Über die Beratungswelt ranken sich viele Vorurteile und Mythen. Dr. Bernhard Moos, Wirtschaftsinformatiker und selbst Consultant bei der Eurogroup Consulting AG, berichtet von seinem Einstieg ins Consulting und was die Arbeit für ihn ausmacht. Er erklärt außerdem, welche Fähigkeiten heute besonders gefragt sind und welche Rolle IT und Kommunikation in der Beratung spielen.
Dr. Moos, Sie haben Wirtschaftsinformatik studiert. Wie fanden Sie Ihren Weg ins Consulting?
Mein erster Kontakt mit dem Berufsbild des Beraters hatte ich gegen Ende des Studiums im Rahmen eines Seminars, das zusammen mit einer Beratungsfirma abgehalten wurde. Den Beruf fand ich sofort spannend – damals gab es noch viel Reiseaktivität, um beim Kunden vor Ort zu sein. Doch ich entschied ich mich, zunächst noch an der Universität zu bleiben und als wissenschaftlicher Mitarbeiter unter anderem meine Promotion in Angriff zu nehmen. Während dieser Zeit reifte der Gedanke in mir, im Anschluss an die Doktorarbeit selbst Berater zu werden. Maßgeblich trugen dazu externe Doktoranten des Lehrstuhls bei, über die ich direkte Einblicke in das Consultingleben bekam und so aus erster Hand erfuhr, was es heißt, ein Berater zu sein: Sich stets neuen Themen und Herausforderungen im Rahmen wechselnder Projekte zu stellen und mit unterschiedlichen Personen beziehungsweise Charakteren zusammen zu arbeiten.
So fing ich dann nunmehr vor 10 Jahren bei KPMG an, um aber relativ schnell nach drei Jahren zu meinem jetzigen Arbeitgeber der Eurogroup Consulting AG – oder einfach kurz EGC – zu wechseln. Wesentlicher Grund für den Wechsel zu einer kleinen mittelständischen Unternehmensberatung war, dass die Unternehmenskultur im Vergleich zu einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft besser zu meiner Philosophie des Arbeitens passt. Ich lege sowohl Wert auf Transparenz und die kurzen Entscheidungswege innerhalb von EGC als auch auf die Möglichkeiten, sich auf vielfältige Art und Weise unbürokratisch in das Unternehmen einbringen zu können. Letztendlich trägt das dazu bei, für die Kunden die bestmögliche Leistung mitzugestalten und zu erbringen.
Vorurteile und der tatsächliche Alltag als Wirtschaftsinformatiker im Consulting
Welche Vorstellungen hatten Sie vor Ihrem Einstieg vom Consulting und wie gefällt Ihnen die Arbeitswelt?
Wie man vielleicht schon heraushört, arbeite ich als Berater nach wie vor mit vollem Einsatz und Herzblut. Dies liegt mit Sicherheit auch daran, dass der Beruf des Beraters in meinen Augen auch zum Teil eine Berufung ist. Viele junge Menschen haben feste Vorstellungen von dem Beruf und verbinden einen gewissen Lifestyle damit: Berater arbeiten 24/7, sind ständig auf Achse und nächtigen in großartigen Hotels nach Möglichkeit noch mit opulenten Geschäftsessen am Abend. Das war ungefähr auch meine Vorstellung. Wenn Sie mich nun fragen, was davon nach zehn Jahren und einer weltweiten Pandemie geblieben ist, so ist der Homeoffice-Anteil im Verhältnis zu der Zeit, welche man beim Kunden vor Ort ist, deutlich angestiegen und entsprechend sind die Reiseaktivitäten weniger geworden. Auch, dass 24/7 gearbeitet wird, hat sich in der Form nicht bewahrheitet. Vielmehr ist es ein ergebnisorientiertes Arbeiten, soll heißen, dass man in großen Teilen, für die an einen übertragenen Aufgaben selbst verantwortlich ist und diese in Zeit und Qualität nicht nur gegenüber dem Kunden, sondern auch gegenüber den Kolleg:innen zu erbringen sind.
One day in the Life of … Wie sieht ein annähernd typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Das ist eine gute Frage, denn es gleicht kein Tag dem anderen. Wie ich bereits erwähnte, ist Beratung zu großen Teilen ergebnisorientiertes und vor allem auch abwechslungsreiches Arbeiten. So liegt das Hauptaugenmerk an einem Tag auf der Erstellung einer Entscheidungsvorlage für Entscheidungsträger auf Seiten des Kunden, wohingegen ich an einem anderen Tag einen Workshop moderiere und inhaltlich begleite. Was jedoch allen Tagen gemein ist, ist die tägliche Abstimmung mit den Kolleg:innen des Projektes, denn man arbeitet überwiegend in einem Projektteam zusammen. Die dort besprochenen Arbeiten muss man eigenverantwortlich vorantreiben, um sie dann wiederum im Team zu besprechen und abzuschließen. In der Regel ist ein Tag somit durch die Aufbereitung unterschiedlichster Unterlagen und deren Abstimmung im Rahmen der einem anvertrauten Projekte geprägt.
Einsatzmöglichkeiten als Wirtschaftsinformatiker im Consulting: Banken & Versicherungen
Sie betreuen vor allem Banken mit Fokus auf organisatorischer Transformation – was steckt hinter dem Begriff und welche Rolle spielt die IT in Ihrer Arbeit?
Hierzu muss ich zunächst ein klein wenig ausführen. Das Kundenportfolio der Eurogroup Consulting umfasst sowohl Banken und Versicherungen als auch deren IT-Dienstleister. Speziell für letztere bin ich tätig. Insofern ist das Thema der organisatorischen Veränderung eng mit der Entwicklung neuer Dienstleistungen verbunden, welche unsere Kunden am Markt anbieten. Ganz konkret trage ich dazu bei, dass IT-Dienstleister ihre bisherigen Geschäftsmodelle um neue Services erweitern und die eben damit einhergehenden organisatorischen Veränderungen vollziehen. Ich analysiere nicht nur Marktpotenziale und arbeite die neuen Services aus, sondern bewerte, was die neuen Services für die bestehenden organisatorischen Strukturen und Abläufe sowie die vorliegende IT-Landschaft bedeuten und welche Anpassungen notwendig werden.
Insofern ist die IT ein elementarer Bestandteil meiner täglichen Arbeit, beziehungsweise sogar ein Schwerpunkt meiner Beratungsleistungen, auch wenn ich nicht selbst code. Vielmehr geht es darum, IT optimal auf die prozessualen Abläufe und damit die Erbringung von Dienstleistungen abzustimmen. Denn eines steht fest: Ein Finanzmarkt ohne IT ist schlicht und ergreifend unmöglich.
Welche Trends, Entwicklungen und/oder Einflüsse bewegen Ihre derzeitige Arbeit besonders?
Ich denke, dass jetzt viele eine Antwort à la „künstliche Intelligenz“, „Blockchain“ oder „Kryptowährungen“ erwarten. Diese Technologietrends sind zweifelsohne Themen, mit denen sich speziell die Bratung im Finanzmarkt auseinandersetzt, so auch Eurogroup Consulting. Was dabei aber oft übersehen wird ist, dass mit neuen Technologien oftmals Veränderung einhergehen. Und hier wären wir wieder bei den Prozessen, respektive der Veränderung von Abläufen. Bei Projekten rund um die Nutzung von KI fällt der Anteil, der sich mit der reinen Technologie auseinandersetzt, oft deutlich geringer aus als der Teil des Projektes, der sich mit dem Management der damit einhergehenden Veränderungen in Organisationen beschäftigt. Hier zeigt sich einmal mehr, dass Beratung „People-Business“ ist und dass der Mensch bei aller Technologie im Mittelpunkt steht. Nicht umsonst hat die Eurogroup Consulting das Credo „The Art of Mobilization“. Am Ende dienen alle Entwicklungen und Einflüsse einem Zweck und dieser ist meines Erachtens, dem demografischen Wandel, der auch am Finanzmarkt Einzug hält, entgegenzuwirken.
Ergebnisorientiertes Arbeiten erfordert Offenheit und Selbstorganisation
Was sollten (Wirtschafts-)Informatiker:innen heutzutage mitbringen, um erfolgreich in die Welt des Consultings zu starten?
Da würde ich zunächst einmal eine Gegenfrage aufwerfen: Braucht es einen wirtschaftswissenschaftlichen Hintergrund in der Beratung? Aus meiner Sicht nicht. Meine Kolleg:innen kommen aus ganz unterschiedlichen Richtungen: Psychologie, Hotellerie oder Mathematik. Ehrlicherweise muss man aber schon festhalten, dass der überwiegende Teil eine wirtschaftswissenschaftliche Ausbildung genossen hat.
Generell gilt, dass man bei Interesse an Beratung offen für neue Themen sein muss und motiviert sein sollte, sich auch an fachfremde Gebiete zu wagen. Entsprechend ist ratsam, eine hohe Auffassungsgabe sowie eine ausgeprägte Lösungsorientierung sein Eigen zu nennen. Zu guter Letzt zeichnet eine sehr gute Kommunikationsfähigkeit einen Berater aus, sowohl was das Zuhören und Verstehen angeht als auch insbesondere das Strukturieren und Vertreten von Ergebnissen.
Sie arbeiten nicht nur Vollzeit, sondern übernehmen an der Uni Bamberg weiterhin einen aktiven Part in der Lehre. Wie schaffen Sie das, bietet die intensive Consulting-Welt etwa doch Ansätze für Work-Life-Balance?
Nach der Work-Life-Balance werde ich oft im Rahmen von Bewerbungsgesprächen gefragt, denn, wie bereits erwähnt, ist der Beruf des Beraters mit bestimmten Vorstellungen oder gar Vorurteilen belegt. Diese stimmt mit Sicherheit auch zu Teilen, denn ein Nine-to-Five-Job ist es keineswegs. Trotzdem bietet der Beruf auf vielfältige Art die Möglichkeit, die Arbeit auf der einen Seite und in meinem Falle die Familie auf der anderen Seite unter einen Hut zu bringen.
Homeoffice gepaart mit guter Selbstführung und Organisation spielt da in meinen Augen eine gewichtige Rolle, denn so werden kleine Freiräume, wie beispielsweise ein gemeinsames Mittagessen, geschaffen. Auch die Chance zu haben, seine persönlichen Interessen, wie eben einer Lehrtätigkeit an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg nachzukommen, mit dem Beruflichen zu kombinieren, führt am Ende dazu, dass die „Arbeitslast“ gar nicht als solche wahrgenommen wird. Spaß an und bei der Arbeit ist immer noch der wichtigste Aspekt, um gute Leistungen zu erbringen und am Ende des Tages zufrieden zu sein.
Du möchtest mehr über die Rolle von MINTlern im Consulting erfahren? Dann wirf einen Blick auf unsere Beiträge im Karrierenetzwerk Consulting!
Dr. Bernhard studierte Wirtschaftsinformatik und schloss 2015 seine Promotion zum Thema „What Makes Firms Innovative? The Role of External Social Networks and Internal Knowledge Capabilities for Innovation Success“ am Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik insbesondere Informationssysteme in Dienstleistungsbereichen an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Im Anschluss wechselte er in die Beratungsbranche, wo er aktuell bei der Eurogroup Consulting AG tätig ist. Seine Beratungsprojekte liegen schwerpunktmäßig im Umfeld der Industrialisierung von Dienstleistungsprozessen und des IT-Auslagerungsmanagements sowie der Einführung neuer Services bzw. bei dem Ausbau bestehender Leistungsportfolios von Banken und IT-Dienstleistern. Hierbei liegt sein besonderes Augenmerk auf der nachhaltigen organisatorischen Transformation der Unternehmen.