Wenn es darum geht, das menschliche Auge durch Sensoren zu ersetzen, um autonomes Fahren zu ermöglichen, galten Time of Light-Sensoren lange als -die- Lösung. Doch nun stehen die sogenannten FCMW-LiDAR-Sensoren in den Startlöchern und versprechen mehr Sichtweite, Sicherheit und Zuverlässigkeit: Andy Zott von Scantinel im Gespräch mit hitech-campus.de.
Herr Zott, die Absicht, autonomes Fahren zur Norm zu machen, ist keine neu erklärte. Dass es dafür Laser braucht, um das menschliche Auge zu ersetzen, auch nicht. Doch was ist der aktuelle Stand der Dinge und warum braucht es hier weitere Entwicklungszeit?
Selbstfahrende Autos, autonome Taxi- und Lieferdienste sowie Busse sind ohne Zweifel der Megatrend der Mobilitätsindustrie und haben das Potential, die Sicherheit und Effizienz unserer Transportsysteme deutlich zu verbessern. Dies wird durch die LiDAR-Sensoren der nächsten Generation ermöglicht, die auf Basis der photonischen Integration kostengünstig und kompakt gefertigt werden können. Man kann sich das ähnlich der Integration elektronischer Komponenten vorstellen, die die Zuverlässigkeit, Kosten und Baugröße elektronischer Systeme um Größenordnungen verbessert hat.
In unserem Fall werden statt elektronischer Komponenten optische Komponenten integriert. Diese hochintegrierten, sogenannten Photonic ICs, befinden sich erst am Anfang der Entwicklung und es ist noch Einiges an Forschung und Entwicklung erforderlich, um diese in großen Stückzahlen preiswert zu produzieren – und genau dies ist unsere Mission und Aufgabe.
Was unterscheidet die neue Technologie Frequency Modulated Continuous Wave (FMCW) LIDAR von der bisherigen Time of Light-Auffassung?
Die FMCW-LiDAR-Technologie besitzt signifikante Vorteile gegenüber gängigen Verfahren: Eine Reichweite von über 250 Metern beispielsweise oder dass sie sozusagen immun gegen Umgebungslicht und Sensor Cross-Talk ist: Das System wird auch von starken Umgebungslichtquellen oder Signalen anderer LiDAR Sensoren nicht gestört. Sie misst gleichzeitig Distanz und Geschwindigkeit in jedem Datenpunkt und reduziert dadurch Rechenaufwand und Systemkosten. Da hochintegrierte Photonic Integrated Circuits verwendet werden, entstehen geringe Kosten und eine hohe Skalierbarkeit in der Produktion.
Wie verhalten sich die Ergebnisse der Laser unter erschwerten Bedingungen wie Starkregen oder Schneefall?
Aufgrund der verwendeten Wellenlänge von 1550 nm und der verwendeten FMCW-Technologie ist das Verfahren sehr robust gegenüber schlechten Witterungsbedingung oder direktem Sonnenlicht. Bei Regen und Schnee trifft noch genug Licht, sozusagen an den Regentropfen vorbei, auf das zu messende Objekt, sodass eine Messung ermöglicht wird. Bei sehr starkem Regen wird allerdings auch ein autonomes Fahrzeug mit FMCW-LiDAR langsamer fahren müssen, da die Reichweite des Sensors sinkt.
Wo wird FMCW-LiDAR aktuell bereits eingesetzt?
FMCW-RADAR wird heute schon standardmäßig als Fahrerassistenzsystem in der Automobilindustrie angeboten. Im Unterschied zu Radar wird bei FMCW-LiDAR nicht mit Radiowellen, sondern mit Laserlicht gearbeitet und damit eine wesentlich bessere Bildauflösung, sowie die verbesserte Erkennung von Objekten, wie zum Beispiel Fußgängern und Radfahrern ermöglicht.
Inwiefern unterstützt die ZEISS Gruppe das Team von Scantinel?
Wir sind ein Start-up finanziert von Zeiss Ventures, außerdem haben wir Zugriff auf das exzellente wissenschaftliche und technische Know-how von Zeiss, das in vielen Bereichen der Optik weltweit eine herausragende Stellung hat. So arbeiten zu Beispiel Spezialisten von Zeiss am optischen Design unseres Solid State Scanners mit.
Wie kam es zur Gründung von Scantinel?
FMCW-LiDAR basierend auf photonischer Integration ist eine neue Technologie mit noch beträchtlichem Entwicklungsaufwand. Es bietet sich daher an, diese Entwicklung in einer kleinen, flexiblen und dedizierten Einheit voranzutreiben. Daher war es ein logischer Schritt die Scantinel Photonics GmbH zu gründen, um so die notwendige Flexibilität sicherzustellen und schnelle und kurze Entscheidungswege zu ermöglichen.
Das Führungsteam besteht aus 5 älteren, weißen Männern. Wie steht es um Diversity & Equality bei Scantinel?
Unser Team besteht aus Kollegen aus der ganzen Welt, mittlerweile haben wir in unserem Team 6 Nationalitäten vertreten aus Südamerika, Asien und Europa. Für uns zählt weder Geschlecht, Herkunft noch Geburtsort, sondern Passion und Out-of-the-Box-Thinking. Wir würden uns sehr freuen, wenn auch mehr Frauen eine technische Karriere einschlagen würden und sich bei uns bewerben.
Über Scantinel: Scantinel wurde im Dezember 2019 von 4 Zeiss-Mitarbeitern gegründet, die zusammen mit weiteren Kollegen bei Zeiss seit 2016 an der FMCW-LiDAR-Technologie gearbeitet haben. Zu den Standorten gehören Ulm und Karlsruhe (im Zeiss-KIT Innovationhub auf dem KIT Campus), außerdem wird intensiv und eng mit strategischen Partnern in den USA und Belgien zusammen gearbeitet.