Ja, das geht! An der Uni Würzburg wurde sowohl ein Bachelor als auch der konsekutive Master aus der Taufe gehoben. Hier studierst du aktiv zu zwei wesentlichen Fragestellungen: Wie kann IT für mehr Nachhaltigkeit sorgen und andersherum – wie kann die IT selbst nachhaltiger werden? Wir sprachen mit Prof. Tobias Hoßfeld, der uns den Studiengang und die Motivation dahinter persönlich vorstellt.
Prof. Hoßfeld, welchen Einfluss kann man mit IT auf Nachhaltigkeit nehmen, der jenseits „effizienterer Prozesse“ liegt?
IT und Nachhaltigkeit beinhalten zwei unterschiedliche Aspekte. Auf der einen Seite wollen wir „nachhaltige IT-Systeme“ entwickeln, also energieeffiziente Systeme, die eine höhere Datenqualität in Bezug zu den entstandenen CO2-Emissionen liefern. Auf der anderen Seite kann die Informatik problemorientiert und innovativ in Bereichen wie Umweltthemen zu nachhaltigen Ansätzen führen („Informatik für Nachhaltigkeit“). Beide Richtungen finden sich im Studiengang wieder, denn aktuell wird daran geforscht, wie etwa zukünftige 6G-Kommunikationsnetze einen positiven Beitrag zur ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Nachhaltigkeit beitragen können.
Wie genau spiegelt sich das im konkreten Studium wider?
Im Vertiefungsstudium können die Studierenden zwischen zwei Schwerpunkten wählen: (a) IT für Nachhaltigkeit mit Themen aus den Bereichen Umwelt, Klima, Ökosysteme. (b) Nachhaltige IT mit Themen zu energieeffizienten, sicheren, zuverlässigen Systemen und Netzen. Dies und der Praxisbezug durch die Integration von interdisziplinären Ansätzen macht den Studiengang einzigartig in Deutschland. Es wird ein Überblick in die Grundlagen der Geographie und Geologie für Informatiker mit Fokus auf Nachhaltigkeit gegeben. Dazu gehören die relevanten Fachbereiche wie physische Geographie, Klimageographie, geographische Fernerkundung und Humangeographie. So lernen Studierenden die Grundlagen der Geographie sowie deren vielfältigen Probleme und Aufgaben kennen. Ein weiteres Modul vermittelt grundlegende Aspekte der Biologie, sodass Studierende biologische Grundprinzipien und Regeln verstehen und sie anhand von Sachverhalten erkennen können.
Weicht durch den Anteil der Nachhaltigkeit nicht der Informatik-Anteil auf, sodass Absolvent:innen „regulären“ Informatiker:innen hinterher hinken?
Nein, es handelt sich um einen Studiengang der angewandten Informatik. Wir bilden Informatikerinnen und Informatiker aus, die disziplinübergreifend mit Experten aus anderen Bereichen zusammenarbeiten. Im Vordergrund steht die Beherrschung von Arbeits- und Verfahrensweisen der Informatik und der zugrundeliegenden Methoden. Es werden die Denk- und Arbeitsweise der Informatik vermittelt, aber gleichzeitig multidisziplinäre Kompetenzen aus den Wahlpflichtbereichen (nachhaltige IT, Biologie, Geographie mit Schwerpunkt Fernerkundung oder mit Schwerpunkt Klima)aufgebaut.
Nimmt die Nachhaltigkeit der IT nicht sogar etwas Wind aus den sonst maximal leistungsstarken Segeln?
Innovation, neue Ideen und kreative Lösungen entstehen durch real existierende Probleme und Herausforderungen. Einige der drängendsten Themen der Zukunft sind Nachhaltigkeit und Energieverbrauch, welche unsere Gesellschaft bewegen. Nachhaltigkeit braucht kluge Köpfe und benötigt neues Denken. Genau das erreichen wir mit dem Studiengang „Informatik und Nachhaltigkeit“.
In der Forschung versuchen wir gerade, die Zusammenhänge zwischen technisch messbarere Dienstqualität (Quality of Service), von Nutzern erfahrener Dienstqualität (Quality of Experience) und Nachhaltigkeit zu verstehen und sinnvolle Betriebspunkte für den von Ihnen angesprochenen Trade-Off zu finden. Beispielsweile erhöhen sich der Energieverbrauch und daraus resultierende CO2-Emissionen drastisch, um statt sehr guter Videoqualität mit exzellenter Videoqualität zu übertragen, was die Nutzer aber kaum wahrnehmen [T. Hossfeld, M. Varela, L. Skorin-Kapov and P. E. Heegaard, „A Greener Experience: Trade-offs between QoE and CO2 Emissions in Today’s and 6G Networks,“ in IEEE Communications Magazine, Feb 2023].
Wie vermitteln also gesellschaftliche Herausforderungen in Bezug zu Nachhaltigkeit, Konzepte zur Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitsziele. Ein wichtiger Aspekt des Studiengangs sind Konzepte zum Erreichen von Nachhaltigkeit, Ansätze zur Bewertung der Nachhaltigkeit von technischen Systemen, Konflikte und Trade-offs zur Erreichung von Nachhaltigkeit. Uns ist wichtig, dass Studierende ihre Erkenntnisse auf Praxisbeispiele übertragen können, um Nachhaltigkeitskonzepte für Problemfelder aus den Vertiefungsrichtungen dieses Studiengangs anzuwenden und zu bewerten.
Darüber hinaus lernen die Studierenden Methoden und Metriken kennen, um Energiebedarf und Energieeffizienz in technischen Systemen zu bewerten. Dazu gehören energiebewusste Mechanismen, um Daten (z.B. Sensordaten im Internet of Things) zu übertragen und um technische Systeme (wie Kommunikationsnetze, Datenzentren, Computer-Clouds) zu betreiben.
Was waren die größten Herausforderungen, diesen Studiengang einzurichten?
Die Einrichtung eines Studiengangs erfordert Zeit und die Bereitschaft des gesamten Instituts für Informatik, hier etwas Neues auf den Weg zu bringen. Es soll ja ein sinnvoller Studiengang werden, der auch in der Industrie gefragt ist und den Studierenden geeignete Berufsmöglichkeiten eröffnet. Die Hochschulleitung hat uns bei der Einrichtung hervorragend unterstützt. Nachhaltigkeit ist auch ein wichtiges Thema für die Uni Würzburg als Institution.
Der Studiengang ist interdisziplinär ausgerichtet, wobei das Institut für Geographie und Geologie und die Fakultät für Biologie im Studiengang beteiligt sind. Hier sind wir auf offene Ohren und Bereitschaft gestoßen, da in diesen Disziplinen der Bedarf an Informatikerinnen und Informatikern vorhanden ist, die die Denkweisen und Fachsprachen der Disziplinen beherrschen. In gemeinsamen Gesprächen und viel Engagement aller Seiten konnte der Studiengang dann gemeinsam auf den Weg gebracht werden.
Und letztendlich werden auch finanzielle Mittel benötigt, um mit neuen Professuren und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Studiengang erfolgreich zu starten.
Planen Sie neue Professuren oder steht soweit alles?
Dank der High-Tech-Agenda in Bayern hatten wir die Möglichkeit, neue Professuren im Bereich der Nachhaltigkeit und Informatik zu besetzen. Wir freuen uns, dass wir mit Prof. Marie Schmidt im Bereich „Optimierung unter Ressourcenbeschränkungen“, Prof. Marco Pruckner im Bereich „Modellierung und Simulation“ sowie Prof. Marco Schmidt im Bereich „Sensoren und eingebettete Systeme für Erdbeobachtung“ exzellente Professorinnen und Professoren gefunden haben, die nicht nur den Studiengang voranbringen, sondern auch das Institut in der Forschung mit ihrer Expertise verstärken.
Gibt es durch Praktika schon Feedback von Unternehmen, wie diese den Studiengang annehmen?
Wir sind mit einigen Unternehmen in Kontakt, die sich bereits aktiv in die Lehre und studentische Arbeiten eingebracht haben. Insgesamt herrscht ein großes Interesse an dem Studiengang und was sich dahinter verbirgt. Das ist nicht weiter verwunderlich, da Energieverbrauch und Nachhaltigkeit (Stichwort: Green Deal der EU) wichtige Themen für Unternehmen sind.
Ist der Bachelor schon konsekutiv?
Ja, wir haben für den Informatik Master den Schwerpunkt „Informatik und Nachhaltigkeit“ eingeführt, der ab Wintersemester 2023 verfügbar ist, sodass ein nahtloser Übergang vom Bachelor-Studiengang in den Master möglich ist.Gibt es Studiengebühren?
Nein. An der Uni Würzburg gibt es für alle Studiengänge einen Semesterbeitrag, der das Semesterticket für den öffentlichen Nahverkehr und Studentenwerksbeitrag beinhaltet.Wann startet das Studium?
Studienbeginn ist jedes Wintersemester möglich.Gibt es Aufnahmebedingungen?
Der Studiengang ist zulassungsfrei.Gibt es seitens der Hochschule Kontakte zu Unternehmen, die den Studiengang unterstützen?
Wir haben einige Kontakte zu Unternehmen, die bereits aktiv innerhalb des Studiengangs in Rahmen von studentischen Arbeiten involviert waren oder die Nachhaltigkeit in Unternehmen für Informatikerinnen und Informatiker aufgezeigt haben. Es handelt sich also nicht um eine finanzielle Unterstützung. Die konkreten Firmenkontakte werden wir in nächster Zeit auf unserer Homepage sammeln.
Weitere spannende Beiträge aus der Rubrik „Hochschulnews“ findest du hier!