Verstaubte Ämter und übervorteilte, bequeme Beamte – der öffentliche Dienst genießt seit jeher ein zweifelhaftes Image. Dabei etablieren sich öffentliche Organisationen mittlerweile als erstaunlich beliebte Arbeitgeber, denn Befragungen unter Schülern, Studierenden und Absolventen zeigen einen positiven Trend: Sicherheit steht an erster Stelle. Dennoch sind Rahmenbedingungen und Besonderheiten öffentlicher Arbeitgeber für die meisten Absolventen ein Buch mit sieben Siegeln.
Klar ist: Die öffentliche Hand ist in vielerlei Hinsicht besonders. Insofern überrascht es nicht, dass eine ganze Reihe von Unterschieden zu Arbeitgebern aus der Privatwirtschaft bestehen. Am offensichtlichsten wird dies bei der Beschäftigungsstruktur. Knapp 39 Prozent der Bediensteten sind Beamte, die als solche besondere Privilegien genießen. Auffällig ist aber auch, dass der öffentliche Sektor überwiegend weiblich ist und die Diversität breit gefördert wird.
Tarifbestimmungen von Beschäftigten und Besoldungsgruppen bei Beamten ermöglichen transparente und planbare Einkommen, welche insbesondere eine Gleichbehandlung der Bediensteten sicherstellt. Neben den klar geregelten Entgelten und weiteren Zusatzleistungen wie beispielsweise Weihnachtsgeldzahlungen, zeichnen sich die Berufsbilder in öffentlichen Organisationen durch überdurchschnittlich hohe Sicherheit aus. Je nach Stellung und Dauer der Zugehörigkeit sind viele Bedienstete unkündbar. Auch die beinahe selbstverständliche Bildung von Personalräten wirkt sich zumeist positiv auf die Arbeitsverhältnisse und die Arbeitsplatzgestaltung aus. Eine weitere Besonderheit ist der allgemeine Rückgriff auf das sogenannte Laufbahnprinzip, welches Karriereoptionen vorstrukturiert. Gleichzeitig tendieren öffentliche Arbeitgeber mittlerweile auch zum Einsatz von Instrumenten des Personalmanagements, die eine Flexibilisierung der Arbeit ermöglichen.
Professor Dr. Bernd Helmig ist seit August 2008 Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine BWL, Public & Nonprofit Management an der Universität Mannheim. Er forscht im Schwerpunktbereich Dienstleistungsmanagement öffentlicher und Nonprofit-Organisationen.
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Trotz mancher Besonderheit öffentlicher Arbeitgeber sehen sich viele öffentliche Organisationen mit immensen Herausforderungen im Personalmarketing konfrontiert, vor allem im Hinblick auf steigenden Wettbewerb um Fachkräfte und eine Vielzahl unbesetzter Stellen. Entgegen dieser Umstände bestehen gemeinhin große Potenziale für ein erfolgreiches Employer Branding.
Die Anforderungen der jüngeren Generationen decken sich nämlich häufig mit Vorzügen öffentlicher Arbeitgeber. Flexibilität, Work-Life-Balance und Fairness schlagen hier genauso zu Buche wie sichere Arbeitsplätze, weitreichende Weiterbildungsmöglichkeiten und sinnstiftende Arbeitsinhalte. Letzteres ist sicherlich eine „Trumpfkarte“ vieler Organisationen im öffentlichen Sektor. Mit der richtigen Ansprache wird deutlich, dass Bedienstete hier einen echten Beitrag zu Gesellschaft und Gemeinwesen leisten können.
Der auf den ersten Blick entscheidende Faktor für Berufseinsteiger bleibt trotz allem das Gehalt. Objektiv betrachtet zeigt sich der öffentliche Sektor hier in der Breite als absolut wettbewerbsfähig. Die Gehaltsrealität in einfachen und mittleren Tätigkeiten liegt meist deutlich über derjenigen in der Privatwirtschaft. Gleichzeitig sind andere Bereiche, insbesondere im Kommunalbereich, vereinzelt nicht konkurrenzfähig.
Doch während beispielsweise bei IT-Experten und -Talenten in der Vergangenheit massive Ungleichheiten zu Ungunsten öffentlicher Arbeitgeber zur Realität gehörten, ist die öffentliche Hand mittlerweile bestrebt dies zu ändern. Erst kürzlich hat beispielsweise der Bundestag die Modernisierung der Besoldung im IT-Bereich vorangetrieben. Die Attraktivität für IT-Fachkräfte dürfte sich zukünftig durch deutliche Gehaltsanstiege und Verpflichtungsprämien entscheidend erhöhen. Gleichzeitig versucht der öffentliche Sektor eine zukunftsfähige Belegschaft an sich zu binden und in entscheidenden Bereichen einen Kulturwandel einzuleiten.
Die Entwicklungen in der Vergütungspraxis sowie neue Wege im Personalmarketing sind sinnvoll und notwendig. Öffentliche Arbeitgeber spüren den demographischen Wandel nachdrücklich, denn riesige Lücken entstehen bis 2030 alleine durch die Verrentung vieler „Babyboomer“. Besonders gravierend sind diese Personalengpässe bei akademischen Berufen und Fachkräften. Schon länger ist klar, dass diese Entwicklung zu einer substanziellen Unterversorgung in entscheidenden Bereichen zu führen droht, die essenziell für das gesamte Staatssystem sind. Strukturell werden Fachkräfte und Akademiker vermutlich insbesondere dort fehlen, wo Digitalisierung und Technisierung öffentlicher Organisationen von Nöten sind. IT-Fachkräfte und Ingenieure sind also gefragt.
Dies kann für Berufseinsteiger und Nachwuchskräfte aber auch eine Chance bedeuten, da öffentliche Arbeitgeber händeringend geeignete Kandidaten suchen. Während öffentliche Arbeitgeber sich künftig stärker als Arbeitgebermarke präsentieren und weiterhin viele Anforderungen junger Fachkräfte hervorheben, wird nicht jede Nachwuchskraft glücklich im öffentlichen Dienst.
Gemeinhin scheinen prosoziale Motive und Gemeinwohlorientierung förderlich, dies ist aber beileibe kein Garant. Entscheidend ist meist nicht der individuelle Charakter eines Berufseinsteigers, sondern vielmehr die individuelle Passung zum Arbeitgeber sowie zum Arbeitsplatz. Strikte Hierarchien und Bürokratie, wie sie der öffentliche Sektor immer noch häufig pflegt, finden sich auch in großen Unternehmen. Für potenzielle Arbeitsanfänger ist also entscheidend, diejenigen Bereiche und Stellen zu identifizieren, die zum eigenen Profil passen und individuelle Zukunftsperspektiven unterstützen.
Der öffentliche Sektor bietet vor allem für Hochschulabsolventen vielfältige Einstiegsmöglichkeiten. Neben Traineeprogrammen und diversen Regelungen für Quereinsteiger, ist der Zugang zum öffentlichen Dienst am besten mit einem Masterabschluss zu bewältigen. Wer öffentlichen Arbeitgebern eine Chance gibt, bereut diesen Schritt zumeist nicht. Glücklich wird, wer den Weg in den öffentlichen Dienst mit Bedacht und Zukunftsorientierung angeht.
Martin Sievert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Allgemeine BWL, Public & Nonprofit Management an der Universität Mannheim. Er forscht im Bereich Public Management mit Schwerpunkt Personalmanagement.