Aktuell erhebt ein Projekt einer deutschen Forschergruppe zu „Climate Change and Health in sub-Saharan Africa“ (gefördert durch die Deutsche Forschergemeinschaft, DFG) in zwei afrikanischen Ländern hochaufgelöste Daten mithilfe von Wearables und Wetterstationen. Ziel ist es, den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Gesundheit von armen Bevölkerungen besser zu verstehen. Die wissenschaftliche Leitung übernimmt dabei Dr. Sandra Barteit – im Interview erklärt sie das Projekt und den Einsatz von Data Science in der Klimaforschung genauer.
Dr. Barteit, in „Ihrem“ aktuellen Projekt geht es sowohl um Data Science, Gesundheit und den Klimawandel. Erklären Sie uns gerne mehr.
Richtig, insgesamt wird in der Forschergruppe „Climate Change and Health in sub-Saharan Africa“ zurzeit an zehn Projekten geforscht, bei denen viele deutsche Universitäten mitbeteiligt sind. Die Projekte fokussieren sich auf den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Gesundheit der primär armen Bevölkerung in Burkina Faso und Kenia, die als unsere Partner im Fokus der Forschergruppe sind. Hintergrund ist, dass der Temperaturanstieg, aber auch andere klimatische Faktoren, extreme Wetterereignisse bedingen und damit auch Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit haben. So können sich dadurch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Atemwegs- sowie Infektionskrankheiten verschlimmern. Das Projekt, bei dem ich die wissenschaftliche Leitung habe, nennt sich „Entwicklung und Analyse von Bevölkerungskohorten in Burkina Faso und Kenia“. Es geht im Wesentlichen darum, aus den Messwerten einen Zusammenhang zwischen Auswirkungen des Klimawandels, wie extreme Hitzeperioden, und Auswirkungen auf die Gesundheitsfaktoren zu erkennen. Wir verwenden dafür „Wearables“, die bekannterweise mit Sensoren ausgestattet sind, die Herzfrequenz, Aktivität und Schlafqualität messen.
Internationaler Teameffort für hochaufgelöste Daten
Mit welchen Partnern kooperieren Sie für diese Forschung?
Wir arbeiten in der Forschergruppe intensiv zusammen, besonders eng kollaborieren wir für dieses Projekt mit Professor Gunga und seinem Team von der Charité. Sie befassen sich mit extremer Umwelt- und Weltraummedizin und haben schon mit der ISS zusammengearbeitet, um ihre Sensoren im Weltraum zu testen. Wir vergleichen diese sogenannten „Gold Standard Sensoren“, die gut in Extremsituationen funktionieren, mit unseren eigenen Sensoren. Außerdem arbeiten wir mit einem Projekt zusammen, bei dem ein Sensor in den Unterkünften der Studienteilnehmenden angebracht wird, um Temperatur und Feuchtigkeit innerhalb des Raumes zu messen, während wir diese Daten zeitgleich für den Außenbereich erheben.
Weitere Partner sind das Potsdam Institute for Climate Impact Research, das KIT in Karlsruhe, die Humboldt Universität in Berlin, das Swiss Tropical und Public Health Institute sowie unser Heidelberg Institut für Global Health. In Burkina Faso kooperieren wir mit dem Centre de Recherche en Santé de Nouna (CRSN) und in Kenia mit dem Kenya Medical Research Centre (KEMRI), dessen Doktoranden mit uns gemeinsam an unseren Projekten arbeiten, damit sie auch innerhalb ihrer Community das Wissen gut weitergeben können.
Wer hat denn die Expertise für die Wetterstationen, die Sie zur Messung im Außenbereich nutzen, eingebracht?
Hier unterstützt uns eine Firma, die Erfahrungen mit Wetterstationen in Subsahara-Afrika und unter anderem schon mit dem West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use (WASCAL) zusammengearbeitet hat. Ein wichtiger Schritt, denn uns wäre es im Moment aufgrund von Terrorismus überhaupt nicht möglich gewesen, nach Burkina Faso einzureisen.
Nach Kenia sind wir letztes Jahr im März mit einem Team aus Deutschland und aus Burkina Faso geflogen. Ein Experte der Wetterstationsfirma hat mit uns zusammen zwei Wetterstationen aufgebaut und bei den letzten drei dem kenianischen Team freie Hand gelassen. Diese Wetterstationen synchronisieren die Daten automatisch per Handynetzwerk in unsere Cloud, sodass wir sie in Echtzeit zur Verfügung haben. Sie sind sehr hochwertig, liefern hochaufgelöste Daten, messen Windgeschwindigkeit und -richtung, Sonneneinstrahlung, Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Regenmenge und sogar die „Wet Bulb Globe Temperature“, also die Hitzebelastung auf den einzelnen Menschen, die mehrere dieser Werte kombiniert.
Data Science in der Klimaforschung
Was kann man sich darunter vorstellen, wenn Sie „hochaufgelöste Daten“ sagen?
Wir haben Wetterstationen in einem relativ kleinen Gebiet, je fünf in Burkina Faso und fünf in Kenia, daher also eine hohe räumliche Auflösung, was so bisher noch nie gemacht wurde. Normalerweise werden einmalige Querschnittstudien zu einem bestimmten Wert, wie Bluthochdruck, durchgeführt. Diese gehen über wenige Jahre und gemessen wird etwa einmal pro Woche. Im Gegensatz dazu generieren wir alle zehn Minuten einen Messwert mit den Wearables und auch den Wetterstationen. Das ist ein völlig neues Volumen, das uns neue Einsichten ermöglicht, aber auch die Analyse sehr umfangreich macht.
Sie haben die Daten aus den Wetterstationen und die Daten aus den Wearables. Wie werden diese in erster Instanz aufbereitet und weiterverarbeitet?
Das Wearable kann tatsächlich sehr lange Daten zwischenspeichern. Wir haben Feldarbeiter in Burkina Faso und Kenia, die alle zwei Wochen mit einem Tablet teilnehmende Haushalte besuchen, die Daten auslesen und in die Cloud synchronisieren, sodass wir hier direkt Zugriff darauf haben. Zukünftig werden wir ein Programm entwickeln, das diesen Prozess automatisiert und die Werte vorsortiert. Im nächsten Schritt werden die verschiedenen Daten zusammengeführt, wofür wir eine Graphdatenbank nutzen, die ideal geeignet ist für stark vernetzte Daten, wie wir sie vorliegen haben. Als weiterer Schritt ist dann die Analyse der Daten vorgesehen. Dazu können über die Datenbank sehr einfach bestimmte Untermengen abgefragt und exportiert werden. Gerade haben wir außerdem unsere erste Überprüfung abgeschlossen, Stärken und Schwächen – beispielsweise fehlende oder falsche Werte – der Datenerhebung herausgearbeitet und auch unsere Testpersonen zum Projektverlauf befragt.
Wearables müssen mehr Daten erfassen können
Spielt KI bei der Datenanalyse auch eine Rolle?
Für die Analyse verwenden wir durchaus künstliche Intelligenz, zunächst einmal aber explorativ, da wir uns ja in unserer ersten Projektphase befinden. Es geht also primär erst einmal darum zu erforschen, welche Muster die KI entdeckt, aus denen wir dann Rückschlüsse ziehen können, die uns vielleicht bisher noch unbekannt waren. So gibt es möglicherweise Gemeinsamkeiten zwischen den untersuchten Individuen, die uns so noch nicht aufgefallen sind. Neben der explorativen Komponente der KI-Nutzung, hoffen wir darauf, die Muster, die die Wearables erkennen lassen, beispielsweise mit Aktivitäten der Community verknüpfen zu können. Wearables erkennen bis dato eine westliche Palette von Aktivitäten, etwa Yoga. Das ließe sich um Aktivitäten erweitern, die typisch für das ländliche Afrika sind, wie Wasserholen oder Ernten.
Gibt es Hoffnungen, die Sie persönlich mit dem Projekt verbinden?
Ja, absolut – idealerweise ergibt sich aus diesem Projekt eine Stärkung der Klima- und Gesundheitsforschung. Wir sind angedockt an das Health and Demographic Surveillance System (HDSS) bestehend aus geografisch definierten Regionen, von denen es insgesamt zirka fünfzig Stück in Afrika und Asien gibt und die eher demografische Daten zu Migration und Population erheben. Wir versuchen die Perspektive der Prävention miteinzubringen, die erklärt, wie die Krankheitslast innerhalb der Bevölkerung ist und wie frühzeitiger Tod vermieden werden kann. Eine andere Hoffnung ist aber auch, durch die hochauflösenden Daten Einsicht in die Krankheitslasten unter extremen Wetterbedingungen zu bekommen und herauslesen zu können, wie präventiv agiert werden kann, um die Bevölkerung langfristig zu schützen.
Wem werden die Ergebnisse aus dieser Studie zur Verfügung gestellt und wer soll daraus idealerweise eine Handlungsgrundlage ziehen?
Das Projekt hat in jedem Fall eine Vorreiterrolle, wir sind meines Wissens nach eine der ersten Studien, die etwas Derartiges ausprobieren. Die Studiendaten werden publiziert, sodass jeder Zugang dazu hat. Wir hoffen, dass anderen Studien eventuell Teile davon für ähnlich geplante Fragestellungen übernehmen und schon eine Stufe höher ansetzen können. Innerhalb unserer Forschergruppe erstellen wir außerdem mehrere Massive Open Online Courses (MOOC), um zu ermöglichen, dass auch andere sich Wissen zu diesem Bereich aneignen können. Darüber hinaus wollen wir die Studie Entscheidungsträgern in Burkina Faso und Kenia zur Verfügung stellen, sodass hoffentlich auf deren Grundlage bessere politische Entscheidungen getroffen werden können.
Dr. Sandra Barteit hat Computerlinguistik und Analytics studiert, und promovierte am Institute of Global Health der Universität Heidelberg. Ihre Doktorarbeit beschäftigte sich damit wie digitale Technologien die medizinische Ausbildung von Ärzten in einem ressourcen-armen Land wie Sambia, Afrika, stärken kann. Ihre Forschung fokussiert darauf, wie digitale Technologien die globale Gesundheit stärken und verbessern kann, insbesondere mit KI und Machine Learning. Aktuell leitet Dr. Sandra Barteit das DFG-geförderte Projekt „Development and Analysis of Population Health Cohorts in Burkina Faso and Kenya“, das Teil der Forschergruppe „Climate Change and Health in Sub-Saharan Africa“ ist. Zudem ist sie Projektleiterin des Blended Learning in Zambia (BLiZ)-Projekts – einem Kooperationsprojekt zwischen der Lewy Mwanawasa Medical University in Sambia, der schweizer NGO SolidarMed und dem Heidelberg Institute of Global Health.
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Interview von Bettina Riedel, Text von Mirjam Motzer.