Dein Vorstellungsgespräch bei einem Unternehmen der Mobilitätsbranche rückt näher und du hättest doch gerne ein paar Branchenfakten zur Hand und Input auf Fragen nach Zukunftsszenarien? Wir verstehen dich. Hier eine hoffentlich maximal praktische und übersichtliche Sammlung zu Trends der E-Mobilität 2020.
Fakten zum Glänzen
Stand März 2020 wurden in Deutschland
- 15.646 Elektroautos neu zugelassen.
- In Gesamt-2019 belief sich die Anzahl auf 63.281 Stück. (Quelle)
Edit im Januar 2022: Im Vergleich dazu gab es im Jahr 2021 rekordverdächtige 355.961 NEUZULASSUNGEN. Das ist kein Trend mehr, das ist ein technologischer Umschwung, der bei den Kunden angekommen ist.
Damit wurden bisher innerhalb von 25% des Jahres 2020 gerade mal 24,7 % des Vorjahreswerts erreicht. Was heißt das nun? Dass pro Quartal 2020 weitere 15.700 Elektroautos zugelassen werden müssen, um den Vorjahreswert überhaupt zu halten (seit 2016 stiegen die Neuzulassungen sprunghaft an) und an sich könnte es ganz gut aussehen – denn allein im Januar 2020 war das Interesse höher als im Januar 2019. Aber: Corona – dazu gleich mehr.
2019 gab es rund
- 240.000 neu zugelassene Hybride hierzulande; Hybride waren in 2019 also beliebter als reine Elektroautos und
- die beliebteste Marke ist Toyota. Seit 2021 hat Renault die Nase vorn mit dem Modell Zoe.
Die Produktion von Toyota wurde am Anfang der Coronakrise im Übrigen zeitweise eingestellt und es ist nicht die einzige. Daher ist gut vorstellbar, dass du im Vorstellungsgespräch folgendes gefragt wirst:
Wie wirken sich Krisen wie Corona auf die Automobilhersteller aus?
Wichtigste Aspekte: Dein Prozesswissen und die Zukunftsvision, denn es ist durchaus davon auszugehen, dass es irgendwann noch einmal Pandemien geben wird. Diese Frage ist außerdem wichtig, weil die „Hersteller“ viele Aufträge in ein Netzwerk aus Zulieferern einspeisen. Fallen diese Aufträge weg, sind ganze Lieferketten betroffen. Aus Sicht der Käufer könnte das außerdem in noch längere Wartezeiten resultieren – wer jetzt kauft, dessen Auftrag wird schlichtweg nicht produziert. Aber wird nicht wieder alles gut, wenn die Corona-Krise mal eingedämmt wurde? Die Theorien gehen hier weit auseinander: Viele Experten sprechen von einer zweiten Infektionswelle im Herbst, andere wiederum gehen davon aus, dass die Auswirkungen noch in den nächsten 5 Jahren zu spüren sein werden. Das schürt Unsicherheit.
Also kannst du im Gespräch fragen: Wie kalkuliert das Unternehmen die nun entstehende Unsicherheit in die kurzfristige Business-Strategie ein?
Bonuspunkte bekommst du für Überlegungen, die steigenden Nationalismus einbeziehen – denn als Teil des Systems „Polit-Ökonomie“ werden Unternehmen als Erste zu spüren bekommen, wenn wegen geschlossener Grenzen die internationale Vernetzung angespannt bleibt. Praxisbeispiel ist Tschechien, die Ende März 2020 die Grenzen sogar für Berufspendler geschlossen halten.
Instagram, äh Modellwelt versus Realität
Ein inhaltliches Dilemma muss die E-Mobilität durch Technologie lösen: Unterscheide die Lebensräume deiner zukünftigen Fahrer/ Kunden nach Lebensraum: urban versus ländlich. In städtischen Umfeldern verzichten die Menschen auf eigene Pkws – zwecks Nachhaltigkeit, Sharing-Angebote, dem Kostenfaktor und der schieren Unnötigkeit wegen gut ausgebauter ÖPNVs. Die gefahrenen Strecken sind in der Regel auch kürzer. Im ländlichen Raum sind die Strecken bedeutend länger, Elektroautos müssen also größere Distanzen bewältigen und öfter geladen werden. Zudem sind die Ladesäulen vorrangig im städtischen Bereich oder an Autobahnen konzentriert. Eine Übersicht bietet die Ladesäulenkarte der Bundesnetzagentur (mit Excel-Download!). Überlege dir mögliche Lösungen für diese Umstände:
- Sollte besonders der ländliche Raum zuhause laden?
- Wie bekommt man private Ladestationen dazu, sich der Öffentlichkeit zu öffnen?
- Wie kann man das at-home-charging maximal günstig konzipieren, Stichwort Nachtstrom?
- Wer informiert die Bevölkerung über die verfügbaren Einbaumöglichkeiten der häuslichen Ladestationen?
- Wer nimmt den Ein-/Umbau vor – braucht es hierfür neu entwickelte Zertifikate fürs Handwerk?
- Wie kann man die Batteriekapazitäten erhöhen, ohne signifikant in das Gewichtsproblem der E-Autos einzugreifen?
Wirst du das nicht im Gespräch gefragt, dreh den Spieß um und stell deine Frage an den Experten des Unternehmens: Inwiefern werden so unterschiedliche Lebensräume und Ansprüche der späteren Käufer bei Forschung & Entwicklung im Unternehmen mit einbezogen?
… aber die Nachhaltigkeit!
Zu den Trends der E-Mobilität 2020 gehört auch die Nachhaltigkeit. Behalte in diesem Themenkomplex immer im Hinterkopf, dass Nachhaltigkeit drei Komponenten hat:
- Umwelt
- Soziales (etwa Menschenrechte)
- Ökonomie
Vertiefungsmöglichkeiten dieses Themas betreffen also die CO2-Reduzierung in der Produktion, Betrieb der E-Fahrzeuge mit Ökostrom, Batterieentwicklung ohne Schwermetalle und ohne Inhaltsstoffe, die unter menschenunwürdigen Bedingungen gefördert werden sowie Preissenkung der Anschaffung und des Betreibens. Mit Fragen zu diesem Thema könntest du den Personalern und Abteilungsvertretern aber durchaus auf die Füße treten – also achte darauf, sie nicht als Vorwurf zu formulieren. Schließlich willst du in eine Position im Unternehmen kommen, in der du eine Lösung für diese Probleme finden kannst.
Ernstzunehmende CO2-Grenzen?
Branchenwissen beweist du, indem du dich auch in Sachen CO2-Grenzen der Bundesregierung und Flottenverbrauch auskennst. Anfang 2019 wurden die Benziner auf den Markt gedrängt, die noch richtig schlechte CO2-Bilanzen hatten – einfach, um sie zu verkaufen, bevor die Grenzen griffen. Sie trieben so 2019 die Zahl der Neuzulassungen unter nicht-Elektroautos hoch. Eine Schwankung, die sich so ähnlich 2020 wiederholen wird, denn diese Grenzen betreffen nun auch die E-Autos: Durchschnittlich dürfen es nicht mehr Ausstoß als 95 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer sein.
Was passiert also bei oberflächlicher Betrachtung? Neuwägen werden mit 0%-Finanzierungen gepusht, während Gebrauchtwägen von Händlerseite eher stiefmütterlich behandelt werden – denn sie sollen ja auch nicht so stark verkauft werden wie die Neuwägen, die sonst im Lager enden und umgerüstet werden müssen. Was wiederum Mehrkosten bedeuten würde und einen Preisanstieg – und das, obwohl 89% der Deutschen den Preisfaktor als Ablehnungsgrund der E-Mobilität sehen (E-Autos werden aktuell mit bis zu 6.000 Euro vom Staat gefördert). Diese Preissensibilität der Kunden werden die Hersteller direkt an die Zulieferer weitergeben – schwerpunktmäßig werden sie also mit Kostenoptimierung beschäftigt sein. Kann man Bauteile reduzieren oder mit anderen Materialien günstiger herstellen? Eine von mehreren dauerhaften Fragen, auf die Zulieferer Antworten finden müssen.
Nicht ganz so oberflächlich betrachtet, werden diese CO2-Grenzen aber nicht so streng gesehen: Ein Solardach reduziert den CO2-Ausstoß faktisch nicht, rein rechnerisch aber schon – so kann man sich nicht nur die Werte einzelner Modelle, sondern ganzer Fahrzeugflotten schönrechnen. Regulatorische Feinheiten wie diese sorgen also dafür, dass auch weiterhin Autos jenseits der offiziellen CO2-Grenzen in den Verkauf gehen. Wie weit diese Schönrechnerei geht, kannst du hier vertiefen. Wer sich mit mehr Zahlen aufschlauen will, kann auch die Website des Kraftfahrt-Bundesamts besuchen und sich an der Jahresbilanz gütlich tun.
So – wir hoffen, du fühlst dich nun gewappnet für dein Vorstellungsgespräch und drücken dir super fest die Daumen! Wenn du uns Feedback geben möchtest, dann schreib uns doch einfach eine kurze Mail an mobilitaet@hitech-campus.de – wir freuen uns, von dir zu hören!