Datengestützte Produkte finden auch in der Wirtschaftsprüfung ihre Anwendungen – und damit wiederum Data Scientists ein berufliches Zuhause mit spannenden Perspektiven für ihre Karriere. Wir sprachen mit Dag Tanneberg, Projektmanager bei Ebner Stolz.
Herr Tanneberg, wie darf man sich als ITler oder ITlerin die Arbeit bei Ebner Stolz im Bereich Data Science vorstellen – könnten Sie uns typische Herausforderungen nennen?
In einem Wort: Herausfordernd. Nehmen Sie mich als Beispiel. Aus meiner akademischen Laufbahn bringe ich ein Verständnis für statistische Methoden mit. Darüber hinaus interessierte ich mich über die Zeit immer stärker für Programmierung und Softwareentwicklung. Von der Buchhaltung oder gar der Wirtschaftsprüfung hatte ich bei meinem Einstieg im Jahr 2019 nicht den Hauch einer Ahnung. Seither lerne ich in den Bereichen Informatik, Statistik und der Domäne Wirtschaftsprüfung kontinuierlich hinzu.
Selbstverständlich wertschätzt Ebner Stolz Vorerfahrung in jedem der genannten Bereiche. Noch wichtiger ist jedoch eine Mentalität, die Teamgeist mit der Bereitschaft zu kontinuierlichem Lernen und der Freude an der nutzenstiftenden Arbeit mit Daten verbindet.
Data Scientists übernehmen bei Ebner Stolz Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus datengestützter Produkte. Darüber hinaus decken sie in unserem Unternehmen die gesamte Palette von klassischen Individualanalysen über die Automatisierung statistischer Auswertungen bis hin zum Aufbau unternehmensweit verfügbarer Mikroservices ab. Im Alltag bedeutet dies Akquise, Verarbeitung, Auswertung, Verstetigung sowie Qualitätssicherung von Daten und – immer wieder – agiles Projektmanagement.
Zu den Routineaufgaben des Data Analytics-Teams zählt die Entwicklung neuer Analysen für eine hausinterne Webanwendung im Bereich der Jahresabschlussprüfung. Häufig geht es dabei um Effizienzvorteile sowie ein Mehr an Sicherheit für die Prüfenden. Zu diesem Zweck recherchiert das Team in Zusammenarbeit mit der Fachabteilung, was die Prüfenden tun, wie sie es tun, und welche Artefakte entstehen. Davon ausgehend berät das gesamte Team über aussagekräftige Kennzahlen, Visualisierungen und automatisierte Berichte. Diese Routineaufgabe verbindet regelmäßig Statistik mit Datenbankprogrammierung, Softwareentwicklung, Webdesign und insbesondere Projektmanagement.
Welche Qualifikationen müssen mitgebracht werden?
Einer besonders griffigen Charakterisierung von Data Science zufolge verbinden Profile in diesem Bereich Statistik mit Informatik und substanziellem Domänenwissen. Aus dem Bereich der Statistik – allgemeiner: der Mathematik – bringen Data Scientists sowohl die Fähigkeit zur Formalisierung realweltlicher Problemlagen als auch die Kompetenzen zu ihrer datengestützten Bearbeitung mit. Wenn beispielsweise ein Unternehmen in seinem Kundenstamm nach Personen sucht, die einen Anbieterwechsel planen (Customer Churn), dann erlauben die Werkzeuge der Statistik eine abstrakte Beschreibung des Problems, auf deren Grundlage geeignete Schätzverfahren erprobt und diskutiert werden können. Damit eine derartige Analyse wiederholt, ja automatisch durchgeführt werden kann, muss sie in ihre logischen und physischen Bestandteile aufgebrochen werden: Woher und in welchem Format kommen die Daten? Wie erfolgt ihre Auswertung? Welche Anforderungen hat der Endanwender? Wie und wie häufig greift er auf die Analyse zu? Regelmäßig beantwortet ein Data Scientist diese Fragen durch Verfahren und Standards der Informatik.
Zuletzt lohnt der ganze Aufwand nur, wenn ein Mehrwert für den Adressaten der Auswertung herausspringt. Die Blogosphäre spricht in diesem Zusammenhang gerne von „actionable insights“. Dem können Data Scientists in unserem Unternehmen nur genügen, wenn sie sich auf die Domäne der Jahresabschlussprüfung einlassen. Auffälligkeiten im Bereich der Umsatzerlöse erkennt nur, wer sich ein gutes Bild von den erwartbaren Buchungssätzen in diesem Prüfungsgebiet und den etablierten, regelgeleiteten Prüfungshandlungen macht.
Zur Einsteigerwelt für Hochschulabsolventen von Ebner Stolz geht es hier entlang.
Aktuelle Neuerungen im Finanzbereich bringt beispielsweise das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG). Davon haben die meisten Informatiker und Informatikerinnen vermutlich noch nichts gehört – wie kommen Absolventen damit bei Ebner Stolz in Kontakt und wie wichtig ist hochaktuelles Know-how?
Das FISG ist sowohl Chance als auch Mahnung für IT-Mitarbeitende und Data Scientists bei Ebner Stolz. Einerseits erwachsen aus dem Gesetz neue Gestaltungsspielräume und andererseits verlangt es besondere Sorgfalt. Ganz allgemein gesprochen steigert das FISG den Anspruch an die kritische Grundhaltung der Wirtschaftsprüfung. In einem Satz: Die Angehörigen dieses Berufs müssen allen Hinweisen auf wesentliche Fehler im Jahresabschluss nachgehen oder mit empfindlichen Strafen rechnen. Infolgedessen gewinnen moderne Datenanalysen an Attraktivität. In der Theorie verhelfen meine Analysen den Wirtschaftsprüfern schneller zu einem belastbareren Ergebnis. Das ist eine sehr große Chance. In der Praxis mahnt das FISG alle IT-nahen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu besonderer Aufmerksamkeit für Qualitätssicherung und Kommunizierbarkeit unserer Produkte.
Eine anspruchsvolle Qualitätssicherung erreichen wir durch Anleihen an der Softwarequalitätsprüfung. Automatisierte Komponenten- und Integrationstests, die jeden isolierbaren Baustein unserer Produkte prüfen, sind hier zu nennen. Darüber hinaus plausibilisieren wir die untersuchte Datenmenge durch Nebenrechnungen, die uns die Buchhaltung nahelegt. Die absehbar größte Herausforderung für maschinelles Lernen und andere fortgeschrittene Anwendungen in der Wirtschaftsprüfung besteht in der Variabilität des Datenmaterials. Sowohl Softwarequalitätssicherung als auch Nebenrechnungen arbeiten unter der Prämisse von Sicherheit – eine im Vorfeld bekannte, fixe Eingabe erzeugt ein im Vorfeld bekanntes, fixes Ergebnis. Diese Prämisse entfällt bei lernenden Systemen, wodurch ganz neue Anforderungen entstehen.
Die Kommunizierbarkeit unserer Produkte verweist auf zwei andere Aspekte. Erstens übernehmen wir Verantwortung für die bestmögliche Darstellung und Dokumentation unserer Ergebnisse. Wir liefern einfach nachzuvollziehende Analysen, die triftige und schnell fassbare Ergebnisse formulieren. Zweitens bemühen wir uns um eine problemangemessene Komplexität. Selbstverständlich können wir Zeitreihenanalysen mit Hilfe neuronaler Netzwerke durchführen. Deren Ergebnisse sind allerdings notorisch schwer zu erklären, worüber sich weder unsere Kollegen noch die Abschlussprüferaufsichtsstelle (APAS) freuen.
Gibt es etwas, in dem Sie Hochschulabsolventen direkt weiterbilden, weil die Hochschulen diese Aspekte nicht vermitteln?
Wir bilden Absolventen und Absolventinnen vor allem im Umgang mit DevOps-Systemen und Versionskontrollsoftware wie Git weiter. Durch die Arbeit im Data Analytics-Team gewinnt man außerdem schnell Wissen über gängige ERP-Systeme und Aspekte der Qualitätssicherung bei Rechnungslegungsdaten. Wir achten darauf, unseren Absolventen und Absolventinnen das Große und Ganze nahe zu bringen. Sie lernen, dass erst die Einbettung von Datenanalysen in den Kontext von traditionellen Prüfungshandlungen ihnen Bedeutung verleiht. Zuletzt spielt Reproduzierbarkeit eine große Rolle, die wir durch standardisierte Workflows und Datenformate vermitteln.
Welche Aufgaben erwarten Mitarbeitende im Digitalisierungsbereich jenseits von Data Science / Analytics?
In diesem Bereich arbeiten wir oft projektgetrieben, sodass regelmäßig Aufgaben im Umfeld des Projektmanagements anfallen. Außerdem arbeiten wir Ideen und Ergebnisse in Präsentationen für die Geschäftsführung aus, halten Schulungen oder fertigen kreative Texte an. Zuletzt spielt die Freiheit, Ideen zu entwickeln und im Team umzusetzen, eine hervorgehobene Rolle im freiberuflichen Umfeld von Ebner Stolz. Wir wachsen gemeinsam an unseren Aufgaben und Herausforderungen.
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