Als Grafikdesignerin ist sie beruflich ursprünglich gestartet, mittlerweile ist sie eine der notorisch wenigen Frauen, die in der IT-Branche aktiv programmieren – Karolin Siebert brachte sich die ersten Coding-Kenntnisse selbst bei, bis sie auf das Ironhack Bootcamp stieß und ihr Vorhaben deutlich Fahrt aufnahm. Die Entscheidung, quer in eine neue Branche einzusteigen, hat sie bisher nie bereut.
Frau Siebert, Sie sind ausgebildete Grafikdesignerin und haben auch sechs Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Woher kam das Bedürfnis, einen anderen Weg einzuschlagen?
Nach sechs Jahren als Grafikerin fand ich die Stellen und Projekte langsam etwas monoton und oberflächlich. Berlin ist in dem Bereich natürlich auch ein bisschen überlaufen und es ist schwer eine Stelle zu finden, in der man sich gefordert fühlt.
Ich wollte definitiv nicht in der Werbung arbeiten und habe mich außerdem auch eher für wissenschaftliche Branchen interessiert. Ich glaube, ich wollte mich selber testen und sehen, ob ich da reinkomme – und eine Faszination für Technologie kommt natürlich auch dazu.
Der Anteil weiblicher Führungskräfte in der IT ist sehr gering und nur wenige Frauen entscheiden sich für ein IT-Studium. Sie beweisen das Gegenteil und arbeiten mittlerweile als Software-Ingenieurin. Wie kamen Sie auf genau diesen Karrierepfad?
Als Grafikerin lag mein Fokus immer auf Infografik und Wissenschaftsvisualisierung. Als ich irgendwann auf die Idee kam, dass sich mit interaktiven Infografiken Daten in Echtzeitdaten darstellen lassen, wollte ich unbedingt lernen, wie man solche Grafiken selbst programmieren kann. Also habe ich erst mal mit Onlinekursen angefangen mehr zu lernen, bis ich das Ironhack Bootcamp entdeckte.
Das Bootcamp dauert neun Wochen – das ist nicht viel Zeit. Wie viel kann man denn überhaupt lernen und worum ging es?
Durch genau diese praktische Herangehensweise konnte ich wirklich viel mitnehmen. Das Wichtigste, das ich bei Ironhack gelernt habe, war die Berührungsängste mit Code zu verlieren. Ich weiß noch, wie mir am Anfang regelrecht schwindelig wurde, wenn ich einen ganzen Screen voller Code irgendeiner Sprache vor mir sah. Außerdem geht es auch zu großen Teilen darum, einen Überblick über bestehende Fachbegriffe zu gewinnen. Dieses Wissen kann später vorbeugen, dass man sich eingeschüchtert fühlt. Und natürlich lernt man echt viele Ansätze nicht nur theoretisch, sondern sofort anzuwenden.
„Den Wechsel in die IT-Branche habe ich noch nie bereut“
Unmittelbar nach Ihrem Abschluss sind Sie wieder ins Berufsleben gestartet. So ein Neustart ist eine große Herausforderung. Gab es zu dieser Zeit den einen oder anderen Moment, in dem Sie Ihren Wechsel bereut haben?
Bereut habe ich den Wechsel in die IT-Branche nicht. Sicherlich gab es die eine oder andere neue Situation, auf die ich mich einstellen musste. Ich sehe neue Aufgaben als Rätsel, die ich lösen muss und genau das macht mir so viel Spaß an dem Job als Programmiererin. Für mich ist Programmieren eine kreative Tätigkeit, für die Freiraum sehr förderlich ist. Wenn ich zum Beispiel vor der Arbeit schon mal eine halbe Stunde schwimmen war, zwischendurch spazieren gehen oder was koche, bin ich viel stressresistenter und habe mehr neue Ideen und Lösungsansätze.
Mittlerweile arbeiten Sie seit knapp vier Jahren als Software-Ingenieurin – Sie haben den Branchenwechsel also mehr als erfolgreich gemeistert. Konnten Sie die erlernten Skills sofort umsetzen oder mussten Sie einiges on-the-job erlernen?
Wenn man bei Ironhack anfängt, schreibt man kleine Funktionen mit zwei oder drei Zeilen und ist ganz stolz und mit der Zeit werden es immer komplexere, größere Probleme, die man allein oder mit einem Team lösen kann. Und tatsächlich fängt man nicht jedes Mal von vorne an, wenn es darum geht, eine neue Programmiersprache zu lernen, sondern findet Muster und Konzepte, die man schon aus einer anderen Sprache kennt und nun wieder verwenden kann. Da ich mich immer weiter entwickle, lerne ich auch viele neue Skills im Job. In Wirklichkeit darf man als Programmiererin gar nicht aufhören zu lernen, weil die Technologien sich ständig verändern.
Oft wird behauptet, dass die IT-Branche von Frauen nicht wirklich als Option wahrgenommen wird. Ihr Karriereweg widerspricht dem. Zusätzlich haben Sie als Grafikdesignerin einen kreativen Hintergrund. Sehen Sie sich als Ausnahme in der Branche?
Ich bin leider noch eine Ausnahme in der Branche und oft auch die einzige Frau in einem Team. Langsam finden immer mehr Frauen den Einstieg in die IT und das ist gut so. Ich glaube, das Bild, was man so im Allgemeinen von Programmierern hat, die relativ frei arbeiten, reisen können, um von besonderen Orten, zu frei gewählten Zeiten zu arbeiten, reizt nicht nur mich, sondern auch andere Frauen, mit denen ich den gern mehr zusammenarbeiten würde.
„Man fängt ja nicht jedes Mal von vorne an, wenn man eine neue Sprache lernt“
Fällt Ihnen dieses Ungleichgewicht in Ihrem Arbeitsalltag auf? Sind zum Beispiel Gesprächspartner überrascht, mit einer Frau verbunden zu werden oder werden Sie von Kollegen anders behandelt?
Ich habe festgestellt, dass die Kommunikation in einem Team mit fast ausschließlich Männern anders funktioniert und wortkarger ist. Hier bringe ich meine kommunikativen Stärken ein. Mir persönlich ist es wichtig, Gespräche zu führen, die zu einem konkreten Ziel und zu Entscheidungen führen, wohingegen andere gern debattieren. Ich bin mir allerdings unsicher, ob das eine geschlechtsbezogene Problematik ist.
Trotz dieser Ausgangslage sind Sie in Ihrem Beruf erfolgreich. Was reizt Sie an der IT-Landschaft besonders?
Besonders gereizt hat mich die Tatsache, dass man in der Branche ständig neue Technologien aneignen muss, was natürlich auf den ersten Blick auch mühsam erscheinen kann. Meine Wahrheit ist allerdings, dass man dadurch seine Arbeit selten als monoton empfindet, da man sich ständig weiterentwickelt.
Gibt es auch etwas, das Ihnen in der Branche Bauchschmerzen bereitet?
Meine Entscheidung, den Fokus meiner Karriere auf das Programmieren zu verändern, war eine sehr gute, die mein Selbstbewusstsein gestärkt hat. Bauchschmerzen bereitet hätte es mir höchstens, wenn sich die Gender-Pay-Gap nicht stetig verkleinern würde.
Ein kleiner Ausblick zum Abschluss: Sehen Sie sich auch in zehn Jahren noch in der IT, wird Sie das Bedürfnis nach Veränderung noch einmal erfassen oder lassen sich beide Optionen sogar miteinander verbinden?
Ich sehe mich in 10 Jahren immer noch gerne Rätsel lösen und Lösungen finden und ich denke, das wird in der IT-Branche sein, da mir hier die Möglichkeiten geboten werden, mich stetig weiterzuentwickeln und mit Freiraum zu arbeiten.