Sie sind aus dem Alltag keineswegs wegzudenken, werden aber oftmals mit „Blutmetallen“ hergestellt: Batterien. Forschungsergebnisse von Prof. Birgit Esser, Universität Freiburg (in Zusammenarbeit mit Prof. Martin Winter vom Batterieforschungszentrum MEET in Münster) legen nun den Grundstein für eine potenziell bahnbrechende Innovation: Elektroden aus organischen Materialien statt Schwermetallen.
Prof. Esser, bitte beschreiben Sie die wesentliche Innovation Ihrer Batterie.
Wir haben ein neues Kathodenmaterial entwickelt, das auf einem Kunststoff basiert, und dieses mit Lithium als klassischem Anodenmaterial kombiniert. Unser Ziel war und ist weiterhin, die klassischen Schwermetalle einer regulären Batterie durch organische Materialien zu ersetzen. Das bringt den Vorteil mit sich, dass sie ressourcenschonender hergestellt werden. Das aktive Material in der Elektrode ist auf Kohlenstoffbasis hergestellt, also eine Verbindung, deren Zutaten aus Erdöl gewonnen werden. Die Schwermetalle einer gewöhnlichen Lithium-Ionen-Batterie werden zum großen Teil in Afrika unter menschenunwürdigen Bedingungen abgebaut, daher nennt man sie auch Blutmetalle. Langfristig ist unsere Idee, sogar Materialien zu entwickeln, die aus Biomasse zu gewinnen sind. Erste Ansätze gibt es dafür schon, aber die Forschung ist noch relativ neu.
Wie sind Sie auf das Material gestoßen?
Wie bei jeder guten Erfindung war da der Zufall im Spiel – wir haben viele Materialien ausprobiert und überraschend festgestellt, dass dieses sich so lange hat zyklisieren lassen. Anschließend haben wir viele Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, was diesen Kunststoff so besonders macht und wie sich das Material auf molekularer Ebene verhält. Beispielsweise haben wir die geladene Batterie auseinandergebaut und untersucht, in welchem Zustand sich das Polymer befindet. Dabei kam Elektronenmikroskopie genauso zum Einsatz wie normale Mikroskopie. Das Besondere war, dass die einzelnen Molekülgruppen nicht nur geladen waren, sondern entlang des Polymers miteinander wechselgewirkt haben. Das hat letztendlich zu der Stabilität geführt.
Ihrer Batterie wird besondere Stabilität zugesprochen. Was darf man darunter verstehen?
Das Konzept der Stabilität einer Batterie bezieht sich auf die Zyklisierbarkeit, also wie oft man sie laden und entladen kann. Unsere hat 10.000 Zyklen durchlaufen und das bei einer recht schnellen Rate von 3 Minuten pro Lade- und Entladegang. Die Kapazität der Batterie liegt bei einem Drittel der von Lithium-Ionen-Batterien. Allerdings lief unsere Batterie über 10.000 Zyklen mit der gleichen Leistung und ließ nicht nach, wie man das von Handy-Akkus nach etwa einem Jahr Laufzeit kennt.
Drei Minuten sind eine sehr kurze Zeitspanne – warum geht das so schnell?
Die Wechselwirkung zwischen den redox-aktiven Gruppen an den Seiten des Polymers führt dazu, dass die Elektronen schneller transportiert werden können. Zudem können in der Kunststoffelektrode Gegenionen schnell zum Ladungsausgleich insertieren oder zurück in den Elektrolyten wandern.
Gibt es Ergebnisse aus Tests hinsichtlich externer Einwirkungen wie Sonneneinstrahlung?
Nein, bisher haben wir immer bei Raumtemperatur getestet. Wir erwarten hier aber auch positive Ergebnisse, denn in schwermetallbasierten Batterien sind die aktiven Bereiche kristallin und daher sehr gut geordnet, was auch wichtig ist für ihre Funktion und für den Ladeprozess. Der Kunststoff unserer Batterie ist eher ungeordnet und daher könnten Temperaturunterschiede irrelevant sein.
Seit wann forschen Sie an dem Projekt?
Vor etwa fünf Jahren habe ich damit begonnen, als ich meine Forschungsgruppe nach dem Postdoc an der Universität Bonn aufgebaut habe. Etwa ein Jahr später habe ich die Kollaboration mit dem MEET initiiert. Mit dem Material, das wir jetzt verwenden, arbeiten wir seit zirka drei Jahren.
Welche war die größte Herausforderung?
Die Techniken, die momentan in der Batterieforschung vorhanden sind, sind auf Lithium-Ionen-Batterien optimiert. Bei organischen Materialien wie unseren muss man diese Prozesse anpassen, damit man überhaupt damit arbeiten kann. Das heißt, auch die Batteriehersteller werden zukünftig etwas umstellen müssen. Die Geräte bleiben zwar in etwa die gleichen, aber die Herstellungprozesse der Elektrodenmaterialien laufen anders.
Sofern die Batterie vollständig entwickelt ist und Marktreife erlangt hat – welche Anwendungen gäbe es?
Aktuell gehe ich davon aus, dass die Batterie erst in zirka fünf Jahren marktreif sein wird. Bisher haben wir natürlich ein Patent eingereicht und sind dabei, nach Industriepartnern zu suchen, um das weiterzuentwickeln oder auf Einsatzfähigkeit zu prüfen. Eine Batterie, bei der auch die Anodenseite auf einem Kunststoff basiert, wäre recht dünn und biegbar, eventuell sogar transparent. Insofern käme meines Erachtens zum Beispiel intelligente Kleidung in Frage. Dadurch, dass sie nicht giftig ist, kann sie überall dort eingesetzt werden, wo leichte Batterien nötig sind.
Werden die Produktionskosten konkurrenzfähig sein?
Final abschätzen lässt sich das noch nicht, weil die Synthese des Polymers bisher im Labor stattfand. Die Verbindungen sind aber keine speziellen, sodass sie vom Wert und Aufwand her auf jeden Fall vergleichbar sein können.
Was fasziniert Sie persönlich an diesem Projekt?
Zum einen motiviert es mich, das Problem Klimawandel mit anzugehen. Wir müssen versuchen, die Energieversorgung besser zu gestalten: Dazu muss giftiges und nicht nachhaltiges Material ersetzt werden. Außerdem gefällt mir die Kombination, denn als organische Chemikerin stelle ich nicht nur Materialien her, sondern wende sie direkt an, sodass ich am Ende ein konkretes Ergebnis in der Hand halte.
Birgit Esser ist seit 2015 Professorin für Molekulare, beziehungsweise Organische Funktionsmaterialien am Institut für Organische Chemie der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Zusammen mit Prof. Winter vom MEET forscht sie an einer Batterie, die frei von Schwermetallen ist.
Mehr Informationen zur aktuellen Forschung von Prof. Esser findest du auf der Website des Arbeitskreises Esser.
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