Welchen gesellschaftlichen Stellenwert die Themen der Nachhaltigkeit erreichen können, lässt sich im Zuge der Fridays-for-Future-Bewegung und der Europawahl 2019 bereits erkennen. Auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft stehen die Zeichen zunehmend auf „nachhaltig“ – mit umso attraktiveren Chancen für Hochschulabsolventen, die hier ihren Fokus setzen.
Dabei geht die Idee des nachhaltigen Bauens, wie sie die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) verfolgt, weit über die reine Betrachtung von Fragen des Umweltschutzes und der Energieeffizienz hinaus. Ökologie ist wichtig, aber auch der Mensch als Gebäudenutzer sollte mit betrachtet werden. Schließlich halten wir uns bis zu 90 Prozent unserer Zeit in Gebäuden auf, weshalb der Einfluss auf unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden nicht unterschätzt werden sollte. Hinzu kommt die langfristige Wirtschaftlichkeit einer Baumaßnahme. Es sollte doch eigentlich selbstverständlich sein, dass wir so bauen, dass wir heute schon spätere Kosten in der Nutzung oder für Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen vorausschauend gering halten. Kosten auf spätere Generationen zu verschieben und damit Probleme in die Zukunft zu verlagern, kann sicher nicht die Lösung sein.
Das DGNB-System fußt auf einer solch ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtung, die Ökologie, Ökonomie und Soziales gleichgewichtet einschließt. Es ist das in Deutschland führende Zertifizierungssystem für nachhaltige Gebäude und Quartiere. Als Planungs- und Optimierungstool hilft es den am Bau Beteiligten, zukunftsfähige, hochwertige Projekte zu realisieren. Rund 5.000 Projekte weltweit haben dies bereits erfolgreich umgesetzt.
Aspekte wie eine Lebenszykluskostenberechnung oder eine Ökobilanz werden in der Zertifizierung genauso adressiert wie die Vermeidung von Schad- und Risikostoffen sowie die und Umnutzungsfähigkeit. Weitere Merkmale sind eine gute Innenraumluftqualität, ein hoher thermischer Komfort in allen Jahreszeiten, eine gute Akustik sowie hohe Aufenthaltsqualitäten im Innen- und Außenbereich. Auch Zukunftsthemen rund um die Effizienz im Umgang mit Ressourcen im Sinne einer Circular Economy sind gefragt. Insgesamt umfasst das DGNB System für Neubauten in seiner aktuellsten Version 37 Kriterien, die einen Beitrag zur Nachhaltigkeitsqualität eines Gebäudes leisten.
Probleme in die Zukunft zu verlagern, kann sicher nicht die Lösung sein
Dabei gibt es nicht den einen idealen Lösungsweg, der als Blaupause für alle Bauaufgaben gleichermaßen anwendbar ist. Jedes Projekt ist ein Stück weit individuell, weshalb es beim nachhaltigen Bauen immer auch um eine aktive Auseinandersetzung mit Zielkonflikten geht. Was sollte ich im Rahmen meines finanziellen Budgets am sinnvollsten umsetzen? Wo setze ich meine Schwerpunkte, ohne dass die übergeordnete Qualität darunter leidet? Die Kriterien und die dazugehörigen Indikatoren im Rahmen der Zertifizierung liefern hierfür wichtige Hilfestellungen. Um mit diesen Zielkonflikten und den Implikationen für ein Projekt zielführend umgehen zu können, braucht es jedoch Expertenwissen und Erfahrung. Genau hier liegen auch die Chancen für Absolventen im Ingenieurs- oder Architekturumfeld.
Wer sich in diesem Bereich spezialisieren will, kann die Angebote der DGNB Akademie nutzen. Schon parallel zum Hochschulstudium gibt es die Möglichkeit, ein entsprechendes Grundlagenwissen aufzubauen und einen ersten Titel als „DGNB Registered Professional“ zu erwerben. Hier arbeitet die DGNB eng mit rund 70 Universitäten und Hochschulen im In- und Ausland als Kooperationspartnern zusammen. Darauf aufbauend können sich die Absolventen zum DGNB Consultant und DGNB Auditor weiterbilden und damit aktiv in Zertifizierungsprojekten mitarbeiten.
Immer mehr Unternehmen suchen Fachkräfte, die hierauf spezialisiert sind, denn der Markt für nachhaltiges Bauen wächst seit vielen Jahren stetig. Ein Ende ist dabei noch nicht in Sicht. Im Gegenteil: Im Vergleich zum übrigen Immobiliensektor steigt der Anteil an zertifizierten Projekten überproportional an. Auch politisch gewinnt das Thema zunehmend an Bedeutung. Die Fokussierung rein auf Energieeffizienzmaßnahmen wird sich im Zuge von globalen wie nationalen Nachhaltigkeitsstrategien und Klimaschutzzielen zunehmend auflösen. Nachhaltigkeit im ganzheitlichen, integralen Sinne wird mehr und mehr gefragt sein. Es ist vielleicht das Thema unserer Zeit und hat die erste Hürde auf dem Weg zum neuen Normal erfolgreich genommen. Mit der nachkommenden Generation an jungen Ingenieuren und Planern, für die der Umgang mit diesem Themen immer selbstverständlicher wird, wird sich dies sicherlich nochmals verstärken.
Felix Jansen studierte an der Universität Duisburg- Essen Angewandte Kommunikations- und Medienwissenschaften (Master). Anschließend absolvierte er Stationen als Kommunikationsmanager, Referent für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie als Head of External Communications. 2015 wechselte er zur DGNB; aktuell ist er Abteilungsleiter PR, Kommunikation und Marketing.
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