Die Zukunft der Automobilbranche
In der sich wandelnden, dynamischen Welt der Automobilindustrie stehen technologische Innovationen im Mittelpunkt des Geschehens. Experten wie Prof. Dr. Markus Thoben, Studiengangsleiter für Fahrzeugentwicklung an der FH Dortmund, und Prof. Dr. Markus Lienkamp, Lehrstuhlleiter für Fahrzeugtechnik an der TU München, sind dabei führende Stimmen, wenn es um aktuelle Entwicklungen, Herausforderungen und Trends der Automotive-Branche geht.
Welches sind derzeit die wichtigsten technologischen Entwicklungen und Trends, die für den Bereich Automotive besonders relevant sind?
Die derzeitigen technologischen Entwicklungen und Trends im Automotive-Bereich werden von Prof. Dr. Thoben als ein „tiefgreifender Wandel in Richtung Elektromobilität” beschrieben. Er betont, dass dieser Wandel nicht nur Batterietechnologie und elektrische Fahrantriebe umfasst, sondern auch neue Bereiche wie Wasserstofftechnologie für schwere Nutzfahrzeuge. Dabei spielt insbesondere die Brennstoffzellentechnologie eine herausragende Rolle. Zudem unterstreicht er die steigende Relevanz von automatisiertem und vernetztem Fahren sowie den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), die den Bedarf an innovativen Bordnetzarchitekturen vorantreiben. Prof. Dr. Markus Lienkamp konzentriert sich ebenfalls auf den Übergang zur Elektromobilität und hebt hervor, dass neben den klassischen Themen wie Fahrwerk und Karosserie, neue Bereiche wie Elektroantrieb und Batterietechnologie immer bedeutender werden. Dabei wird besonders das autonome Fahren und die Integration von Fahrzeugen in neue Mobilitätskonzepte betont. Er spricht auch die wachsende Bedeutung von Software, Architektur und Künstlicher Intelligenz an, die die zukünftige Entwicklung der Branche maßgeblich prägen werden.
Welche Herausforderungen sieht sich die Automobilbranche gegenüber?
Prof. Dr. Thoben kommt hier erneut auf den Wandel hin zur Elektromobilität zurück, der Batterietechnologie, Leistungselektronik und elektrischen Fahrantrieben große Bedeutung verleiht. Er unterstreicht: „Eine große Herausforderung stellt die Beherrschung von Komplexität der technologischen Bandbreite im Software- und Hardwarebereich dar.” Prof. Dr. Lienkamp ergänzt Prof. Dr. Thobens Perspektive, indem er die aktuellen Trends im Bereich Elektromobilität und autonomes Fahren hervorhebt. Dabei betont er die Notwendigkeit, Effizienz und Reichweite zu verbessern und gleichzeitig die Sicherheit zu gewährleisten. Er bekräftigt: „Bei der Elektromobilität geht es im Wesentlichen um Effizienz beziehungsweise Reichweite zu möglichst geringen Kosten.” Beide Professoren erkennen die Komplexität und den Druck in der Automobilindustrie. Prof. Dr. Thoben hebt die enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren innerhalb der Branche hervor, um Fahrzeuge mit hoher Zuverlässigkeit in kurzen Innovationszyklen zu entwickeln. Lienkamp betont die Notwendigkeit, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und die Vielschichtigkeit der Mobilitätsfragen zu bewältigen. Sie stimmen darin überein, dass die Integration neuer Technologien wie Künstliche Intelligenz und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen unerlässlich sind, um den zukünftigen Anforderungen gerecht zu werden.
Welche Akzente in der Forschung setzen Sie am Lehrstuhl, um Ihre Studierenden auf den Berufseinstieg in Automotive vorzubereiten?
Prof. Dr. Thoben erläutert, dass sich die FH Dortmund auf cloudbasierte Energienetze konzentriert und Labore der Fachbereiche Maschinenbau und Elektro- technik miteinander vernetzt, um sowohl Energienetze als auch Fahrzeugsysteme wie Brennstoffzellenfahrzeuge zu erforschen. Er akzentuiert die Vielfalt der Forschungsaktivitäten, darunter die Entwicklung eines Hybridfahrzeugs, an dem alle 70-80 Studierenden eines Jahrgangs in einem Projekt ähnlich der Industriestruktur zusammenarbeiten. Neben den technischen Aspekten werden auch Marketing und Projektplanung und -steuerung integriert. Der Lehrstuhl der TUM unter Prof. Dr. Lienkamp setzte stark auf die Lehre gängiger Entwicklungsmethoden für Automobile, einschließlich der Softwareerstellung. Er betont, dass die Masterstudent:innen gemeinsam mit den Doktorand:innen an aktuellen Themen forschen, was eine praxisnahe Ausbildung gewährleistet. Des Weiteren werden die Studierenden durch Teams, die monatelang auch im Ausland zusammenarbeiten, soziale Kompetenzen erwerben, was ihre Vorbereitung auf die Anforderungen in der Automobilindustrie weiter stärkt.
Welche fachlichen Kompetenzen werden zukünftig elementar sein, um als MINT-Absolvent:in oder IT-Absolvent:in in der Branche Fuß zu fassen?
Prof. Dr. Thoben bekräftigt die Notwendigkeit eines umfassenden Wissensschatzes für zukünftige MINT- und IT-Absolventen, um den sich wandelnden Anforderungen der Automobilbranche gerecht zu werden: „Weiterhin ist ein tiefes mathematisches, informationstechnisches und naturwissenschaftliches Wissen erforderlich, um neben den konventionellen Systemen auch die neuen Technologien, wie Brennstoffzellensysteme, Batterietechnologien, Leistungselektronik und elektrische Antriebssysteme zu verstehen.” Dabei betont er die Bedeutung einer fundierten Ausbildung, die sowohl ein breites Fundament als auch eine Vertiefung in neuen Gebieten ermöglicht. Zusätzlich unterstreicht er die Notwendigkeit von Kompetenzen in der Zusammenarbeit, sowohl innerhalb großer Projektteams als auch zwischen verschiedenen Unternehmen und Standorten:
„Um der Struktur der Branche und der Arbeitsorganisation gerecht zu werden, sind Kompetenzen für die Zusammenarbeit in großen Projektteams und der Zusammenarbeit zwischen Firmen, mehreren Standorten und verschiedenen Ländern in der gesamten Wertschöpfungskette erforderlich.” Prof. Dr. Lienkamp führt aus, dass die geforderten Kompetenzen zukünftiger Absolventen in der Automobilindustrie äußerst vielfältig sind und sich auf verschiedene Fachgebiete erstrecken. Er erklärt: „Die Kompetenzen können sehr tief im Detail zu einem Thema liegen.” Von Zellchemie über Versuchsdesign bis hin zu Algorithmenentwicklung mit maschinellen Lernverfahren erstrecken sich die Themenbereiche, die für eine erfolgreiche Karriere in der Branche von Bedeutung sind. Weiterhin betont er die Wichtigkeit von Fachgebieten wie Elektrotechnik, Maschinenbau, Verkehrswesen und Informatik für angehende Fachkräfte in der Automobilindustrie.
Welche Soft Skills sind nach Ihren Eindrücken im Bereich Fahrzeugentwicklung wichtig, die man als Berufseinsteiger:in mitbringen sollte?
Die Bedeutung von Soft Skills für angehende Fachkräfte in der Fahrzeugentwicklung hebt Prof. Dr. Thoben hervor und beschreibt die Anforderungen der Unternehmenskultur. Er führt aus: „Neben den für den Ingenieurberuf notwendigen Eigenschaften, wie kreativem und strategischem Denken, Neugierde, hoher Lernbereitschaft, Agilität und Problemlösungsorientierung sind daher weitere Soft Skills essenziell. Prof. Dr. Thoben betont insbesondere die Notwendigkeit kommunikativer Fähigkeiten wie die Fähigkeit zur Vernetzung, aktives Zuhören und die Fähigkeit, andere für eigene Ideen zu begeistern und zu überzeugen.
Zudem hebt er die Bedeutung von Präsentationstechniken und die Fähigkeit zur Wissensvermittlung hervor. Prof. Dr. Lienkamp legt den Fokus auf die persönliche Entwicklung der Studierenden und Doktoranden und betont die Bedeutung von Menschlichkeit, Präsenz und Zusammenarbeit. Dabei liegt ein besonderer Schwerpunkt darauf, die jungen Leute persönlich zu fördern und sie auf die Anforderungen der Industrie vorzubereiten. Er weist darauf hin, dass die Automobilindustrie eher konservativ ist, was dazu führt, dass viele Absolvent:innen alternative Wege wie die Gründung von Start-ups einschlagen.
Wie sehen Sie die Branche im internationalen Vergleich und welchen Input kann der Technologietransfer aus Hochschulen geben?
Die internationale Bedeutung der Automobilbranche ist unbestreitbar, insbesondere in Deutschland mit seiner Vielzahl an Fahrzeugherstellern und Zulieferern. Prof. Dr. Thoben unterstreicht die Dynamik der Elektromobilität und hebt die Rolle Chinas als weltweit größter Markt für Fahrzeuge hervor. Dementsprechend betont er: „Zur verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilbranche ist es daher sinnvoll, dass neue Technologieinnovationen am Standort Deutschland entstehen.” Indes sieht Prof. Dr. Lienkamp Deutschland weiterhin technologisch führend in der Automobilindustrie. Er verweist auf die Herausforderungen des Automobilbaus und betont: „Das Auto ist ein extrem komplexes Produkt.” Trotzdem hebt er die Rolle der Hochschulen als Innovationsmotor hervor: „Die Hochschulen können als Schnellboot neue Ideen ausprobieren und in Start-ups überführen.”
„Zur verbesserten Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilbranche ist es daher sinnvoll,
dass neue Technologie- innovationen am Standort Deutschland entstehen”
– Prof. Dr. Markus Thoben
Was raten Sie Studierenden, die an einem Berufseinstieg in bei Automobilunternehmen interessiert sind, aber im Bachelorstudium noch keine Gelegenheit hatten, sich vertiefend mit Fahrzeugentwicklung auseinanderzusetzen?
Prof. Dr. Thoben betont die Vielfalt der Möglichkeiten für Absolvent:innen, in der Automobilbranche Fuß zu fassen, unabhängig von ihrem Studienabschluss. Er teilt seine persönliche Erfahrung als Elektroingenieur, der direkt in die Automobilindustrie eintrat, aber sein Wissen durch eine vertiefende Zusammenarbeit mit einem Automobilhersteller erweiterte. Er erklärt: „Ein aufbauendes Masterstudium gibt die Möglichkeit, sich besser auf die Herausforderungen in der Automobilindustrie vorzubereiten.“ An der Fachhochschule Dortmund liegt der Fokus neben dem fachlichen Wissen auch auf dem Erlernen und Anwenden von Projektmanagementkompetenzen. Demgegenüber weist Prof. Dr. Lienkamp darauf hin, dass Absolvent:innen aus verschiedenen ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen wie Elektrotechnik, Maschinenbau, Informatik und anderen angenommen werden. Er betont die Vielfalt und Flexibilität des Studiengangs.
An welchem Thema arbeiten Sie persönlich gerade mit besonderer Leidenschaft?
Prof. Dr. Thoben ist als Studiengangsleiter besonders daran interessiert, wie er mehr Studierende für das Studium der Fahrzeugentwicklung begeistern kann, und wie er die Lehrinhalte kontinuierlich an die sich wandelnden Anforderungen der Automobilindustrie anpassen kann. In der Forschung konzentriert er sich auf Innovationen in der Leistungselektronik, dem elektrischen Fahrantrieb und Brennstoffzellenfahrzeugen. Seine Forschungsfrage ist, wie gewährleistet werden kann, dass leistungselektronische Komponenten über die gesamte Fahrzeuglebensdauer sicher funktionieren und dennoch schnell neue Technologien in Fahrzeuge integriert werden können. Prof. Dr. Lienkamp hingegen arbeitet derzeit intensiv am Thema autonomes Autorennen, wo neue Algorithmen rasend schnell entwickelt und täglich getestet werden. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit Studierendenteams, aus denen zukünftige Doktorand:innen rekrutiert werden. Er betont, dass die Themen Elektromobilität, autonomes Fahren und Mobilität in den kommenden Jahren von großer Bedeutung bleiben werden.
Warum kann eine Karriere in Automotive auch eine übergeordnete Zufriedenheit bringen?
Prof. Dr. Thoben betont: „Die individuelle Mobilität ist eine Grundlage für wirtschaftliches Wachstum und direkt mit unserem Wohlstand verbunden.” Dabei hebt er hervor, dass Mobilität auch eine Voraussetzung für die Teilnahme am sozialen Leben sei, insbesondere in ländlichen Regionen, wo das Automobil oft die beste Option darstellt. Er sieht die Herausforderung darin, die Mobilität klimaneutral zu gestalten, und betont die gesellschaftliche Relevanz dieser Aufgabe. Prof. Dr. Lienkamp führt an: „Wir widmen uns intensiv der Verbesserung der Mobilität als Ganzes.” Das sei eine Quelle der Zufriedenheit und Sinnstiftung für viele Menschen. Dabei unterstreicht er die Vielfalt an Möglichkeiten, die sich durch eine Karriere in der Automobilindustrie eröffnen. Sein Rat: persönliche Interessen und Wünsche im Rahmen von Studium oder Promotion zu verwirklichen.
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