Immer mehr Unternehmen setzen auf IT-Consulting, um Beratung und Unterstützung bei der Neueinführung oder Weiterentwicklung von IT-Systemen zu erhalten. Prof. Dr. Nils Urbach hat neben seiner Erfahrung als Wissenschaftler auch Erfahrung in der Unternehmensberatung gesammelt. Er erklärt, worauf es beim IT-Consulting ankommt und welche Qualifikationen für dieses Berufsbild vorteilhaft sind.
Prof. Urbach, die Digitalisierung betrifft sowohl die freie als auch die öffentliche Wirtschaft. Wie wirkt sich der immer fortschreitende Digitalisierungsaspekt auf das IT-Consulting aus?
Die Digitalisierung wirkt sich meiner Wahrnehmung nach aus zwei Richtungen auf das IT-Consulting aus. Einerseits führt die Digitalisierung zu veränderten Projektinhalten und adressierten Fragestellungen innerhalb von Projekten. Andererseits verändert sich auch der Beratungsmarkt als solcher. Inhaltlich spielen beispielsweise technologie- und datengetriebene Fragestellungen mit direktem Business Impact eine immer größere Rolle, was zu einem geänderten Anforderungsprofil an die Berater:innen geführt hat. Noch vor wenigen Jahren war eine vergleichsweise generalistische Aufstellung oftmals ausreichend, um Beratungsprojekte erfolgreich abschließen zu können. Heute ist sehr viel häufiger echtes Spezialistenwissen gefragt, da die Fragestellungen komplexer geworden sind. Hinsichtlich der Marktveränderungen spielen digitale Beratungsleistungen eine immer größer werdende Rolle im Angebotsportfolio der Beratungsgesellschaften. Hierzu gehören beispielsweise digitale Beratungsinstrumente sowie das Bereitstellen von softwaregestützten Beratungstools mit Self-Service-Funktion zu- nehmend häufiger zum Repertoire der Consultants.
Sie haben selbst als Unternehmensberater gearbeitet und engagieren sich auch heute in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit für öffentlich geförderte und privatwirtschaftlich finanzierte Forschungsprojekte. Welche Probleme sollen in diesen Projekten gelöst werden und wie sieht Ihr Berufsalltag als IT-Consultant aus?
Die in Beratungs- und angewandten Forschungsprojekten adressierten Themen sind vergleichsweise vielfältig. Sie reichen von der Entwicklung von Digitalstrategien und digitalen Geschäftsmodellen sowie der Ableitung entsprechender Roadmaps über die Analyse und Gestaltung digitaler Geschäftsprozesse bis hin zur Konzeption, Entwicklung und Erprobung innovativer technologischer Systeme. Das Aufgabenportfolio umfasst dabei strategische und fachliche-konzeptionelle Aspekte ebenso wie technologiezentrierte Aufgaben. Der IT-Consultant fungiert dabei nicht selten als Vermittler zwischen Geschäfts- und IT-Seite. Der Berufsalltag eines IT-Consultants und angewandten Forschers ist vor allem durch eine enge Integration in die Arbeitswelt des Kundenunternehmens und einen intensiven Austausch mit den entsprechenden Ansprechpartner:innen auf Kund:innenseite geprägt.
Ein Unternehmen kontaktiert Sie für eine IT-Beratung. Wie gehen Sie hierbei vor und wie sieht die Beratung, die Sie geben konkret aus?
Hier gilt es zunächst, die Bedürfnisse des Kunden bestmöglich zu verstehen, bevor die Beratungs- und Unterstützungsleistung als solche erbracht werden kann. In der Regel sind die Anforderungen an ein Beratungsmandat sehr spezifisch und bedürfen einer individuellen Vorgehensweise. Gerade bei sehr innovativen Fragestellungen gibt es nicht selten wenig Erfahrungswissen, auf das unmittelbar zurückgegriffen werden kann. Hier sind dann besondere konzeptionelle Fähigkeiten gefragt, um die Problemstellungen und Vorgehensweisen zu strukturieren und zu planen. Gleichzeitig gibt es Projekte, die in ähnlicher Form auch an anderer Stelle bereits erfolgreich über die Ziellinie gebracht wurden. In solchen Fällen kann das entsprechende Erfahrungswissen natürlich sehr viel stärker eingebracht werden.
Als Professor für Wirtschaftsinformatik begleiten Sie Studierende in und außerhalb von universitären Lehrveranstaltungen. Was raten Sie Studierenden, wenn sie ins IT-Consulting einsteigen möchten?
Ich versuche, meinen Studierenden grundsätzlich einen differenzierten Blick auf die verschiedenen Berufsfelder zu vermitteln. Es gibt aus meiner Sicht vermutlich kaum interessantere Aufgaben als die eines Unternehmensberaters und angewandten Forschers. Nur in wenigen Berufszweigen lernen Berufseinsteiger:innen in kürzester Zeit so viele verschiedene Unternehmen, fachliche Domänen und adressierte Fragestellungen kennen als in der Beratung. Die Lernkurven der eingesetzten Mitarbeiter:innen sind entsprechend steil, das Arbeitsumfeld ist meist dynamisch und leistungsorientiert. Gleichzeitig muss einem die sehr kundenorientierte Arbeitsweise und das damit in der Regel verbundene hohe Reiseaufkommen auch liegen. Ebenso sind die Leistungserwartungen oftmals deutlich höher als in anderen Berufszweigen. Dies gilt es bei der individuellen Berufswahl abzuwägen.
Welche IT-Kenntnisse sollte ich als Hochschulabsolvent:in mitbringen, wenn ich mich beruflich dem IT-Consulting widmen möchte?
Hinsichtlich der erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten ist zwischen fachlichen – hard skills – und überfachlichen – soft skills – Anforderungen zu entscheiden. Bei den hard skills sind je nach Spezialisierung einschlägige Kenntnisse sowohl in betriebswirtschaftlichen als auch in technologischen Themenbereichen essentiell.
IT-Consultants schlagen in der Regel die Brücke zwischen Business und IT, weshalb eine solide, per Definition interdisziplinäre Wirtschaftsinformatik-Ausbildung an dieser Stelle besonders gut eingebracht werden kann. Ebenso werden starke konzeptionelle und analytische Fähigkeiten benötigt. Auf der überfachlichen Seite ist ein gewisses Maß an Einsatzbereitschaft und Belastbarkeit von Vorteil, da Beratungsprojekte nicht selten inhaltlich anspruchsvoll sind und gleichzeitig unter Zeitdruck stehen. Ebenso ist eine Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeiten und Einsatzorten gefragt. Darüber hinaus sind, wie in vielen anderen Berufszweigen auch, softe Aspekte wie Kommunikations- und Teamfähigkeit, Eigenverantwortlichkeit, Fremdsprachenkenntnisse sowie Freude an interdisziplinärer Zusammenarbeit sehr wichtig.
Ist es empfehlenswert, sich als angehende:r IT-Berater:in auf einen bestimmten Bereich, zum Beispiel Finanzen oder die Automobilindustrie zu spezialisieren?
Diese Frage ist aus meiner Sicht nicht allgemeingültig zu beantworten und sollte meiner Meinung nach vor allem von den individuellen Präferenzen des Einzelnen abhängen. Grundsätzlich würde ich aber empfehlen, gerade in jüngeren Berufsjahren in mindestens einem Bereich echtes Expertenwissen aufzubauen, für das ich entsprechend auch wahrgenommen werde. Gleichzeitig geht es aber gerade in der Beratung um ein hinreichend großes Breitenwissen. Typische Karrieren folgen daher nicht selten dem Modell des „T-shaped Professional“, welches das erforderliche fachliche Tiefenwissen mit dem nötigen Breitenwissen kombiniert. Als IT-Berater würde ich zudem dazu tendieren, sich eher thematisch als branchenspezifisch zu fokussieren, da viele Fragestellungen im Kontext der Digitalisierung über Branchengrenzen hinweg zu beantworten sind.
Über Prof. Nils Urbach
Nils Urbach ist Professor für Wirtschaftsinformatik, Digital Business & Mobilität sowie Direktor des Research Lab for Digital Innovation & Transformation an der Frankfurt University of Applied Science. Zudem ist er in der wissenschaftlichen Leitung des Kernkompetenzzentrums Finanz- & Informationsmanagement und Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT engagiert.