Edit Sommer 2024: Das Unternehmen scheint es nicht mehr zu geben. Der Beitrag erschien im zuerst Januar 2018.
Es muss nicht immer die Neuerfindung des Rads sein, die zur Gründung eines Start-ups führt. Alexander Schießl studierte internationales Management und erkannte während seiner Tätigkeit bei einem Energieversorger eine Marktlücke auf dem Gewerbestrommarkt – und schloss sie kurzerhand durch die Gründung von e.less.
Herr Schießl, wie kamen Sie auf die Idee, dass es einen Strom-Marktplatz für Unternehmenskunden geben sollte?
Bevor ich e.less gegründet habe, habe ich bei einem Energieversorger in der Assistenz der Geschäftsführung und im Projektmanagement gearbeitet. Dort ist mir aufgefallen, dass dem Gewerbestrommarkt für Kunden mit einem Verbrauch von über 100.000 Kilowattstunden/Jahr keine digitale, einfache Lösung zur Strombeschaffung gibt. Diese Kunden bekommen den Strom nur über individuelle Angebote, da ihr Stromverbrauch sehr genau, alle 15 Minuten, gemessen wird. Man spricht hier von registrierender Leistungsmessung, darum sind diese Kunden RLM-Kunden (RLM = registrierende Leistungsmessung). Der Großteil der Unternehmen in Deutschland fällt in diese Kategorie. Eine einfache, digitale Lösung zur Strombeschaffung gab es für diese Kundengruppe bislang nicht. Sie mussten über Makler und Ausschreibungen den Strom beschaffen, was oft intransparent, unübersichtlich und teuer war.
Was ist das Neue an dieser Idee?
Es gibt schlichtweg keine vergleichbare Lösung in Deutschland. Natürlich gibt es Vergleichsportale für Strom, die Privathaushalte und Gewerbekunden bedienen, aber diese nur bis zur Grenze von 100.000 Kilowattstunden. Alles, was darüber hinausgeht, wird an einen Agenten verwiesen. Es gibt keinen Marktplatz, der unabhängig von den Energieversorgern einen echten Preisvergleich für RLM-Kunden ermöglicht, in einer digitalen Lösung, mit der Kunden schnell und einfach einen neuen Stromvertrag abschließen können.
Gleichzeitig ist der Vertrieb von Strom in diesem Kundensegment für Energieversorger umständlich und teuer – in einem traditionell margenschwachen Markt. Unser Marktplatz bietet daher eine Win-Win-Situation für Gewerbestromkunden und Energieversorger. Außerdem ist e.less ein unabhängiges Unternehmen. Wir gehören zu keinem großen Stromkonzern und haben aktuell auch keine institutionellen Investoren an Bord.
Nach der zündenden Idee – wie ging es weiter?
Zunächst einmal ging es darum, zu überlegen, was der Marktplatz alles können und was er sowohl Stromkunden als auch Energieversorgern bieten muss, um erfolgreich zu sein. Es folgte eine lange Phase des Spezifizierens, Programmierens und Testens. Gleichzeitig haben wir erste Gespräche mit Energieversorgern geführt und konnten sie von unserer Idee begeistern. Zum Start haben bereits 30 Energieversorger zugesagt. Parallel mussten wir natürlich Mitarbeiter finden, besonders Web-Entwickler, sowohl für Frontend- als auch für Backend-Entwicklung.
Wie man sich leicht vorstellen kann, war all das viel, viel Arbeit. Aber es hat auch Spaß gemacht. Der Moment, in dem der Marktplatz dann tatsächlich online war und für jeden erreichbar, der hat uns alle wirklich stolz gemacht. Wir haben lange auf ihn hingearbeitet.
Hatten Sie vorher schon Gründungserfahrungen?
Ich habe internationales Management studiert, da wird man ein wenig aufs Gründen vorbereitet. Letztlich ist die Praxis, die man als Unternehmer vom ersten Tag an gewinnt, durch nichts zu ersetzen. Die Erfahrung gewinnt man mit der Zeit, aber sie wird täglich mehr.
Gab es besondere Herausforderungen bei der Umsetzung?
Die technische Umsetzung war tatsächlich eine große Herausforderung, da die Angebotserstellung für RLM-Kunden sehr komplex ist. Unsere Angebotsalgorithmen berücksichtigen eine Menge an Variablen und Informationen. Wir mussten all diese nicht nur technisch anspruchsvoll in unser System integrieren, sondern das gesamte Auftreten unseres Online-Marktplatzes gleichzeitig so intuitiv einrichten, dass es sowohl von Seiten der Gewerbekunden als auch der Energieversorger kinderleicht zu bedienen ist. Mittlerweile bekommt man von den vielen komplexen Prozessen, die im Hintergrund laufen, überhaupt nichts mehr bewusst mit. Bis dahin mussten wir jedoch eine Menge Denkarbeit, kreativer Lösungsfindung und Branchenerfahrung in unseren Online-Marktplatz miteinfließen lassen und umsetzen.
Bei e.less laden Kunden unter anderem ihren Stromverbrauch hoch – sind das nicht relativ sensible Daten?
Aus dem hochgeladenen Lastgang selbst kann man nur die Verbrauchsmenge eines Kunden ins Verhältnis zur zeitlichen Komponente setzen. Zwar lassen sich daraus besondere Verbrauchscharakteristika ermitteln, detaillierte Informationen zu Betriebsinterna sind hieraus jedoch nicht erkennen. Zudem legen wir großen Wert auf einen hohen Datenschutz. Unsere Server werden alle in Deutschland betrieben und selbst dort ausschließlich von persönlichen Ansprechpartnern betreut. Die Daten bleiben damit jederzeit in sicherer Verwahrung.
Wie schätzen Sie den Energiemarkt der Zukunft ein: Inwiefern wird er sich noch weiter verändern?
Der Energiemarkt verändert sich ständig. Die Einflüsse sind dabei politische und gesellschaftliche Entwicklungen, die Energiewende ist sicherlich das anschaulichste Beispiel. Gleichzeitig verändert die Digitalisierung den Energiemarkt. Smart Meter sind ein gutes Beispiel. Aber auch wir verändern mit e.less den Energiemarkt, indem wir mit Digitalisierung den Prozess der Strombeschaffung für Unternehmen erneuern. Das wirkt sich auch auf unseren Stellenbedarf aus: Wir haben zurzeit ein sehr schnell wachsendes Team und suchen immer nach fähigen und hungrigen Web-Entwicklern. Außerdem sind wir auf der Suche nach Vertrieblern und Call Center-Mitarbeitern.