Unternehmensberatung ist eher etwas für BWLer – davon war Prof. Dr. Gerrit Remané zu Beginn seines Studiums der Wirtschaftsinformatik überzeugt. Doch diese Einstellung basierte überwiegend auf Unwissenheit und änderte sich, als er die Branche durch ein Praktikum bei Roland Berger kennenlernte. Die Erfahrungen waren so positiv, dass er nach seinem Masterabschluss sieben weitere Jahre dort verbrachte, bevor er an die Fachhochschule Wedel wechselte. In diesem Artikel gibt er Studierenden einen Einblick, was Beratung ist und warum Informatiker dabei besonders gefragt sind.
Die eine typische Unternehmensberatung gibt es nicht: Beratungsdienstleistungen werden unter anderem von Strategieberatungen, IT-Beratungen und Wirtschafts- prüfungsgesellschaften angeboten. Zu Strategieberatungen zählen Unternehmen wie McKinsey, BCG oder Roland Berger. Deren klassisches Geschäft ist Unternehmensstrategien zu entwickeln und realisieren. Mittlerweile sind diverse Themen hinzugekommen, sodass Strategieberatungen auch allgemein als Managementberatungen bezeichnet werden.
Zu den IT-Beratungen zählen beispielsweise Accenture, Capgemini und IBM. Diese unterstützen traditionell bei Softwareauswahl, -einführung und -betrieb sowie diversen anderen Themen im IT-Umfeld. Auch die meisten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben ihr klassisches Prüfungsgeschäft um Beratungsangebote ergänzt, häufig über ihre Expertise im Finance- und Controlling-Bereich. Mit Deloitte, EY, KPMG und PwC gibt es vier große Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die „Big Four“, sowie diverse kleinere Gesellschaften.
Darüber hinaus existieren zahlreiche weitere Anbieter von Beratungsdienstleistungen, die nicht immer in die oberen Kategorien passen und sich meist auf bestimmte Branchen und / oder Kompetenzen spezialisiert haben. Eine detailliertere Übersicht von Beratungsunternehmen bietet der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) sowie die Lünendonk-Listen.
Der Alltag als Unternehmensberater ist von vielen Faktoren abhängig. Dennoch gibt es zwei Archetypen von Projekten, die eine erste Orientierung geben. Strategischere Projekte haben typischerweise eine kürzere Projektdauer (zum Beispiel 1 bis 3 Monate), kleinere Teams (zum Beispiel 2 bis 5 Berater) und nur vereinzelt direkte Integration von Kunden in die Teams. Je operativer oder umsetzungsorientierter ein Projekt hingegen ist, desto länger ist die Dauer (zum Beispiel 3 bis 12 Monate oder länger) und desto größer sind die Teams (beispielsweise 5 bis 50 Berater). In diesen Fällen gibt es oftmals Projektteams, in denen Berater operative Aufgaben des Kunden wahrnehmen.
Beratung findet häufig vor Ort beim Kunden statt
Berater arbeiten häufig vor Ort beim Kunden. Ein typisches Szenario ist die Anreise zum Kunden am Montagmorgen, gefolgt von drei Nächten im Hotel und der Rückreise am Donnerstagabend. Während dieser Zeit sitzen die Berater auf einer gemeinsamen Arbeitsfläche mit dem Kunden oder in einem eigenen Projektraum. Abends geht es zum Essen mit Kollegen, zum Sport oder – falls erforderlich – direkt aufs Hotelzimmer zur Nachbereitung des Tages.
Die tägliche Arbeit des Beraters umfasst dabei vor allem zwei Dinge. Zu Projektbeginn gilt es, diverse Informationen zusammenzutragen, um den Kunden und das spezifische Problem besser zu verstehen. Dabei sind Internetrecherche, externe Studien und die Wissensdatenbank der Beratung erste hilfreiche Quellen. Darauf aufbauend können Experten, Kunden und gegebenenfalls Endverbraucher interviewt werden; auch Workshops und Umfragen werden mitunter durchgeführt. Die zweite Tätigkeit ist das Erstellen neuer Inhalte, was bereits parallel zur Informationsbeschaffung startet. Dabei entwickeln Berater frühzeitig konkrete Hypothesen, wie das Problem des Kunden gelöst werden könnte.
Diese Hypothesen strukturieren dann die weitere Informationsbeschaffung und können gemeinsam mit dem Kunden diskutiert und weiterentwickelt werden. Die Dokumentation der Ergebnisse findet meistens im PowerPoint-Format statt, was der Grund ist, warum Berater mitunter augenzwinkernd aufs Folienmalen reduziert werden.
Zurück zur Ausgangsfrage: Als Informatiker in die Beratung? Dazu eine kurze Anekdote: Risto Siilasmaa, Aufsichtsratsvorsitzender von Nokia und zwischenzeitlich auch Interims-CEO, musste 2012 entscheiden, wie Nokia zukünftig mit den Möglichkeiten künstlicher Intelligenz umgehen solle. Er begann Bücher zu dem Thema zu lesen und mit diversen Experten zu sprechen. „Aber ich habe niemals verstanden, wie es wirklich funktioniert. […] Deswegen fing ich wieder selbst an zu coden. […] Dabei fand ich heraus, dass ich einiges missverstanden hatte, weil ich keinen Bezugsrahmen hatte, um die Dinge, die ich hörte, infrage zu stellen.“ Wenn also selbst Top-Manager die Notwendigkeit erkennen, nicht nur über neue digitale Technologien zu reden, sondern diese grundlegend zu verstehen, dann gilt das für deren Berater umso mehr.
Natürlich sind IT-Skills nicht alles, was erforderlich ist
Bewerber mit IT-Kenntnissen waren in der Beratung schon immer sehr gefragt. Informatiker sind durch Programmierkenntnisse sehr geschult im abstrakten und konzeptionellen Denken. Außerdem haben viele Projekte – spätestens in der Umsetzungsphase – eine IT-Komponente, wo es gilt, mit Entwicklern zusammenzuarbeiten. Insbesondere bei IT-Beratungen ist dies ein typischer Projekttyp. Aber in der heutigen Zeit ist fundiertes IT-Verständnis – das verdeutlicht auch das Beispiel von Nokia – zunehmend obligatorisch für jeden Manager und Berater.
Dies unterstreicht auch eine Studie des BDU aus 2018 eindrucksvoll: Die mit Abstand wichtigste zukünftige Veränderung in der Beraterqualifikation ist die Affinität im Umgang mit technischen Tools. Das heißt, das technologische Grundverständnis als Informatiker wird in fast jeder Art von Beratung hilfreich sein, auch wenn Berater eher selten oder gar nicht selbst programmieren.
Natürlich sind IT-Skills nicht alles, was erforderlich ist. Weitere wichtige Kompetenzen umfassen analytisches Denken, Durchsetzungsstärke, Kreativität, Teamfähigkeit sowie betriebswirtschaftliche Grundkenntnisse. Vor allem erwarten Beratungen aber, dass Bewerber eine hohe Motivation und Lernfähigkeit mitbringen. Viele der weiteren Fähigkeiten können in zahlreichen Schulungen sowie durch regelmäßiges Feedback von erfahrenen Kollegen ausgebaut werden.
Persönlicher Austausch ist eine der besten Quellen für Informationen
Persönlicher Austausch mit Beratern ist eine der besten Quellen für weitere Informationen. Der Beruf des Beraters hat gerade Informatikern viel zu bieten. Um sich ein realistisches Bild davon zu machen empfehle ich, mit Mitarbeitern der verschiedenen Beratungshäuser in den persönlichen Austausch zu gehen. An vielen Hochschulen finden dafür regelmäßig Gastvorträge oder andere Veranstaltungen von Beratungsunternehmen statt. Auch Messen und Events vor Ort bei den Beratungen, wie beispielsweise Workshops oder Case Competitions, bieten gute Gelegenheiten.
Prof. Dr. Gerrit Remané leitet seit 2018 den Studiengang IT-Management, Consulting & Auditing an der Fachhochschule Wedel. Zuvor war er mehr als sieben Jahre bei der Strategieberatung Roland Berger mit den Schwerpunkten IT-Management und digitale Transformation beschäftigt.
Mehr Artikel zur Consulting-Branche findet ihr auf dieser Übersichtsseite.
Quellen
BDU (2018a), FACTS & FIGURES ZUM BERATERMARKT 2018, https://www.bdu.de/media/353280/bdu_facts_figures_2018_final_screen.pdf.
BDU (2018b), Zum aktuellen Stand der digitalen Transformation im deutschen Markt für Unternehmensberatung, https://www.bdu.de/media/352407/zum-aktuellen-stand-der-digitalen-transformation-im-deutschen-markt-fuer-unternehmensberatung.pdf.
e-fellows.net (2018), Perspektive Unternehmensberatung 2019: Fallstudien, Branchenüberblick und Erfahrungsberichte zum Einstieg ins Consulting, e-fellows.net, München, Germany.
FH Wedel (2019), “IT-Management, Consulting & Auditing”, https://www.fh-wedel.de/bewerben/bachelor/it-management-consulting-auditing/.
Lünendonk (2019), “LÜNENDONK-LISTEN”, https://www.luenendonk.de/produkte/#listen.
MConsulting Prep (2015), “What the heck does a consultant DO, exactly?”, https://youtu.be/-ZwQtICNbRc.
Nokia (2017), “Risto Siilasmaa on Machine Learning”, https://youtu.be/KNMy7NCQDgk.