Autonomes Fahren – ein Trend, der die Automobilindustrie seit Jahren beschäftigt. Auch beim international renommierten Konstruktionswettbewerb Formula Student Germany (FSG) gehen die Teams erstmals in einer Driverless-Disziplin an den Start. Dieser anspruchsvollen Aufgabe stellte sich auch das vom Ingenieurdienstleister Brunel gesponserte Münchner Team municHMotorsport. Florian Eich, bereits zum sechsten Mal bei der FSG dabei und in diesem Jahr Technischer Leiter des Driverless-Projekts, über die größten Herausforderungen seines 24-köpfigen Teams.
Herr Eich, Sie und Ihre Kolleg:innen haben in diesem Jahr den ersten fahrerlosen Rennboliden gebaut. Warum haben Sie sich für diese Disziplin entschieden?
Wir sind in der Formula Student aktiv, weil wir hier technologische Entwicklungen als Teamsport betreiben und uns mit anderen messen können. Natürlich weckt eine neue Kategorie mit einer spannenden Technik wie dem autonomen Fahren unseren Kampfgeist.
Rückblickend auf die letzten elf Monate: Was unterschied sich im Projektablauf von bisherigen Saisons?
Insgesamt war der Ablauf ähnlich, allerdings verschiebt sich bei Neuentwicklungen der Fokus, denn zu Beginn mussten wir die Anforderungen an die technischen Lösungen definieren. Zudem überschnitten sich Entwicklung, Implementierung und Tests viel stärker, da wir für viele Komponenten direkt noch eine oder sogar zwei verbesserte Varianten entwickelt haben. Außerdem haben wir kein ganz neues Fahrzeug gebaut, sondern auf dem elektrischen Fahrzeug der Saison 2015, dem PWe6.15, aufgesetzt. Bei dessen technischer Verfeinerung haben uns besonders die Pretesting-Events von Sponsoren wie Brunel geholfen.
Und wie erging es Ihrem Team bezüglich der neuen Technik?
Bei null anzufangen, ist immer schwer. Erfahrungswerte für autonome Fahrzeuge der Formula Student gab es ja nicht. Die größten Herausforderungen waren somit die Sensorauswahl und die Software-Entwicklung, aber auch die Anordnung der Aktoren – also der Komponenten, die elektrische Signale in mechanische Bewegung umsetzen – war nicht einfach: Denn laut des Reglements der Formula Student muss trotz des Umbaus noch immer ein Mensch den Boliden fahren können.
Aber Sie haben einen Weg gefunden?
Ja, wir haben einen Motor über der Lenksäule befestigt, der über zwei Zahnräder mit dem ursprünglichen Lenkgetriebe verbunden ist. Das Bremssystem ist hinter dem Bremspedal angebracht, sodass es den/die Fahrer:in nicht einschränkt.
Und wie genau hält sich der Bolide selbstständig in der Fahrbahnspur?
Mit einem aus mehreren Sensoren bestehenden Lokalisierungssystem stellt das Fahrzeug seine Position auf einer vorher im System gespeicherten Karte fest. Basierend auf der dort definierten Strecke wird die Mittellinie berechnet, der das Fahrzeug dann folgt. Eine Mono- und eine Stereokamera erkennen zudem die Pylonen, die auf der Karte eingezeichnet werden – so verbessern wir die Karte und können auf Änderungen, zum Beispiel auf die Strecke geschobene Pylonen, reagieren. Mit diesem System kann der Wagen auch ohne vorherige Vermessung der Karte fahren.
Wie konnten Sie sich auf Ihre Tests und Messungen verlassen, wenn es weder Erfahrungs- noch Messwerte für den fahrerlosen Wagen gab?
Wir konnten zum Glück auf eine Komplettfahrzeugsimulation aufbauen, die wir bereits im Team getestet hatten. Darin haben wir quasi den „Fahrer“ durch unsere Software ersetzt und konnten so unsere Entwicklung kontinuierlich gegen ein sehr gutes Modell der Realität testen. Später haben wir dann auch das Steuergerät an die Simulation angeschlossen und konnten so das Verhalten des Fahrzeugs in Trockenübungen prüfen – ein sogenannter Hardware-in-the-Loop-Aufbau.
Gab es auch unvorhergesehene Entwicklungen für Ihr Team?
Die Recheneinheiten, welche die Basis unseres autonomen Systems darstellen, stammen eigentlich aus dem Drohnensegment und verbinden hohe Rechenleistung mit geringem Energiebedarf. Nicht vorhergesehen hatten wir, dass es noch wenige wirklich benutzerfreundliche Lösungen für Kamera-Recheneinheit-Kombinationen gibt. Daher mussten wir das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten recht zeitaufwändig sicherstellen.
Nach der Saison ist vor der Saison. Wie sehen die Pläne für die nächste Formula Student Driverless aus?
Für mich endet die Zeit in der Formula Student nach sieben Saisons mit diesem Driverless-Projekt als letzter großer Herausforderung. Für die kommende Saison wünsche ich mir, dass das Team das Potenzial der jetzigen Systemarchitektur ausschöpft und zum Beispiel die Distanzabschätzung per Kameras präzisiert. Ich bin sicher, dass sie dabei wieder so großartige Unterstützung von unseren Sponsoren wie etwa Brunel erhalten werden, die uns bereits seit 2011 begleiten.
Der Sponsor
Mit über 40 Standorten und einem Netzwerk von 3.000 hochqualifizierten Mitarbeiter:innen ist die Brunel GmbH einer der führenden Ingenieurdienstleister innerhalb der DACH-Region und Tschechiens und unterstützt Unternehmen unterschiedlichster Branchen mit ganzheitlichen Projektlösungen in allen Bereichen des modernen Engineerings. Dabei lösen die Ingenieur:innen, Informatiker:innen, Techniker:innen und Manager:innen komplexe Aufgaben entlang der gesamten Prozesskette: von der Entwicklung über Konstruktion, Verifikation, Prototyping und Testing bis hin zum Management Support.Die Brunel GmbH ist Teil der Unternehmensgruppe Brunel International N.V., die mit mehr als 10.000 Mitarbeiter:innen an 97 Standorten in 35 Ländern aktiv ist.
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