Eine Gruppe junger Menschen – die Projektgruppe des Collegium Academicum – hat die Vision vom gemeinsamen Leben und Lernen in einem zukünftigen Wohnheim in Heidelberg. Welche Überlegungen dahinter stecken, was sie bisher erreicht haben und wie es weiter gehen soll, verraten die engagierten Studierenden auf hitech-campus.de.
Die Idee eines selbstverwalteten Wohnheims in Heidelberg entstand 2013: Zum einen fehlt es – wie in vielen großen Städten – an bezahlbarem Wohnraum. Zum anderen sind wir auf der Suche nach nicht-kommerziellem Freiraum, in dem Begegnungen und Erfahrungsaustausch auf verschiedenste Weise möglich ist. Aus der Motivation heraus, das Problem selbst in die Hand zu nehmen und etwas daran zu verändern, entstand die Projektgruppe des Collegium Academicum. Der Name bezieht sich auf ein selbstverwaltetes Wohnheim, das es bis Ende der 70er Jahre in Heidelberg gab. Neben der Selbstverwaltung setzen wir vor allem einen starken Fokus auf ökologische Nachhaltigkeit und selbstbestimmte Bildung. Unser Wohnprojekt entsteht auf einer ehemals militärisch genutzten Fläche in Heidelberg und ist mit einem Holzneubau für 176 Personen und der Umnutzung zweier Altbauten mit Wohnraum für weitere 50 Personen eine große Herausforderung für uns alle.
„Wir“ – das ist eine offene Projektgruppe, bestehend aus Studierenden, Promovierenden und jungen Berufstätigen, die unter hohem persönlichem Engagement das Leben in der eigenen Stadt mitgestalten möchte. Da sich in unserer Projektgruppe weder Architekt*innen noch Bauingenieur*innen befinden, holen wir uns die nötige Expertise durch die Zusammenarbeit mit einem renommierten Architekturbüro, erfahrenen Fachplanern sowie Partnern mit Erfahrungen im studentischen Wohnungsbau und in der Projektentwicklung. Als ausgewähltes Projekt der Internationalen Bauausstellung Heidelberg (IBA) stehen wir zudem mit der Stadt im engen Austausch, um neue Wege zu gehen.
Nach sechs Jahren intensiver Projektarbeit stehen wir nun kurz vor Baubeginn und begeben uns damit von der Vorarbeit mit viel Theorie, Diskussionen und idealistischen Vorstellungen direkt in die praktische Umsetzung und damit in einen für uns ganz neuen Abschnitt des Projekts. Auf dem Weg dahin konnten wir schon viele Erfolge verzeichnen, wie beispielsweise den Erhalt der Baugenehmigung sowie das Einwerben von insgesamt 2,7 Millionen Euro an Bundes- und Landesfördermitteln.
Die Arbeitsgemeinschaften, die es möglich machen
Die wachsende Projektgruppe, mittlerweile bestehend aus über 30 Personen, ist in verschiedenen Arbeitsgemeinschaften organisiert. Wir haben eine Öffentlichkeits-AG, die unter anderem Pressekontakte pflegt und ausbaut, eigene Texte verfasst sowie die Kommunikation intern und extern, zum Beispiel durch das Verfassen regelmäßiger Newsletter, aufrechterhält.
Eine weitere Gruppe ist die Finanzierungs-AG, die intensiv Strategien und Kampagnen ausarbeitet, welche die Finanzierung des Wohnheims verwirklichen sollen. Wir finanzieren uns nach dem Prinzip des Mietshäuser Syndikats, welches ein überregionaler Verbund von Wohnprojekten ist und niedrige Mieten durch das Prinzip der Unveräußerlichkeit von Wohnraum garantiert. Das bedeutet, dass wir neben klassischen Bankkrediten und Fördermitteln im Besonderen auf das Einwerben von Privatdarlehen, sogenannten Direktkrediten, und Spenden angewiesen sind. Bislang haben wir schon über eine Million Euro aus einem breiten Spektrum von Befürworter*innen erhalten. Bis die Finanzierung gesichert ist, muss allerdings noch eine weitere Million Euro eingeworben werden.
Hinzu kommt die Planungs-AG, die sich mit sehr speziellen und technischen Fragen auseinandersetzt und als Verbindungs- und Kommunikationsglied zwischen unserem Architekten und den Fachplaner*innen einerseits und der Projektgruppe andererseits agiert. Wir befinden uns in einer außergewöhnlichen Position, in der wir als 30-köpfige Gruppe die Bauherrschaft übernehmen, basisdemokratisch über Planungsfragen entscheiden und zugleich einen Teil der Nutzer*innengruppe bilden werden.
Ökologisch, innovativ, vielfältig
Bei den planerischen Entscheidungen besteht der Anspruch, unserer ökologischen Verantwortung gerecht zu werden. In energetischer Hinsicht wird das Gebäude im KfW40+ Standard gebaut und rechnerisch der Passivhausnachweis erfüllt. Hierfür dient zudem eine große Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher auf und im Gebäude. Außerdem fragen wir uns, ob es nicht möglich ist, bei gleicher Lebensqualität den Wohnflächenbedarf pro Person zu reduzieren oder nur leicht beschädigte Gegenstände zu reparieren, statt sie der Einfachheit halber wegzuwerfen. Ersteres ermöglichen wir mit einem Konzept flexibler Zimmeraufteilungen in den WGs, die das Verhältnis zwischen Individual – und Gemeinschaftsflächen variabel gestaltet. Letzteres gewährleisten wir mit unserer Werkstatt, die für kleinere und größere Reparaturen – wie Fertigungsarbeiten – verwendet werden kann.
Die Arbeit an einem Projekt dieser Größe erfordert ein hohes Maß an freiwilliger Initiative und Eigenverantwortung für jede*n. Nichtsdestotrotz gibt es wenige Projekte, in denen man in einer vergleichbaren Vielfalt die Möglichkeit hat, verschiedene Bereiche direkt zu erfahren und in der Praxis zu lernen. Die Projektgruppe besteht aus den unterschiedlichsten Menschen und Fachrichtungen. Allein diese Vielfalt erleben wir als große Bereicherung, die konstante Perspektivwechsel ermöglicht. Wir sind begeistert zu erfahren, dass man gemeinsam mit einer großen Vision und viel Beharrlichkeit etwas wirklich Großes bewegen kann.
Mehr Infos auf: www.collegiumacademicum.de