Prof. Dr. Caroline Ruiner ist Professorin für Soziologie an der Universität Hohenheim und forscht zum Thema Wandel von Arbeit im Kontext der digitalen Transformation von KI. Sie weiß, worauf es beim Thema KI in der Arbeitswelt ankommt und welche Chancen sich denen bieten, die mit KI vertraut sind.
Was bedeutet KI für die Arbeitswelt von morgen?
Die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt sind grundlegend, aber tatsächlich nicht final absehbar. Das hängt zum einen mit einer vergleichsweisen dynamischen Entwicklung von KI-Systemen und -Tools zusammen, hängt aber auch von den Umgangsstrategien mit den Veränderungen ab. Insofern sind die Auswirkungen von KI auf die Arbeitswelt von den technologischen Entwicklungen abhängig, aber auch von gesellschaftlichen Trends, organisatorischen Rahmenbedingungen und individuellen Umgangsweisen.
Relativ sicher ist, dass es für unterschiedlichste Tätigkeiten in der Arbeitswelt KI-Tools gibt und geben wird, die die Arbeit unterstützen können. Das verändert die Tätigkeiten als solches und erfordert teilweise neue Kompetenzprofile. So kann es sein, dass manche Tätigkeiten abgelöst werden, dafür neue Tätigkeiten entstehen und hinzukommen. Wichtig ist in jedem Fall, die technische Unterstützung so zu entwickeln und einzusetzen, dass sie von den Beschäftigten als unterstützend wahrgenommen werden und in diesem Zuge die Arbeit selbst, die Arbeitsbedingungen und auch die Arbeitsergebnisse insgesamt positiver gestaltet werden. In dieser Entwicklung ist durchaus die Möglichkeit regulatorischer Eingriffe zu berücksichtigen. Es könnten Maßnahmen ergriffen werden, um den Einsatz von KI zu regeln, sei es zum Schutz der Arbeitnehmerrechte oder zur Gewährleistung der ethischen Verwendung von KI-Systemen.
Zunächst ging man davon aus, dass der Fortschritt vor allem Blue Collar-Jobs wegrationalisieren würde. Nun zeigt uns KI, auch dass Wissensarbeiter:innen von der Technologie betroffen sind. Was bedeutet das für akademische Berufsbilder? Die Entwicklung macht auch vor akademischen Berufen nicht Halt. KI wird zunehmend bei wissensbasierten Aufgaben eingesetzt beziehungsweise in Bereichen, in denen Daten und Informationen die Grundlage für Entscheidungen bilden. Ein bemerkenswertes Beispiel ist das Jura-Studium und der Anwaltsberuf, die bereits durch die Einführung von Legal-Tech-Unternehmen beeinflusst werden oder auch die Medizin als evidenzbasierte Wissenschaft und die Profession der Ärzt:innen.
Durch die Entwicklung von KI-Systemen, die eine große Menge an Daten analysieren können, stehen Wissenschaftler:innen vor neuen Chancen und Herausforderungen
Traditionell waren derartige hochqualifizierte Tätigkeiten stark von menschlicher Expertise und Urteilsvermögen geprägt. Doch mit der Entwicklung von KI-Systemen, die komplexe Dokumente analysieren, eine große Menge an Daten auswerten können, stehen Hochqualifizierte vor neuen Herausforderungen und Chancen. KI-basierte Systeme ermöglichen eine schnellere und effizientere Erfassung von Dokumenten, Zahlen, Bildern sowie die Identifizierung von relevanten Mustern. In der Folge könnten bestimmte Aufgaben, die bisher von hochqualifizierten Personen ausgeführt wurden, von KI-Systemen übernommen werden. Das kann zu einer Umstrukturierung der Arbeitsinhalte und -tätigkeiten führen.
Dennoch braucht es die menschliche Perspektive und Expertise zur Beurteilung KI-basierter Ergebnisse und die Möglichkeit diese zu hinterfragen und auf seltene Abweichungen zu prüfen. Für das Hochschulstudium bedeutet dies, dass neben traditionellen Fachinhalten, Fähigkeiten und Fertigkeiten auch ein Verständnis für die Funktionsweise von KI-Systemen und deren Anwendungen entwickeln müssen, um kompetent im Berufsleben mit KI-Systemen umgehen zu können.
Hat die Lehre an den Hochschulen bereits antizipiert, was KI für die Veränderung von Berufsbildern bedeutet?
Die Anpassung der Hochschullehre an die Auswirkungen des Einsatzes von KI auf die Veränderung von Berufsbildern ist in der Tat eine große Herausforderung. Gerade in letzter Zeit haben Universitäten bereits große Fortschritte bei der Integration von Technologie in ihre Lehrpläne gemacht. Einerseits geht es um die Integration von KI-bezogenen Lehrinhalten und die Anpassung bestehender Lehrpläne, andererseits geht es um die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedenster Disziplinen mit KI-Expert:innen und weiteren IT- Spezialist:innen, um innovative Lehr- und Lernansätze zu entwickeln und einen Wissenstransfer zu leisten.
Wie sollte ich mich als Student:in frühzeitig und kontinuierlich technologisch weiterbilden, sodass ich dauerhaft „vor dem Wind segle“? Heutige Studierende, die sich in der sich schnell entwickelnden Landschaft der Technologie und der KI zurechtfinden, sollten sich proaktiv und kontinuierlich weiterbilden, um in ihrer akademischen und beruflichen Laufbahn „vor dem Wind zu segeln“. Auch wenn KI zu Beginn des Studiums vielleicht noch kein Thema oder Schwerpunkt war oder auch, wenn man schon im Job ist, ist angeraten, sich mit den aktuellen technologischen Entwicklungen frühzeitig auseinanderzusetzen.
„Networking und Zusammenarbeit sind wertvolle Quellen des Lernens und der beruflichen Entwicklung.“
Ein erster Schritt ist, ein grundlegendes Verständnis für KI und ihre Anwendungen zu entwickeln. Dies kann über Online-Kurse, MOOCs, Bücher und Artikel gelingen, um sich mit den Grundlagen von maschinellem Lernen und Datenanalyse vertraut zu machen. Um auf dem aktuellen Stand zu bleiben, sollte man sich über die neuesten Entwicklungen und Trends in den Bereichen Technologie und KI auf dem Laufenden halten, sich über KI-Tools und -Plattformen informieren und vor allem kritisches Denken und Problemlösungsfähigkeiten entwickeln. Hierbei sind praktische Erfahrung entscheidend. Das Experimentieren mit KI-Plattformen und – Werkzeugen, die Vernetzung und der Austausch mit Gleichgesinnten sind hier wichtige und weiterführende Ansätze. Networking und Zusammenarbeit sind wertvolle Quellen des Lernens und der beruflichen Entwicklung.
Frauen wird oft bescheinigt, in Berufen mit hohem Kommunikationsanteil ihre Stärken ausspielen zu können. Nun wirkt sich KI gerade diesen Branchen besonders aus. Sollten Frauen deshalb mit besonderem Interesse auf die weiteren Entwicklungen blicken? Ich sehe den Aufstieg der KI sowohl für Frauen als auch für Männer als eine Herausforderung und eine Chance. Da KI immer mehr operative Aufgaben übernimmt, werden Kommunikationsfähigkeiten in Bereichen, die nicht automatisiert werden können, wie Teambildung und Zusammenarbeit, wichtiger. In einer digital veränderten Arbeitswelt, in der mobile Arbeit und virtuelle Kommunikation an Bedeutung gewinnen, ist die Fähigkeit, Beziehungen zu pflegen, Vertrauen zu schaffen und das Zusammengehörigkeitsgefühl in Teams zu fördern, zentral.
In jeglichen Tätigkeiten wird generative KI menschliche Kreativität und strategisches Denken nicht ersetzen. Personen, die starke kommunikative Fähigkeiten besitzen, können diese Kompetenzen nutzen, um KI-generierte Inhalte zu interpretieren, zu bewerten und strategisch einzusetzen. Sie können dazu beitragen, die von KI entwickelten Inhalte mit menschlicher Sensibilität zu verfeinern und zu personalisieren, um eine wirkungsvolle Kundenansprache zu gewährleisten. Es geht hierbei um die Entwicklung von sogenannter hybrider Intelligenz, um die Vorteile von KI und Menschen miteinander zu vereinen und insgesamt zu besseren Lösungen zu gelangen.
Prof. Dr. Caroline Ruiner ist Prorektorin für Digitale Transformation und Nachhaltigkeit Welche konkreten Kompetenzen werden in Zukunft wertvoll sein, um sich erfolgreich in einer digital transformierten Arbeitswelt zu positionieren?
Technologisches Know-how ist zweifellos von zentraler Bedeutung, doch auch Soft Skills wie Flexibilität und Anpassungsfähigkeit spielen eine ebenso wichtige Rolle, um sich in der digital veränderten Arbeitswelt zurechtzufinden. Flexibilität ermöglicht es den Einzelpersonen, sich schnell an veränderte Umstände anzupassen, auf veränderte Arbeitsanforderungen zu reagieren und neue Rollen zu übernehmen. Zudem sind Kreativität, kritisches Denken, Problemlösungskompetenzen und zwischenmenschliche Kommunikationsfähigkeiten als menschliche Stärken zentral.
Schließlich benötigt es Datenkompetenz und digitale Kompetenz, um in der digitalen Arbeitswelt zu reüssieren und die Chancen der digitalen Transformation zu Women in Tech KI 15 nutzen, das heißt in der Lage zu sein, Daten zu sammeln, zu analysieren, zu interpretieren und daraus sinnvolle Erkenntnisse abzuleiten sowie effizient und effektiv mit digitalen Tools wie KI-basierten Systemen zu arbeiten.
Wenn Sie heute überlegen müssten, was Sie studieren sollten, wie würden Sie vorgehen, um einen möglichen Disruptionsgrad auf in Frage kommende Berufsfelder zu identifizieren?
Zunächst einmal würde ich empfehlen, eine Haltung einzunehmen, die von Offenheit, Flexibilität und kontinuierlichem Lernen geprägt ist. Dazu gehört auch, sich über neue Technologien und deren Anwendung zu informieren. Grundsätzlich bietet KI so viele Möglichkeiten, dass anzunehmen ist, dass kaum ein Beruf, Feld oder eine Branche davon ausgenommen ist. Daher geht es nach wie vor grundsätzlich darum, einen Bereich zu finden, der einen interessiert. Sicherlich sollte man berücksichtigen, dass einzelne Tätigkeiten automatisiert werden können und in Zukunft seltener anfallen. Das ist aktuell weniger wahrscheinlich für Tätigkeiten mit einem hohen Bedarf an zwischenmenschlicher Interaktion, komplexen Problemlösungsfähigkeiten oder kreativem Denken. Doch auch hier sind Änderungen erwartbar. Insofern ist und bleibt es wichtig, offen zu sein, sich weiterzuentwickeln und flexibel zu zeigen, um den sich wandelnden Anforderungen der Arbeitswelt erfolgreich zu begegnen oder diese mitzugestalten.