Geforscht wird viel für die Mobilität von Morgen – unter anderem an der DHBW zu einer Methanol-Brennstoffzelle als Range Extender von E-Mobilen. Grund genug für hitech-campus.de, Prof. Wolf Burger nach dem Projekt, dem Hintergrund von Methanol und dem Status Quo 2020 der Automobilbranche zu befragen.
Prof. Burger, in einem Projekt haben Ihre Studierenden einen neuen Antrieb entwickelt und dabei als Fahrzeug den Mini MOKE verwendet. Warum setzen Sie bei dem Projekt auf Methanol und nicht Strom oder Wasserstoff?
Wir an der DHBW forschen Technologie-offen. Neben unserem MOKE mit der Methanol-Brennstoffzelle haben unsere Studierenden auch einen Trabant als Versuchsträger für andere Range Extender-Konzepte zum Elektrofahrzeug umgebaut.
Methanol hat einen ganz pragmatischen Hintergrund: die Sicherheit. Vom Gefahrenpotenzial her liegt es auf dem Niveau von Benzin, während Wasserstoff in Drucktanks gespeichert wird und daher für den Einsatz an einer Hochschule in studentischen Projekten zu gefährlich ist. Wir haben am Campus Stuttgart auch einen GLC F-Cell als Versuchsfahrzeug – bei einem Systemdruck von 700bar können nur ausgewiesene Spezialisten an dem Fahrzeug arbeiten. Letztes Jahr ist in Norwegen allein wegen eines Montagefehlers eine ganze Wasserstofftankstelle in die Luft geflogen.
Zudem hat Methanol noch weitere Vorteile: Die Infrastruktur für den praktischen Einsatz wäre aktuell schon vorhanden, denn Methanol lässt sich aus einer normalen Zapfsäule tanken – es bräuchte also keine schnellen und umfangreichen Investitionen. M100 ist als Kraftstoff in der EU schon genormt und es lassen sich auch klassische Verbrennungsmotoren damit betreiben. Wird das Methanol aus einer Wasserstoff-Vorstufe und der Methanisierung mit Biomasse hergestellt, können die CO2-Emissionen aus dem Straßenverkehr in Deutschland bis 2030 um 30 Prozent reduziert und bis 2050 auf praktisch null abgesenkt werden.
Welche Gefahren oder Risiken ergeben sich aus der Nutzung von Methanol als Energiequelle?
Methanol ist giftig und liegt, wie schon erwähnt, mit Benzin auf einem ähnlichen Niveau des Gefährdungspotenzials. Solange wir noch in unseren Ozeanen Erdöl fördern, ist Methanol auf jeden Fall die bessere Lösung.
Wie sind die Umweltauswirkungen der Methanol-Brennstoffzelle im Vergleich zu anderen Antrieben?
Die Brennstoffzelle wird bei unserem Fahrzeug als Range Extender betrieben. Das Fahrzeug ist ein klassisches Elektrofahrzeug und hat eine vergleichsweise kleine 10kWh LFP-Batterie (lithium ferrophosphate) an Bord. Sie ist bisher die einzige Lithium-Batterie, die sich vernünftig recyceln lässt. Bei den bis zu 95kWh großen NMC-Paketen (Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid) in modernen Elektrofahrzeugen lässt sich das Lithium bis heute nicht großtechnisch zurückgewinnen.
Der Einbau des Range Extenders hat einen andern Hintergrund: Wir können mit einer kleinen Batterie leben und die Reichweitenangst, eines der Hindernisse bei der Akzeptanz von Elektrofahrzeugen, minimieren. So ist der Life Cycle CO2-Footprint unseres Konzeptes deutlich besser als der von reinen Elektrofahrzeugen. Ein großer Teil der CO2-Emissionen entsteht schon bei der Herstellung der Batterie, das wird meistens verschwiegen.
Das heißt, für die Brennstoffzelle müssten keine neue Prozesse zur Verwertung geschaffen werden?
Das ist ein weiterer Vorteil unsere Technologie. Während das Recycling von NMC-Batterien noch weit von einem stabilen Prozess entfernt ist, lässt sich die Brennstoffzelle einfach zerlegen. Letztes Jahr hat ein verunfallter Tesla in Österreich zu einem großen Medienecho geführt, weil die Entsorgung dann doch nicht so einfach wie gedacht funktioniert hat.
Gab es bei der Entwicklung des Antriebs besondere Erkenntnisse, die Sie überrascht haben?
Einfache Elektroautos kann jeder bauen. Das hat die deutsche Industrie, wie ich auch, komplett falsch eingeschätzt. Die echte Herausforderung liegt darin, bei den noch kleinen Stückzahlen Geld zu verdienen. Zudem haben sich bei der Entwicklung die Prioritäten komplett verschoben: Als Motorenentwickler waren wir in Deutschland früher die Könige in der Automobilindustrie, jetzt ist der Antrieb nur noch ein kleiner Teil der Gesamtentwicklung – Connectivity und Assistenzsysteme haben massiv an Bedeutung gewonnen. Da ist die deutsche Automobilindustrie leider geschätzte 5 bis 10 Jahre hinter dem Wettbewerb zurückgeblieben.
Mobilität auf der Straße hat viele Facetten, von Zweirädern zu Kfz, Lkws und Schwertransporten. Wo kann man die Methanol-Brennstoffzelle Ihrer Meinung nach als Erstes einsetzen?
Die bei uns eingesetzte Brennstoffzelle ist ursprünglich von Siquens, einem klassischen Start-up, für stationäre Anwendungen entwickelt worden. Das ist gar nicht unüblich, denn viele neue Technologien wachsen in der Regel in Nischen. Wir selbst sehen die erste Anwendung in kleinen Lieferfahrzeugen wie dem Street Scooter, der in der Regel Teil einer Fahrzeugflotte ist. Durch die Hochtemperatur der Brennstoffzelle ist praktisch immer eine Standheizung mit an Bord, ohne zeitgleich die Reichweite des E-Mobils einzuschränken und in der Flotte ist die Versorgung mit Methanol kein Problem. Leider steht der Street Scooter als innovatives Fahrzeugkonzept, das weltweit eigentlich keine echten Wettbewerber hat, vor dem Aus. Wenn wir in Deutschland nicht sehr schnell wieder unsere Innovationskultur zurückgewinnen, wird es in den nächsten Jahren ungemütlich.
Die Frage aller Fragen: Was kostet die Methanol-Brennstoffzelle?
Im Moment wird die Brennstoffzelle von Hand montiert, der Schlüssel zu einem wirtschaftlichen Erfolg ist allerdings die automatisierte Produktion. Für einen breiten Einsatz im Elektrofahrzeug müssen die Kosten aktuell noch um einen Faktor 5 bis 10 sinken. Das Gute ist: Bei den Batterien hat sich ja herausgestellt, dass diese Entwicklung sehr schnell gehen kann. Als DHBW haben wir den großen Vorteil eines engen Netzwerks mit unseren dualen Partnern: Zwei Partner entwickeln schon Redox Flow-Batterien, die einen ähnlichen Aufbau wie eine Brennstoffzelle aufweisen, mit denen sind wir natürlich beständig im Gespräch. Im Übrigen ist die Brennstoffzelle bei Off Grid-Einsätzen zurzeit gegenüber einem klassischen Dieselmotor-Generator wirtschaftlich absolut konkurrenzfähig.
Wie geht es mit dem Projekt weiter?
Neben der Universität in Aachen sind wir die einzige Hochschule mit „eigener“ Fahrzeugproduktion. In Cerizay, Frankreich, wird der MOKE produziert und wir unterstützen weiterhin bei der Entwicklung. Davon abgesehen geht es um die Einsatzmöglichkeiten des MOKE, beispielsweise wurde er früher schon mit einem Hardtop bei der tasmanischen Post als Zustellfahrzeug genutzt. Bei uns sind die Pizza- und Fast Food-Lieferdienste mit einem Renault Twizy ausgestattet. Ich denke, die Fahrer freuen sich über Fenster und vor allem im Winter über eine Heizung. Da liegt es meiner Meinung nach nahe, ein paar Studierende auf das Thema anzusetzen.
Welche Chancen sehen Sie für Innovationen wie diese in einer Branche, die aktuell einem absoluten Sparzwang unterworfen ist?
Mit dem derzeitigen Mindset in den Führungsetagen der Automobilhersteller sehe ich, ehrlich gesagt, keine große Chance für eine breite Markteinführung. Das bedeutet leider, dass die gesamte Branche meines Erachtens massive strukturelle Probleme hat. Im Internet kursieren Berichte, dass Tesla die Batteriekosten auf 60 USD/kWh senken konnte. Wenn da nur ein Fünkchen Wahrheit dahintersteckt, ist das Rennen um die Zukunft der Mobilität schon gelaufen, bevor wir überhaupt an den Start gehen. Bei allem Idealismus darf man eines nicht vergessen: Autos werden gebaut, um Geld zu verdienen, unabhängig von der ökologisch besten Technologie. Bei Kosten von unter 100 USD/kWh für die Batterie ist ein Fahrzeug mit Elektroantrieb günstiger als ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor. Die Brennstoffzelle wird aber immer deutlich teurer in der Herstellung als ein Verbrennungsmotor sein.
Würden Sie Hochschulabsolventen aktuell den Berufseinstieg in die Automobilbranche empfehlen?
Ich wünsche mir sehr, dass möglichst viele junge Menschen in die Autobranche einsteigen und für frischen Wind sorgen. Die Automobilindustrie setzt beim Marketing auf die jungen Wilden, bei der strategischen Ausrichtung aber merkwürdigerweise auf Senioren kurz vor der Rente. Wir brauchen mehr Diversität, mehr Kreativität und mehr Ingenieure als Entscheidungsträger. Die rein betriebswirtschaftliche Ausrichtung der Entscheidungen hat uns in eine ziemliche Sackgasse geführt. Zeit umzudrehen!
Prof. Dipl. Ing Wolf. M Burger studierte an der Universität Stuttgart, es folgten Tätigkeiten unter anderem für Stihl und Porsche. 2006 kehrte er als Professor für Maschinenbau mit Schwerpunkt Verbrennungsmotoren an die Duale Hochschule Baden-Württemberg am Campus Horb zurück.
Text und Interview von Bettina Riedel