse. Es reicht schon, wenn du lernst, wie man Daten sammelt, auswertet und in einen Prototyp bringt – Hauptsache, du kannst später zeigen: „Ich habe das wirklich schon gemacht.“
- Das große Ganze sehen
KI ist nicht nur Mathe und Programmieren. Es geht auch um Datenschutz, Sicherheit, Nachhaltigkeit und ethische Fragen. Wer diese Perspektiven mitdenkt, hebt sich von der Masse ab.
- Im Praktikum: Verantwortung von Tag 1 an übernehmen
Früher haben Junioren Routineaufgaben übernommen – das macht jetzt KI. Dein Vorteil: Du kannst direkt bei den spannenderen Projekten mitarbeiten. Zeige, dass du für ihren Erfolg von Beginn an echte Verantwortung übernehmen möchtest.
- Eine eigene Nische finden
Ob Medizintechnik, erneuerbare Energien oder Automobilbau – KI wird überall genutzt. Wenn du zusätzlich Fachwissen aus deiner MINT-Disziplin mitbringst, wirst du zum Schlüsselprofil. Mache dich dazu mit dem zeitlosen EKS-Prinzip nach Wolfgang Mewes vertraut.
- Dranbleiben und lernen
KI-Tools und Methoden ändern sich schnell. Wer neugierig bleibt und sich regelmäßig neue Fähigkeiten aneignet, bleibt im Spiel. Mache dich vor allem mit AI Agents und neuen Workflows vertraut und erarbeite dir den Vorteil, später als Bewerber:in, dann als „KI Native“ punkten zu können.
- Soft Skills zählen mehr denn je
Kommunikation, Teamwork und die Fähigkeit, anderen etwas verständlich zu erklären, sind durch KI nicht ersetzbar. Genau diese Fähigkeiten machen dich zur gefragten Schnittstelle zwischen Technik und Menschen.
- Neue Jobtitel ins Auge fassen
„Junior Entwickler“ ist vielleicht seltener geworden. Dafür entstehen neue Rollen wie „Datenanalyst:in“, „KI-Koordinator:in“ oder „Ethik-Expert:in für KI“. Sei offen für Stellen, die du vor zwei Jahren noch gar nicht kanntest.
- Wirkung sichtbar machen
Unternehmen schauen stärker darauf, was du bewirkst – nicht nur, was du gelernt hast. Zeig in Bewerbungen oder Vorstellungsgesprächen konkrete Beispiele: „Ich habe XY verbessert, Zeit gespart oder Ergebnisse verständlich dargestellt“. In einer studentischen Gruppe erster KI-Anwender zu werden, wäre ein guter Start.