Beim Namen „Gates“ werden sehr viele Menschen sehr hellhörig – um Bill Gates soll es aber an dieser Stelle nur am Rande gehen. Melinda Gates arbeitet bei und leitet vor allem die Bill & Melinda Gates Foundation, die sich wohltätigen Zwecken verschrieben hat.
Viele der Einsätze konzentrieren sich auf Frauen – aber nicht in dem Sinne, als dass westliche Frauen mehr miteinander Mittagessen gehen sollten (Netzwerk-Treffen), sondern dort, wo niemand gern hinschaut. Die Mitarbeiter der Stiftung bauen nicht einfach ein Krankenhaus in eine entlegende Gegend Afrikas, sondern hören erst einmal zu: Der absolute Kern zum Erfolg. Denn wer nicht weiß, wo er ansetzen muss, der setzt höchstwahrscheinlich falsch an und löst damit kein einziges Problem.
Melinda Gates illustriert dieses Vorgehen anhand vieler praktischer Beispiele, in deren Zentrum am Ende immer die Frauen stehen. Das reicht von Verhütungsthemen, gesellschaftlichen Regeln, schlimmen Praktiken wie der Beschneidung bis hin zu strukturellen Problemen. Manchmal wird es auch keine Lösung des Problems geben, sondern nur eine Verbesserung – denn alle Faktoren lassen sich mitunter nicht beeinflussen.
Mithin liest sich dieses Buch aus vielen perspektiven gut – ein wenig gewährt es Einblick in die Arbeit einer NGO und Entwicklungsarbeit. Eine andere Perspektive entsteht, wenn man als Leserin den Bezug zu sich zieht und erkennt, wie privilegiert man selbst ist. Selbst dann, wenn man hierzulande nicht zur Mittelschicht gehören mag, gibt es viele strukturelle Gegebenheiten, die im Gegensatz zu ärmeren Ländern selbstverständlich sind (dies auch sein sollten, aber genau darin liegt ja das Problem).
Nicht zuletzt überträgt Melinda Gates ein gewisses Feuer – denn auch in den reichen Ländern dieser Welt ist noch einiges im Argen, Das bezieht sich auf den gender Pay Gap genauso wie auf die 19% Mehrwertsteuer auf Tampons, was im Übrigen auch die Besteuerung von Luxusgütern ist. Zeitgleich kann man sich als Leser/in locker auch etwas für den Alltag abschauen: Ob nun für die Arbeit, wenn es darum geht, jüngere Teamkolleginnen zu fördern und benachteiligte Zielgruppen/Einzelpersonen zu erkennen.
Es ist also keine Biografie von Leinda Gates, das Buch enthält dennoch einige Hintergrundinformationen zu ihr als Person. In diesen erfährt man durchaus das eine oder andere über ihren Lebensweg und ihre Persönlichkeit. Man darf aber nicht vergessen, dass diese Informationen keine spontanen Offenbarungen sind, sondern handverlesene Kleinigkeiten. Sie sollen dem Zweck des Buchs helfen und sie selbst sowie ihren Mann natürlich auch in einem positivem Licht darstellen. So unterstützendswert ihr Engagement ist, so darf man das dennoch nicht ganz außer Acht lassen. Beispiel: Sie habe immer gerne im Hintergrund gewirkt. Das mag vollkommen richtig sein, aber wenn eine Stiftung sich ausschließlich um Frauen kümmert und sie diejenige ist, die das koordiniert, organisiert und die Besuche vor Ort macht – warum ist es dann die Bill & Melinda Gates-Stiftung und nicht die Melinda & Bill Gates-Stiftung? Das mag wie eine Bagatelle klingen, zeigt aber ein sehr klares Praxisbeispiel auf: Das Geld von der Stiftung kommt von ihm (& Warren Buffett). Also steht der Name vorne, wirkt es nicht so?
Wenn aber ein Buch es schafft, sich selbst in Frage zu stellen, so sollte man es sich unbedingt zu Gemüte führen.
Wir sind viele. Wir sind EINS. Melinda Gates.
Droemer-Knaur. 23,00 Euro.