Professor Dr. Klaus-Uwe Moll erläutert, welche Aufgaben und Problemstellungen in der Umwelttechnologie liegen und zeigt dadurch die unterschiedlichen Karriereperspektiven auf, die sich MINT-Absolvent:innen in der Branche bieten und in Zukunft eröffnen werden.
Die Vereinten Nationen (UN) haben im Jahr 2015 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung kommuniziert und diese mit einer dringenden Aufforderung an alle Nationen verbunden, ihr Handeln an diesen Zielen auszurichten. Diese Ziele sind Kern der Agenda für eine nachhaltige Entwicklung 2030, die von allen Mitgliedsstaaten der UN unterzeichnet wurden. Deutschland hat sich bereits früh dazu bekannt, diese Ziele umzusetzen, und eine entsprechende Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet. [1, 2]
In Hinblick auf produzierende und dienstleistende, auch mittelständische Unternehmen sind hier besonders die Ziele 7 (bezahlbare und saubere Energie), 9 (Industrie, Innovation und Infrastruktur), 12 (nachhaltiger Konsum und Produktion) und 13 (Maßnahmen zum Klimaschutz) relevant. [1, 2]
Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC) hat eine klare Verbindung zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen (THG) und klimatischen Veränderungen erarbeitet. Hieraus geht hervor, dass es notwendig ist, den Treibhausgasausstoß deutlich zu reduzieren und darüber hinaus CO2 zu binden, um die Erderwärmung zu begrenzen.[3] Die Ergebnisse wurden zwischenzeitlich mehrfach bestätigt.
Die EU hat den Green Deal formuliert, mit dem das Ziel verfolgt wird, die Emission von THG deutlich zu reduzieren und damit substanzielle Beiträge zu leisten, um die Erderwärmung zu begrenzen. Das daraus resultierende Programm Fit for 55 formuliert, dass die Netto-THG-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % gesenkt werden sollen. Bis 2050 soll die EU klimaneutral werden.[4] Im Februar 2023 wurde der Green Deal nochmals aktualisiert und erweitert, um insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken.[5] Zahlreiche Unternehmen und Kommunen greifen die entsprechenden Ziele auf und formulieren teilweise sogar darüber hinaus gehende Ziele.
Häufig werden in den Medien im Zusammenhang mit den anfallenden Emissionen von THG die Sektoren Verkehr und Gebäude benannt und diskutiert. Emissionen aus der – auch mittelständischen – Industrie haben am Gesamtemissionsaufkommen einen erheblichen Anteil. Darüber hinaus ist die Industrie an den in anderen Sektoren anfallenden Emissionen beteiligt, zum Beispiel durch den Bezug von Energie, den Betrieb von Gebäuden und durch den notwendigen Verkehr für den Bezug und den Versand von Waren, den Geschäftsbetrieb und die Mobilität der Mitarbeitenden. Das Umweltbundesamt stellt regelmäßig die jährlichen THG-Emissionen und ihre Herkunft zusammen. [6]
Es ist erkennbar, dass bereits eine Reduktion der THG-Emissionen erzielt werden konnte – der für die Ziele des Green Deal relevante Vergleich mit dem Jahr 1990 führt zu einer Reduktion um ca. 30 % im Jahr 2022. Es ist aber auch erkennbar, dass noch erhebliche weitere Anstrengungen zur Reduktion der THG-Emissionen notwendig sind – auch aus dem Sektor Industrie. Das Greenhouse Gas Protocol bietet Standards an, mit denen der THG-Anfall für Unternehmen oder Produkte bilanziert wird. Bei Produkten wird ihr gesamter Lebenszyklus betrachtet, also auch der THG-Anfall zugekaufter Komponenten, der Nutzungsphase und der Entsorgung. [7]
Zur Erreichung der genannten Ziele existieren verschiedene, sich gegenseitig ergänzende Wege:
• Reduktion des Energiebedarfs und optimale Ressourcennutzung
1) für die Herstellung von Gütern aller Art,
2) während des Betriebs von Gütern und bei ihrem End of Life,
3) für die Erbringung von Dienstleistungen.
• Der Einsatz vorzugsweise erneuerbarer und damit CO2-freier oder zumindest THG-neutraler Energien
4) bei der Herstellung von Gütern,
5) im Betrieb von Gütern und bei ihrer anschließenden Verwertung,
6) bei der Erbringung von Dienstleistungen.
Häufig werden in diesem Zusammenhang die Begriffe Dekarbonisierung oder Defossilisierung verwendet, also die Abkehr von kohlenstoffhaltigen, fossilen Energieträgern, bei deren Umsetzung vor allem CO2 entsteht.
Basierend auf den Rahmenbedingungen wird es immer bedeutender, Produkte und Dienstleistungen so zu entwickeln, dass diese mit einem möglichst kleinen Anfall von THG entstehen. Dafür werden Zulieferanten mehr und mehr in die Pflicht genommen, nach gleichen Maßstäben zu arbeiten. Als Lieferant eines Produktes, zum Beispiel einer Produktionsmaschine oder einer Komponente dafür, wird wiederum die Forderung der Kunden kommen, dass diese während der Benutzungsphase einen möglichst kleinen Energiebedarf hat, Energie zurückgewinnen oder speichern kann oder auch mit erneuerbaren Energien betrieben werden kann, zum Beispiel durch die Nutzung von Wärmequellen aus der Umwelt.
Der Bedarf an entsprechenden Produkten wird immer größer werden. Unternehmensberatungen wie McKinsey sehen alleine in Deutschland einen Investitionsbedarf von 6 Billionen EUR bis 2045 für derartige Technologien [8], sodass das Angebot entsprechender Produkte auch eine große Chance darstellt. Die Realisierung entsprechender Produkte hat außerdem den Effekt, dass ein Unternehmen so wahrgenommen wird, dass es gesellschaftliche Verantwortung übernimmt und trägt. Tatsächlich stellt es ein geschäftliches Risiko dar, nicht nachhaltig zu wirtschaften.[9]
Investitionsgüter werden eingesetzt, um technische Güter, Konsumgüter oder weitere Investitionsgüter herzustellen oder Dienstleistungen zu erbringen – von der Verpackungsmaschine bis zur Werkzeugmaschine, von der Molkereimaschine bis zur Baumaschine, um nur wenige Beispiele zu nennen. Für sie sind die genannten Wege 1-6 relevant, sodass diese bereits bei der Entwicklung der Investitionsgüter und der mit ihnen verbundenen Dienstleistungen zu berücksichtigen sind. Bei der Entwicklung solcher Produkte spielt Folgendes eine immer größere Rolle:
• Die Bewertung von Produkten und ihr Ressourcenmanagement,
• Techniken und Technologien für die Gewinnung erneuerbarer Energien,
• Techniken und Technologien zur Energieumsetzung.
Die Bachelorstudiengänge der Fakultät Maschinenbau an der TH Ingolstadt greifen diese Themen auf. Im Maschinenbau und den Ingenieurwissenschaften wird die Entwicklung nachhaltiger und energieeffizienter Produkte behandelt, die Bezeichnung des Studiengangs Energiesysteme und Erneuerbare Energien (d+e) spricht für sich und in den Studiengängen zur Fahrzeug- und Luftfahrttechnik wird die klimaneutrale Mobilität behandelt.
Die konsekutiven Master-Studiengänge greifen diese Themen ebenso auf und ergänzen sie, beispielsweise um ressourceneffiziente Werkstoffe und die Wasserstofftechnologie und -wirtschaft.
Für Ingenieure, die bereits im Berufsleben stehen und sich bezüglich Entwicklung und Betrieb nachhaltiger und klimaneutraler Produkte weiterbilden möchten, wird der berufsbegleitende Master-Studiengang Green Engineering angeboten.
Mehr Beiträge zur Nachhaltigkeit findest du hier.
Im Kampf gegen den Klimawandel
Industrieproduktion nachhaltiger machen
Um nachhaltige Anlagen zu konzipieren, ist eine enge Zusammenarbeit mit Experten aus verschiedenen Disziplinen erforderlich, darunter Maschinenbau, Umweltwissenschaften, Energieeffizienz und Elektrotechnik. Mit dem wachsenden Fokus auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind Industrieunternehmen verstärkt mit regulatorischen Anforderungen konfrontiert.
Absolvent:innen können dazu beitragen, dass Unternehmen diese Vorschriften erfüllen, indem sie nachhaltige Technologien und Prozesse implementieren. Gleichzeitig können sich Unternehmen, die aktiv nachhaltige Praktiken in ihre Produktion integrieren, als Vorreiter in der Branche positionieren. Die Einstellung qualifizierter MINT-Absolvent:innen ist somit eine strategische Investition, um nicht nur den aktuellen Anforderungen gerecht zu werden, sondern auch langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Über den Autor
Prof. Dr.-Ing. Klaus-Uwe Moll ist Dekan der Fakultät Maschinenbau an der Technischen Hochschule Ingolstadt.
Quellen:
[1] United Nations – Department of Economic and Social Affairs – Sustainable Development: The 17 Goals.
[2] Die Bundesregierung: Globale Nachhaltigkeitsstrategie – Nachhaltigkeitsziele verständlich erklärt.
[3] IPCC, 2018: Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger. In: 1,5 °C globale Erwärmung. Ein IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau und die damit verbundenen globalen Treibhausgasemissionspfade im Zusammenhang mit einer Stärkung der weltweiten Reaktion auf die Bedrohung durch den Klimawandel, nachhaltiger Entwicklung und Anstrengungen zur Beseitigung von Armut. [V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, T. Waterfield (Hrsg.)]. World Meteorological Organization, Genf, Schweiz. Deutsche Übersetzung auf Basis der Version vom 14.11.2018. Deutsche IPCC- Koordinierungsstelle, ProClim/SCNAT, Österreichisches Umweltbundesamt, Bonn/Bern/Wien, November 2018.
[4] Die Bundesregierung: Mehr Emissionshandel und erneuerbare Energie – EU-Klimaschutzpaket: Fit For 55.
[6] Umweltbundesamt: Emissionsübersichten in den Sektoren des Bundesklimaschutzgesetzes.
[7] World Resources Institute and World Business Council for Sustainable Development: Product Life Cycle Accounting and Reporting Standard. 2011
[8] Helmcke, S., Heuss, R.: Hieronimus, S., Engel, H.: Net-Zero Deutschland. McKinsey & Company, 2021.
[9] Deloitte: Verantwortung als Chance: das Transformationsthema Sustainability.