Stephanie Schorp ist Geschäftsführerin der internationalen Personalmanufaktur Comites und beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit der Besetzung, Auswahl und Entwicklung von Führungskräften. Sie weiß, dass vollkommen unterschiedliche Persönlichkeiten Karriere machen.
Sie sind Headhunterin und Diplom-Psychologin. Inwiefern stehen diese beiden Bereiche miteinander in Verbindung?
Zunächst einmal gibt es nicht zwangsläufig eine direkte Verbindung zwischen diesen beiden Bereichen. Es ist durchaus möglich, dass auch Personen ohne psychologischen Hintergrund erfolgreiche Headhunter oder Headhunterinnen sind. Vielmehr geht es darum, dass für diese Tätigkeit ein starkes Interesse an Menschen, Neugier und Leidenschaft vonnöten sind. Allerdings liegt das Interesse an der menschlichen Psyche bei Psychologen und Psychologinnen vielleicht näher als bei Angehörigen anderer Disziplinen.
Halten Sie als Psychologin nach bestimmten Persönlichkeitstypen Ausschau, wenn Sie Kandidaten vermitteln? Generell suche ich nicht gezielt nach bestimmten Persönlichkeitstypen. Stattdessen ist es meine Aufgabe, zu analysieren, welcher Kandidat am besten zu einem bestimmten Job, einem Unternehmen und dessen Kultur passt. Ich berücksichtige dabei auch die Vorgaben und Wünsche unserer Klienten hinsichtlich der Persönlichkeitseigenschaften oder Qualifikationen der Kandidaten. Persönlich suche ich nach Menschen, die Integrität, Mut, Empathie und Leidenschaft für ihren Beruf mitbringen und die die Motivation besitzen, andere mitzureißen. Mein Hauptziel ist es, sicherzustellen, dass eine perfekte Übereinstimmung zwischen Kandidat und Kunden sowie deren Anforderungen hergestellt wird.
Wie definieren Sie Erfolg?
Erfolg definiere ich nicht anhand von hohen Positionen, Status, Geld oder Titeln. In meinen Augen muss jeder seinen eigenen Erfolg finden, und dieser kann sehr vielfältig sein. Für manche Menschen bedeutet Erfolg, eine ausgewogene Balance zwischen Beruf, Familie, Hobbys und anderen Interessen zu finden. Daher halte ich den allgemeinen Erfolgsbegriff für veraltet. Ich glaube, dass jeder seinen Erfolg individuell definieren sollte, und diese Definition kann sich im Laufe des Lebens ändern. Das, was mit 30 Jahren als Erfolg betrachtet wird, kann sich mit 50 Jahren ganz anders darstellen.
In diesem Zusammenhang empfehle ich Viktor Frankls Werke zur Lebensphilosophie. Er betont, dass jeder seinen Lebenssinn finden muss, und das kann eine langwierige Aufgabe sein, die Selbstreflexion und harte Arbeit erfordert.
Es gibt vermutlich kein universelles Erfolgsrezept für eine Karriere, genauso wie der Sinn des Lebens individuell ist, oder?
Mein Motto lautet: Karriere ist so individuell wie die Menschen, die sie gestalten. Ich stehe voll und ganz hinter dieser Ansicht. Jeder sollte seinen eigenen Weg finden und seine Karriere entsprechend seiner persönlichen Persönlichkeit gestalten. Nur dann wird man langfristig erfolgreich und zufrieden sein. Andernfalls kann es schnell zu Enttäuschungen kommen. Karriere ist in gewisser Hinsicht planbar. Wenn man eine gezielte Ausbildung absolviert, sich bei zukunftsorientierten Unternehmen bewirbt und sich mit aktuellen Technologien und Werkzeugen vertraut macht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das Thema Künstliche Intelligenz (KI).
Steigere auch du deine Karrierechancen und lies unsere spannenden Artikel über KI! Hier zum Beispiel ein Beitrag von Prof. Dr. Pretschner über KI und Ethik.
Wie wichtig sind Studium und der Berufseinstieg bei der Gestaltung der eigenen Karriere?
Es ist entscheidend, sich im Vorfeld intensiv mit den eigenen Interessen und Talenten auseinanderzusetzen. Früher wurden Studierende in bestimmten Fächern oft belächelt, doch heute wissen wir, dass Absolventen dieser Fächer, wie Philosophie, Psychologie oder Theologie, in hochrangigen Positionen arbeiten können. Es ist wichtig, sich auf die eigenen Neigungen und Fähigkeiten zu konzentrieren und sich auch auf unkonventionelle Bereiche einzulassen.
Ich ermutige junge Menschen dazu, verschiedene Erfahrungen zu sammeln, Praktika zu absolvieren, ins Ausland zu gehen oder ehrenamtlich zu arbeiten. Verschiedene Umgebungen erweitern den Horizont erheblich. Beispielsweise kann man in einer gemeinnützigen Organisation arbeiten und dann in die Welt des Investment-Bankings wechseln. So kann man herausfinden, welches Umfeld am besten zu einem passt und wie man selbst gestrickt ist. Es ist wichtig, vor dem Berufseinstieg auf eine breite Palette von Praktika und Erfahrungen zurückblicken zu können.
Das Hineinschnuppern in verschiedene Berufe erfordert auch mehr Engagement. Viele Studierende leiden jedoch bereits während ihres Studiums unter Burnout. Wie kann man übermäßigen Stress vermeiden?
Es ist wichtig, zu lernen, seine Energiereserven zu schonen und herauszufinden, was einen persönlich auflädt. Das kann durch Entspannen auf dem Sofa, Sport, den Besuch von Ausstellungen oder das Treffen mit anderen Menschen geschehen. Jeder sollte herausfinden, was ihm Energie gibt und wie er sich am besten erholen kann. Frühzeitig diese Fähigkeiten zu entwickeln, hilft, einen Burnout zu vermeiden. Die Prävention ist entscheidend.
Dazu gehört auch eine ausgewogene Ernährung, körperliche Aktivität und Spaß. Wenn man Spaß an seiner Arbeit hat, empfindet man sie weniger als stressig und kann gegebenenfalls auch längere Stunden arbeiten, ohne gestresst zu sein.
Wie kann man den richtigen Job für sich und seinen Persönlichkeitstyp finden?
Ich empfehle, sich selbst so gut wie möglich kennenzulernen. Holen Sie sich Feedback von verschiedenen Personen ein, da sie oft neue Erkenntnisse über sich selbst liefern. Ich rate auch dazu, Persönlichkeitstests durchzuführen, wie den Clifton Strengths Finder, um sich selbst besser zu verstehen. Darüber hinaus sollten Sie sich in verschiedenen Lebensbereichen und Umfeldern ausprobieren und dabei immer offen für Neues sein. Denn nur auf diesem Weg lernen Sie nicht nur sich selbst besser kennen, sondern auch Ihre Vorlieben und Abneigungen. Die Erkenntnisse daraus sind die Grundlage dafür, Erfüllung im Beruf zu finden.
Zudem empfehle ich, regelmäßig Zeit für Stille, Meditation, Natur oder Solowanderungen zu finden, um auf Ihre inneren Gedanken und Bedürfnisse zu hören. Indem Sie all diese Schritte unternehmen und auf sich selbst und andere hören, können Sie sich ein klares Bild davon machen, was im Leben und im Beruf wichtig ist. Sie werden erkennen, ob Sie lieber alleine arbeiten oder im Team, ob Abwechslung oder Kontinuität Ihnen wichtiger ist, und in welche Unternehmenskultur Sie am besten passen.
Und welche Ratschläge würden Sie Studierenden geben, die introvertiert sind und deshalb Zweifel an ihren Führungsfähigkeiten haben?
Introvertiertheit ist keine Schwäche, sondern eine eigene Ausprägung der Persönlichkeit. Die meisten Menschen sind weder rein introvertiert noch extrovertiert, sondern befinden sich auf einer Skala dazwischen. Introvertierte können genauso gut in Führungspositionen erfolgreich sein wie extrovertierte Personen. Sie besitzen lediglich andere Fähigkeiten und sind vielleicht weniger daran interessiert, im Rampenlicht zu stehen. Wenn es jedoch darum geht, einen positiven Eindruck zu hinterlassen oder in Unternehmen zu arbeiten, in denen Selbstpräsentation gefragt ist, sollten Introvertierte darauf achten, ihre Fähigkeiten entsprechend anzupassen. Dies bedeutet beispielsweise, sich regelmäßig im Kundengespräch zu üben, auch wenn man eher analytisch veranlagt ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass Introvertierte ihre Führungsfähigkeiten entwickeln können und dass ihre introvertierte Natur sie nicht daran hindert, erfolgreiche Führungskräfte zu sein.