Bevor man ein Studium beginnt, sollte man sich etwas genauer damit beschäftigen – weil sich mitunter prekäre Irrtümer in die Wahrnehmung einschleichen, was sich inhaltlich genau hinter welcher Studiumsbezeichnung verbirgt. Wir sprachen zu genau diesem Zweck mit Nadine Ohlhaut, die sowohl den Bachelor als auch den Master in Ernährungswissenschaften an der TU München absolvierte und dort aktuell promoviert.
Nadine, du hast Ernährungswissenschaften studiert. Was genau können wir uns unter diesem Studium vorstellen?
Grundsätzlich beschäftigt sich das Studium mit allem, was um und mit Ernährung in unserem Körper passiert. Während der Bachelor noch einen Überblick über die verschiedensten Gebiete liefert wie Ernährungsmedizin, Immunologie, Pharmakologie, Biochemie, Humanphysiologie, Anatomie und viele mehr, ist der Master stark auf die Forschung ausgelegt. Wider Erwarten geht es nicht um die Ernährungsberatung. Wie der Name schon sagt, sind Ernährungswissenschaftler:innen auch wirklich Wissenschaftler:innen.
Wie bist du auf das Studium aufmerksam geworden und was hattest du dir ursprünglich darunter vorgestellt?
Privat habe ich mich bereits schon immer gerne und viel mit dem Thema Ernährung auseinandergesetzt und hielt es für eine gute Idee, mein Wissen durch ein Studium zu vertiefen. Auch wenn ich zunächst davon ausging, dass es viel mehr um Diätetik und weniger um Biologie und Chemie ginge, bin ich drangeblieben. Am schwersten fielen mir technische sowie analytische Module, weil mir Labor- sowie Forschungsarbeiten weniger liegen und gefallen.
Welche beruflichen Perspektiven bieten sich dir?
Ich sage immer: nach dem Studium kann man alles und nichts. Während des Studiums schnuppert man überall hinein, aber ist kein:e Expert:in auf einem bestimmten Gebiet. Man kann in der Pharmaindustrie, Lebensmittelsicherung, Qualitätsmanagement, Lebensmittelproduktion, Produktentwicklung, Ernährungsberatung, Forschung und vieles mehr einsteigen. Da kommt es dann ganz darauf an, was einen selbst motiviert und vor allem interessiert. Ich persönlich habe als Hiwi in einige Forschungsprojekte reinschnuppern können, aber auch im Bereich Veranstaltungsmanagement für fachliche Konferenzen gearbeitet. Meine Stärken liegen definitiv in der Organisation und Management. Hier sehe ich auch meine Zukunft: Ich möchte meine organisatorischen Fähigkeiten unter Beweis stellen können und wünsche mir Herausforderung und stetige Weiterbildung. Ich will Verantwortung übernehmen und liebe gleichzeitig die Zusammenarbeit mit Menschen. Wenn ich das noch mit meinem Ernährungswissen verbinden kann, habe ich meinen Traumjob gefunden.
Mit welchen Vorurteilen zu deinem Fach würdest du gerne einmal aufräumen?
Wie bereits erwähnt gehen die meisten davon aus, dass Ernährungswissenschaftler:innen primär Ernährungsberatung betreiben. Meistens folgen dann Fragen wie „Was darf ich denn dann essen? Wie kann ich abnehmen?“ Diese Fragen kann ich zwar beantworten, aber dieses Wissen stammt (nicht nur) aus dem Studium.
Auf welche Dinge hast du nun einen anderen Blick nach deinem Studium?
Ich mache mir seit meinem Studium nicht mehr Gedanken über Ernährung als vorher, aber dafür detailliertere. Ich kann nun viel mehr die Bedeutung bestimmter Vitamine oder Mineralien verstehen und weiß jetzt, welche Ernährungsentscheidungen wirklich gesundheitlich relevant oder beispielsweise welche Nahrungsergänzungsmittel reine Geldverschwendung sind. Außerdem, und das ist vermutlich das Wichtigste, was ich im Studium gelernt habe, weiß ich nun, wo und wie ich validierte und qualitativ hochwertige Informationen beziehen kann und wie ich mit Studienergebnissen am besten umgehe.
Von welchen Ernährungstrends würdest du uns abraten?
Von allen. Ein Trend impliziert, dass es sich bei dieser Form der Ernährung nur um eine kurze Phase handelt. Ein Trend verliert schnell seinen Reiz und man fällt leicht in alte Verhaltensmuster. Aber nur ein langfristig angepasster Lebensstil führt auch zu langfristigen Ergebnissen. Trends, bei denen beispielsweise bestimmte Lebensmittel oder Makronährstoffe (wie low-carb oder ketogen) kategorisch ausgeschlossen werden, sind dauerhaft nicht umsetzbar. Eine Lebensstilanpassung sollte nicht mit einer Reduzierung der Lebensqualität einhergehen. Einen Trend in den Lebensstil zu integrieren macht natürlich auch nur Sinn, wenn er wissenschaftlich fundiert ist. Das ist aber leider bei fast keinem Trend der Fall.
Was sollten viel mehr Menschen zu ihrer Ernährung wissen und beachten?
Es gibt kein Schwarz-Weiß, kein gut und schlecht. Zwar bringen solche Einschätzungen tolle Schlagzeilen, die gerne geklickt werden, sind aber Quatsch. Die Dosis macht das Gift, auch hier. Wie ein Schokoriegel nicht dick macht, macht ein Apfel nicht schlank. Ich bin der Meinung, dass jeder ein gewisses Grundwissen über Ernährung erwerben sollte. Es braucht keine Trends, Kuren, Detox oder sonstiges, lediglich eine ausgewogene Ernährung auf Basis dieses Grundwissens. Möchte man Ernährung mit Gewichtszunahme oder -abnahme in Verbindung bringen, ist einzig und allein die Kalorienbilanz entscheidend, nicht was man isst. Auch, wenn diese simple Antwort bei vielen für Frustration sorgt.