Im Gegensatz zur Luft- geht es der Raumfahrt trotz Corona vergleichsweise gut. Aufgaben und Herausforderungen gibt es genügend – das Jungunternehmen OKAPI:Orbits sorgt beispielsweise dafür, dass Satelliten nicht miteinander kollidieren. Wir trafen Kristina Nikolaus, Mitgründerin, zum Gespräch.
Kristina, Start-ups haben meist von Gründung an eine starke Digitalisierungs-Kultur. Hat Corona euch trotzdem getroffen?
Ja und nein, das ist ein durchaus komplexes Thema. Wir waren von Anfang an digital aufgestellt und entsprechend flexibel, was Mitarbeitende im Home Office angeht. Als internationales Unternehmen hatten wir schon immer internationale Meetings. Ein junges Unternehmen lebt aber von dem Miteinander der Menschen und auch die Kundenakquise stockte etwas, weil es keine Live-Events gab: Wer sich persönlich trifft und kennt, schafft mehr Vertrauen – das fehlte für einige Monate. Positiv ist aber, dass wir nicht in der Luft- sondern Raumfahrt aktiv sind. Unser Geschäftsfeld und unsere Branche sind nicht kollabiert, sondern stabil geblieben. Wir haben auch nicht viel Konkurrenz, abgesehen von der staatlichen Seite und dem amerikanischen Unternehmen AGI, das wiederrum einen militärischen Hintergrund hat.
In eurem Business geht es um Satelliten, die dank ausgeklügelter IT-Systeme nicht miteinander kollidieren. Ist der Orbit denn schon ausgelastet?
Man kann das gut mit Fahrzeugen vergleichen: Vor 100 Jahren konnte man sich noch nicht vorstellen, dass es einmal so viele auf den Straßen geben würde, es funktioniert aber trotzdem. So ähnlich ist es im Orbit auch – noch ist Platz und es gibt neben Elon Musk weitere Player, die noch einiges vorhaben: Das Projekt Kuiper von Jeff Bezos beispielsweise. Die Frage ist weniger, wie viele Platz haben, sondern wie wir die Satelliten untereinander managen, sie platzieren und leiten. Denn wenn es einmal kracht, dann gibt es enorme Kettenreaktionen mit vielen weiteren Kollisionen, bekannt als Kessler-Syndrom.
Welche Gefahren entstehen denn durch Weltraummüll von Satelliten?
In erster Linie macht Verschmutzung den Orbit schlichtweg nicht mehr nutzbar. Immer mehr innovative Technologien sind satellitengestützt und damit in Gefahr. Dazu gehören zum Beispiel die Waldbrandfrüherkennung, die Erkennung von drohenden Schäden unserer Schienennetze oder die Analyse der Bodenbeschaffenheit im Agrarbereich. Für Menschen entsteht keine unmittelbare Bedrohung, weil der Schrott in der Regel verglüht.
Ist das Risiko durch Schrott dennoch groß genug, um ihn zu reduzieren?
Definitiv. Daher ist der erste Schritt, proaktiv keinen Weltraumschrott entstehen zu lassen. An dieser Stelle setzen wir von OKAPI:Orbits an. Die Reduzierung des Schrotts ist Schritt 2 – hierzu werden gerade verschiedene Möglichkeiten getestet, unter anderem von Clearspace, oder der TU Braunschweig. Die Universität entwickelt sogenannte Gecko-Greifer, die auf Satelliten aufgesetzt werden und die taumelnden Schrott Richtung Atmosphäre dirigieren, damit er darin verglüht. Weitere Versuche gibt es mit Netzen und Harpunen. Leider steht immer noch die Frage der Finanzierung im Raum: Im Orbit gibt es Schrott von vielen Nationen aus vielen Jahrzehnten der Nutzung – wer wie viel hinterlassen hat, lässt sich im Einzelnen nicht exakt nachvollziehen.
Apropos „die nächsten zehn Jahre“ – ein etabliertes Unternehmen zu führen, ist eine andere Herausforderung, als ein Start-up zu gründen.
Das ist uns bewusst, aktuell haben wir aber immer noch Start-up-typische Herausforderungen zu bewältigen. Zeitgleich merken wir, dass sich unsere Arbeitsweisen und Prozesse allmählich ändern. Ich denke, als CEO muss man schlichtweg ein Allrounder sein, Herausforderungen wird es immer geben. Ich habe beispielsweise programmieren gelernt, nicht nur, um die IT-Arbeits- und Denkweise zu verstehen, sondern um selbst auch etwas beitragen zu können.
Wie bist du dabei vorgegangen?
Relativ einfach, indem ich an der Uni viele IT-Vorlesungen besucht habe, bei Siemens als Werkstudentin gearbeitet und nebenbei selbst programmiert habe. Meine Programmierkenntnisse helfen mit im Arbeitsalltag sehr.
Im Tech-Bereich werden Frauen oft unterschätzt. Warst du solchen Situationen auch ausgesetzt?
Während der Gründung ist mir das aufgefallen: Dass ich jung und weiblich, sowie nicht direkt aus der Industrie bin, hat es anfangs schwerer gemacht. Es waren vor allem indirekte Kommentare, die wie ein Kompliment gewirkt haben, aber eine unterschwellige Bedeutung hatten. Irgendwann wurden die seltener. Dass man mit mir über Raumfahrt auf fachlichem Niveau reden kann, war anscheinend des Öfteren eine Überraschung. Bei Interviews wurde ich beispielsweise nach Familie und Kinderplanung gefragt, der Kollege neben mir nicht. Ich habe mich zu der Zeit auch aktiv mit meiner Außenwirkung auseinandergesetzt. Mittlerweile spreche ich solche Situationen an, die meisten rechnen nicht mit so einer Reaktion. Sie sind dann sehr peinlich berührt und entschuldigen sich. Ich hoffe, so bringe ich einzelne Personen zum Umdenken, damit das einer anderen Frau nach mir nicht mehr passiert.
Les gerne weiter im Karrierenetzwerk Female Engineering oder alle Beiträge aus der Luft- und Raumfahrt.