Edit 20. Juni 2022 – leider ist unser geschätzter Interviewpartner Johannes Kratzel gestern verstorben. Aus Respekt gegenüber seiner Arbeit und seiner Leidenschaft für den Wettbewerb haben wir uns dafür entschieden, das Interview online zu belassen. Unser tiefstes Mitgefühl gilt den Hinterbliebenen.
Anfang August 2019 geht es im wahrsten Sinne des Wortes rund auf dem Hockenheimring – viele studentische Teams stellen sich den Herausforderungen der Mobilität: bei der Formula Student 2019. Hitech-campus.de hat mit Johannes Kratzel gesprochen, einer der Organisatoren des Events und selbst ehemaliger Teilnehmer des Konstruktionswettbewerbs. Im Interview berichtet er vom besonderen Spirit der FSG sowie seinen Erwartungen an das diesjährige Event.
Johannes, du bist dieses Jahr (2019) das 13. Mal vor Ort. Wie bist du selbst mit der Formula Student in Kontakt gekommen?
Im Jahr 2007 wurde an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg das Team High-Octanes-Motorsports e.V. gegründet und ich durfte mich zu den glücklichen Mitgründern zählen. Seitdem hat mich der Formula-Student-Virus nicht mehr losgelassen.
Hast du selbst jemals in einer Kategorie gewonnen?
Einen Pokal konnten wir in den ersten Jahren leider nicht mit nach Hause nehmen – aber gewinnen konnte ich viel an Erfahrung und Praxis für das spätere Berufsleben, insbesondere im Nachhinein betrachtet.
2019 ist das dritte Jahr, in dem autonomes Fahren Teil der Challenge ist. Wie kam diese Erweiterung bei den Teams an und welche Erwartungen hast du an sie in diesem Jahr?
Im ersten Jahr waren wir uns auch unsicher, wie viele Teams die neue Herausforderung „Driverless“ bewältigen wollen. Im mittlerweile dritten Jahre können wir uns aber sicher sein: Die Richtung, die wir eingeschlagen haben ist die Richtige! Bei der Registrierung Anfang des Jahres haben sich fast doppelt so viele Teams beworben, wie wir Plätze anbieten konnten. Eine weitere Stärkung dieser Klasse ist durch eine Regeländerung ab 2021 geplant. Ich erwarte, dass die Sensorik der Rennwägen robuster wird und weniger anfällig auf Umwelteinflüsse reagiert. Die ersten Videos der Tests lassen außerdem deutlich höhere Geschwindigkeiten als letztes Jahr erwarten. Ich denke, es wird wieder ein spannender Wettbewerb werden.
Gerade im Bereich E-Mobilität wird gerade wieder einmal das Gewichtsproblem diskutiert: Nach einer Studie des Center Automotive Research aus Anfang 2018 spiele das Gewicht keine Rolle, erst neulich veröffentlichte der Spiegel einen gegenteiligen Beitrag. Spiegelt sich dieses Thema bei der FSG wider?
Bei der Formula Student ist die längste Disziplin der etwa 22 Kilometer lange Endurance. Entsprechend legen die Teams ihre Batterien auf diese Wegstrecke aus – was mit den Zielen der Automobilhersteller von den Reichweiten nicht vergleichbar ist. Mehr Fahrzeug-Masse bedeutet bisher immer auch einen höheren Verbrauch, egal ob der Antrieb auf elektrischer Energie oder fossilen Energieträgern basiert. Wenn man die letzten zehn Jahre Revue passieren lässt, muss man aber eindeutig feststellen, dass die Teams mit Leichtbau und Gewichtseinsparung den Verbrauch optimiert haben. Die ersten Fahrzeuge brachten häufig mehr als 250 Kilogramm auf die Waage, die aktuellen leichtesten Fahrzeuge wiegen dagegen gerade einmal noch 170.
Du erwähntest, dass das Gelände umgebaut wurde – wie wirkt sich das auf die FSG und vielleicht sogar Herausforderungen wie Driverless aus?
Stand Juni 2019 wissen wir leider noch nicht, in wie weit die Umbaumaßnahmen am Hockenheimring bis Anfang August, also zum Event, fortgeschritten sein werden. Es wird vermutlich Veränderungen bei der Einfahrt zum Gelände mit einem kleinen Umweg geben; die Parkplätze für Anhänger und Transporter der Teams müssen wir von der Rückseite des Ladezeltes an einen etwas weiter entfernten Ort verlegen, da uns die bisherigen Flächen nicht mehr zur Verfügung stehen.
Für die Disziplinen erwarte ich aber keine Einschränkungen. Letztlich werden wir erst tatsächlich am Samstag vor Ort beim Beginn des Aufbaus sehen, was uns wirklich erwartet und etwas improvisieren. Das ist aber auch eine interessante Herausforderung, denn auch im Berufsleben kommt man immer in Situationen, in denen man nicht zu 100 Prozent vorplanen kann.
Gab es ein Jahr, in dem du von einem Team besonders beeindruckt warst und wenn ja, warum?
Ehrlich gesagt ist es schwierig, sich auf ein einzelnes Team zu beschränken. Ich finde es jedes Jahr wieder beeindruckend, was die Studierenden neben dem Studium leisten und welches Niveau mittlerweile erreicht wurde. Zwei Dinge, an die ich mich besonders erinnere, möchte ich dennoch kurz erwähnen: Zirka 2008 ist ein Team nur mit einem PKW und Reisetaschen angekommen – und ihrem Auto in Einzelteilen, weil ein anderer Transport zu teuer gewesen wäre. Sie haben es vor Ort tatsächlich mit der Unterstützung anderer Teams geschafft, ihren Rennwagen zusammenzubauen und einige Runden zu fahren. Mit diesem Hintergrund hatten sie sich auf jeden Fall in die Herzen der Zuschauer gefahren.
Eine zweite Erinnerung ist an das Jahrhunderthochwasser im Juni 2013 von Isar und Donau. Der Stadtteil Fischerdorf von Deggendorf und die Werkstatt des dort ansässigen Teams wurde ein Raub des Hochwassers, aber das Team hatte bis zuletzt nicht aufgegeben und nach Aufgabe der Werkstatt zumindest versucht, den Stadtteil zu retten und die Feuerwehren mit Sandsäcken zu unterstützen. Durch die großartige Unterstützung vieler anderer Teilnehmer in Form von Material und Fertigungskapazitäten war es ihnen noch möglich, am Wettbewerb teilzunehmen. Ein weiteres Beispiel für den großartigen Spirit der Formula Student-Familie.
Wenn du den Teilnehmern zwei ultimative Tipps geben könntest – welche wären das?
Legt den Fokus auf beide Disziplinen – die statischen und die dynamischen. Nur, wer in allen Bereichen vorne mit dabei ist, kann letztlich auf dem Treppchen stehen. Nutzt dazu den Austausch untereinander, bleibt im Kontakt mit den Alumni, um nicht die gleichen Fehler zweimal zu machen und tauscht euch auch mit den anderen Teams aus. Hier kommt wieder der Spirit der Formula Student-Familie zum Tragen, also dass man nicht wie in der Formel 1 alles geheim hält, sondern die Teams meist offen für Diskussionen und Austausch sind.
Mehr Informationen zur FSG findest du hier.
Interview: Nachbericht zur Formula Student 2018, Dr. Ludwig Vollrath
Erfahrungsbericht: StarkStrom aus Augsburg, das Gewinnerteam 2018
Interview: MunicHMotorsport über das erste Jahr Driverless bei der FSG 2017