Als junge:r Gründer:in sieht man sich oft mit der Herausforderung konfrontiert, Investor:innen zu gewinnen und dafür immer wieder die eigene Geschäftsidee zu pitchen. Damit der Pitch nicht zum Spießrutenlauf, sondern zum Home Run wird, spielen mehrere Faktoren große Rollen. Nico Gundlach und Lukas Fricke, Autoren des Buchs „Die Kunst, Menschen zu begeistern“, erzählen im Interview, was aus ihrer Sicht den perfekten Pitch ausmacht.
Muss man für den perfekten Pitch eine Rampensau sein?
Eine großartige Idee hat das Recht darauf, auch großartig gepitcht zu werden. Dafür ist es jedoch keineswegs notwendig, vom Naturell her eine „Rampensau“ zu sein. Zwar sind eine gewisse Ausstrahlung und Affinität zum Sprechen vor Menschen mitunter erleichternd. Aber Klarheit und Verständlichkeit sowie eine faszinierende Aufbereitung der Informationen und Authentizität sind in der Kommunikation weitaus entscheidender.
Inwiefern unterscheiden sich Gründungspitches von Agenturpitches?
Agenturpitches haben immer eine Entweder-Oder-Entscheidung als Ergebnis. „Entweder setzen wir uns durch oder ein:e Marktbegleiter:in“. Bei dieser Form der Präsentation stehen wir im Wettbewerb mit externen Kontrahent:innen. Ziel dieser Wettbewerbspräsentation ist es, den oder die Zuhörende von den Vorzügen der eigenen Ideen zu überzeugen. Er oder sie soll eine Entscheidung für uns und gegen jemand anderes (bezogen auf eine Projektanfrage) treffen. Gründungspitches haben immer eine Ja-oder-Nein-Entscheidung als Ergebnis. Entweder unsere Ideen setzen sich durch oder nicht. Bei dieser Form der Präsentation stehen wir ausschließlich im Wettbewerb mit uns selbst beziehungsweise mit den Qualitätsansprüchen unseres Gegenübers. Das Ziel dieses Pitches ist es, den oder die Zuhörende zugleich von unseren Ideen und unserer Person zu überzeugen damit er oder sie in uns investiert – ganz gleich wer noch am Markt und für ein Invest interessant ist.
Was sind die zwei größten Fehler, die man sich beim Pitch nicht erlauben darf?
Die zwei größten Fehler, die beim Pitch niemals passieren dürfen, betreffen das eigene Mindset und die inhaltliche Vorbereitung. Boris Becker sagte einst trefflich: „Gewonnen und verloren wird zwischen den Ohren.“ Die Frage, die wir uns also lange vor dem eigentlichen Pitch stellen müssen, ist: Wofür treten wir an? Um uns nur nicht zu blamieren, ehrenvoller Zweiter zu werden und irgendwie ein kleines Stück vom Kuchen abzubekommen? Oder treten wir an, um zu gewinnen? Um den großen Preis abzuräumen und unserem Ziel, erfolgreiche:r Unternehmer:in zu werden, einen gewaltigen Schritt näher zu kommen? Die Antwort auf diese Frage bestimmt maßgeblich, wie wir uns dem Pitch-Projekt widmen. Wie wir uns mit uns, unserem Thema und unseren Zuhörenden auseinandersetzen. Ob wir bereit sind, alles zu tun, was nötig ist, oder wir unseren Ideen (seien sie noch so gut) freiwillig eine große Möglichkeit des Scheiterns gewähren. Dem Mindset folgend, spielt selbstredend auch die inhaltliche Vor- und Aufbereitung des Pitches eine wichtige Rolle. Zu den größten Stolpersteinen auf dem Weg zu einem erfolgreichen Gelingen zählt hier einerseits mangelnde Klarheit über die eigenen Zahlen und kein authentisches Auftreten, eine Argumentation, die ausschließlich auf dem Ersichtlichen fußt und nicht den Nutzen des eigenen Daseins / Gedankenguts aus Sicht der Zielgruppe fokussiert. Andererseits ist eine schwammige Kommunikationsstruktur, die die Zuhörenden durch eine Informations-Überfrachtung in Fachlichkeit „ertränkt“, nicht erfolgsversprechend.
Ein Pitch muss gewonnen werden – der „Feind“ ist also die Konkurrenz, deren Pitch man selbst nicht kennt. Wie setzt man sich gegen einen unbekannten Feind durch?
Grundlegend gilt: Ziehe das Spiel auf dein Spielfeld und setze die Messlatte idealerweise so, dass die Konkurrenz sie gar nicht über-, sondern lediglich an ihr vorbeispringen kann. Eine Möglichkeit, dies zu tun, ist es, dir die Präsentationsposition Nummer 1 zu sichern und deine Inhalte (fachlich richtig) so zu framen, dass niemand anderes deinen Standard erfüllen kann.
Wenn ein technisches Produkt oder Service entwickelt wurde, kennen sich die Gründer:innen damit perfekt aus. Nicht jede:r ist aber automatisch geeignet für Vorträge – muss man sich diese Kompetenz mühsam aneignen, reicht manchmal die eigene Begeisterung oder sollte man sich Unterstützung holen?
Sich auf das Ausspielen seiner Stärken zu konzentrieren und sich für das Management eigener Schwächen Unterstützung zu holen, ist per se nie verkehrt. Allerdings geht es für Gründer:innen vor allem bei Investorenpitches nicht ausschließlich darum, ihre Geschäftsidee zu vermarkten. Wäre dem so, ließe sich der gesamte Pitch outsourcen und entsprechende Agenturen oder „Solo-Pitcher“ sprießten unzählig aus dem Boden. Worum es neben der reinen Fachlichkeit bei der Gewinnung von Investoren, seien es Business Angel oder Banken, geht, ist die persönliche Komponente des Gründerteams. Denn Menschen kaufen in erster Linie Menschen. Wir investieren nicht nur in den Glauben daran, dass das vorgebrachte Geschäftsmodell an sich funktional ist und ertragreich sein kann. Es geht auch um das Vertrauen, dass dieses ebenfalls durch das Gründungsteam erfüllbar ist und die Chemie in der bilateralen Zusammenarbeit passt. Zur Vorbereitung auf einen Investorenpitch kann es für Gründer:innen ratsam sein – insbesondere, wenn die eigenen Erfahrungen auf diesem Gebiet eher rudimentär sind – einen externen Profi hinzuzuziehen. Dieser erörtert Strategien, plant die Präsentation mit und evaluiert, wie Begeisterung sowohl für das Team als auch für das Thema ausgelöst werden kann. Die Präsentation an sich sollte jedoch durch das Gründungsteam erfolgen.
Zu Ihren drei Erfolgsfaktoren gehört die Personenmarke – als junge:r Gründer:in begreift man sich manchmal noch nicht als Marke, respektiv hat diese einfach noch nicht aufgebaut. Ist jetzt schon alles vergebens oder gibt es Ausweichmechanismen?
Die Prinzipien der Markenentwicklung sind denen des Ausbildens menschlicher Identität gar nicht so fremd. Die Kernfragen, auf die wir in unterschiedlichsten Lebenskontexten Antworten definieren dürfen, stecken bereits seit dem ersten Tag der bewussten oder unbewussten Selbstreflexion tief verankert in uns. Sowohl als potenzielle:r Freund oder Freundin, Partner oder Partnerin, Unternehmer oder Unternehmerin gilt es immer wieder zu beantworten: Warum soll sich mein:e Gegenüber für mich entscheiden? Um dies tun zu können, braucht es nicht zwangsläufig Dekaden an Lebenserfahrung oder eine bereits umfänglich aufgebaute Personenmarke. Was es braucht, ist Klarheit. Klarheit über das eigene Selbst und den Wert, den wir für diese Welt beziehungsweise für die uns ersonnenen Zielgruppen mitbringen. Kurzum: Um als junge:r Gründer:in ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell aufbauen zu können, bedarf es zum Start noch keiner final ausdeklarierten Marke. Es ist jedoch unabdingbar, eine Klarheit darüber zu etablieren, welche Unternehmensziele bis wann erreicht werden sollen und woran diese gemessen werden, welche Zielgruppe von höchster Relevanz ist, welche Herausforderungen sowie Wünsche diese Menschen bezogen auf das Business umtreiben und welche Bedeutung im Leben der Menschen man einnehmen möchte. Die vier zentralen Fragen zur Ausbildung einer starken Markenidentität lauten:
- Welches Thema besetzt du und welche Rolle nimmst du im Leben der Menschen ein?
- Welche Kernkompetenz zeichnet dich aus und welcher Nutzen ergibt sich daraus?
- Auf welche Art und Weise erbringst du deine Leistung beziehungsweise nach welchem Prozess, Modell oder Haltungs-Prinzip arbeitest du?
- Wodurch zeichnest du dich aus beziehungsweise was macht dein Dasein für die Menschen besonders wertvoll?
Der Perfect Pitch Cycle aus Ihrem Buch bildet ein Idealmodell ab – die Realität jedoch ist selten perfekt. Warum wird das Modell dennoch für die Entwicklung des Pitches empfohlen?
Der PPC bietet uns eine Möglichkeit, die richtigen Argumente für einen Pitch auszuwählen, sie zu strukturieren und zweckdienlich zu inszenieren. Anhand der dargestellten Dimensionen lassen sich Schnittstellen zwischen dem eigenen Unternehmertum und der relevantesten Zielgruppe ableiten, die uns Potenziale der effizienten und zugleich effektiven Informationsaufbereitung bieten. Mit diesen Möglichkeiten in petto können wir auch in einer nicht 100 Prozent perfekten Welt unsere Kommunikation so ausrichten, dass sie sowohl auf die Stärkung unseres Images abzielt als auch faszinierend auf Bedürfnisse der für uns wichtigsten Menschen einzahlt.
Freunde und Familie sind in der Regel wohlwollend eingestellt – bei wem kann man seinen Pitch proben und bekommt ehrliches Feedback?
Einen wohlwollenden Rahmen und ein ehrliches Feedback bieten oftmals (Netzwerk-)Veranstaltungen von Wirtschaftsverbänden oder Businessplan-Wettbewerbe. Zudem ermöglichen Unternehmen, die sich auf Pitch Consulting spezialisiert haben, ihren Kund:innen in unterschiedlichen Eskalationsstufen die Präsenz auf Bühnen und zeigen Wege der Präsentations-Verbesserung auf. Vor allem aber sind Mentoren im Entwicklungsprozess und Aufbau von Pitch-Kompetenzen ein Geschenk. Also Unternehmer:innen, die den eigenen Werdegang verstehen, Herausforderungen und Ängste vor der „Bühne“ nachvollziehen und einen Weg aufzeigen können, der wirklich funktioniert und zur eigenen Person passt – nicht immer wissenschaftlich fundiert, aber 100 Prozent praxiserprobt, authentisch und funktional.
Mehr Beiträge aus der Welt der MINT-Start-ups findest du hier.