Die E-Mobilität ist irgendwie da und dann doch nicht so richtig – Grund genug für die Politik, Forschung und Entwicklung am Standort BRD zu fördern: an vier neuen Kompetenzclustern. Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist an allen vier beteiligt, an zwei davon als Koordinator. Janna Hofmann, Oberingenieurin am wbk Institut für Produktionstechnik des KIT, zu den wichtigsten Zielsetzungen der Kooperation.
Frau Hofmann, die Mobilität befindet sich im Wandel, vor allem ausgehend von den Antrieben. An welchen alternativen Antrieben forscht das KIT aktuell und in welche Richtung wird sich die Forschung weiterentwickeln?
Das KIT forscht an sowohl an elektrischen Antrieben als auch an konventionellen Antrieben, die mit sogenannten Refuels angetrieben werden: All diese Aktivitäten werden in den KIT-Zentren Mobilitätssysteme und Energie gebündelt. Hier am wbk Institut für Produktionstechnik des KIT liegt unser Fokus im Forschungsschwerpunkt Elektromobilität auf der Erforschung von Maschinen, Anlagen und Prozessautomatisierung für die Herstellung von Batteriezellen, Brennstoffzellen und elektrischen Antrieben. Zu unseren wichtigsten Zielen gehört, Methoden und Ansätze zur Wandlungsfähigkeit zu entwickeln, außerdem die In-Line Qualitätssicherung, Prozessoptimierung- und -automatisierung sowie Prozessverständnis für die Auslegung unreifer Prozesse der Elektromobilität auszubauen.
Die Forschung an diesen Themen ist vorrangig in relativ neu gegründeten Clustern organisiert. Warum?
Das Cluster ProZell beispielsweise besteht bereits seit 2016. Es befasst sich zentral mit der Prozessforschung und hat nach und nach aufgezeigt, dass viele Fragestellungen im Rahmen dieses Clusters noch nicht beantwortet werden, die Clusterarbeit als solche allerdings extrem fruchtbar ist. Spannend und gewinnbringend ist insbesondere der direkte Austausch zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener deutscher Forschungseinrichtungen. Daher wurde das Cluster-Konzept nach und nach von allen beteiligten Institutionen erweitert: Die vier neuen Cluster, die sukzessive vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) entwickelt und erarbeitet wurden, basieren auf weiteren, schon langjährig bestehenden Projekten. So hat das BMBF mit der Initiative „Excellent Battery“ seit 2012 exzellente Forschungsstandorte unterstützt, die neue Materialkonzepte entwickeln und erproben. Die Initiative wurde bis 2019 in zwei Phasen mit etwa 40 Millionen Euro finanziert.
Seit Herbst 2019 werden die grundlegenden Forschungen zu Materialthemen im Kompetenzcluster für Batteriematerialien „ExcellBattMat“ gebündelt. Mit rund 16 Millionen Euro werden hierbei Projekte gefördert, die die materialwissenschaftlichen Grundlagen für zukünftige flüssigelektrolytbasierte Batteriesysteme legen sollen. Besonderes Augenmerk liegt weiterhin auf der Relevanz der Ergebnisse für die industrielle Fertigung.
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Warum stehen flüssigelektrolytbasierte Batteriesysteme so im Fokus?
Festkörper-Batterien werden aktuell als vielversprechende Weiterentwicklung von etablierten Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten gesehen. Die Material- und Prozesstechnologien, um Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigen Elektrolyten herzustellen, sind bereits weit entwickelt. Doch damit Festkörperbatterien erfolgreich etabliert werden können, bedarf noch erheblicher Forschungsaktivitäten. Der Kompetenzcluster für Festkörperbatterien „FestBatt“ soll die wissenschaftliche Basis dafür legen, um Festkörperbatterien in Deutschland zu etablieren. Dieser Cluster wird am KIT unter anderem vom Institut für Angewandte Materialien – Energiespeichersysteme (IAM-ESS) bearbeitet. Das BMBF fördert die Partner des Clusters mit rund 16 Millionen Euro.
Europaweit setzt darüber hinaus die Initiative Battery 2030+ auf die Zusammenarbeit führender Wissenschaftsinstitutionen. Die Basis hierfür bilden unter anderem Erfolge, die wir mit unserem Zentrum für Elektrochemische Energiespeicherung Ulm-Karlsruhe (Center for Electrochemical Energy Storage Ulm & Karlsruhe, kurz CELEST) bereits erzielt haben.
Welche Player am Markt halten beharrlich am Verbrennungsmotor fest?
Es gibt aus unserer Sicht eigentlich keine Industrie, die nicht an der Elektrifizierung arbeitet.
Welche Studien-Fachrichtungen werden bei der Entwicklung dieser neuen Antriebe schwerpunktmäßig beschäftigt werden?
Das ist ein äußerst spannendes und dynamisches Feld. Wir halten es für unfassbar wichtig, dass hier interdisziplinär zusammengearbeitet wird. Elektrotechnik, Maschinenbau, Materialwissenschaftler, Chemiker, Physiker, Wirtschaftsingenieure – quasi alle Fachdisziplinen leisten ihren Anteil.
Am wbk versuchen wir, dem ebenfalls Rechnung zu tragen, indem unsere Lehrangebote nahezu alle Bereiche der Produktionstechnik abdecken – von der Forschung und Entwicklung über die Fertigung und Qualitätssicherung bis hin zur Planung von ganzen Fabrikanlagen. Unsere Studierende (hauptsächlich aus dem Bereich Maschinenbau, Mechatronik und Wirtschaftsingenieurwesen) sollen das Wissen für ihren späteren Ingenieursberuf sowohl fachübergreifend als auch im speziellen anwenden können. Hilfreich sind dabei unsere direkten Kontakte zur Industrie für aktuelle Anwendungen, aber auch Trends aus der Produktionstechnik. Unserer Erfahrung nach können Studierende das Gelernte besser behalten, wenn sie es direkt mit der Praxis verknüpfen. Deshalb hat das wbk in seinem produktionstechnischen Labor die Lernfabrik Globale Produktion aufgebaut: Hier können Studierende an einer realen Industriemontagelinie für Elektromotoren verschiedene Industrie 4.0-Anwendungen direkt sehen und ausprobieren. In unserer Ausbildungsfabrik „Statorfertigung“ gehen wir hinsichtlich der Elektromobilität sogar noch einen Schritt weiter und produzieren „echte“ Elektromotoren für die Industrie. Das bildet für Studierende eine ideale Basis für eine spätere berufliche Vertiefung oder Spezialisierung zum Thema Elektromotoren.
Lohnt sich der Einstieg in die Automobilbranche zukünftig noch und wenn ja, für wen und bei wem?
Auf jeden Fall! Grundsätzlich hatte jedes Unternehmen seine Expertise und demnach seine Nische im Verbrenner-Bereich gefunden und erfolgreich positioniert. Somit hat auch jeder der am Markt existierenden Hersteller/Zulieferer das Potenzial für die Nische im Elektrofahrzeug. Es gilt, sich auf seine Stärken konzentrieren und diese systematisch auf die neuen Produkte und Prozesse zu erweitern. Hierfür haben wir am wbk mit dem Projekt Fit4E einen tollen Leitfaden entwickelt, der insbesondere KMU an die Hand nimmt und sie im Transformationsprozess begleitet. Hier gibt es den Leitfaden zum Download als PDF.